Voraussetzungen und Nachweise der Steuerbefreiung für Beförderungsleistungen im Zusammenhang mit Ausfuhren

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 08.11.2018, C-495/17, Cartrans Spedition SRL

Praxisproblem

Bei dem rumänischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Frage, welche Nachweise für Beförderungsleistungen im Zusammenhang mit der Ausfuhr von Gegenständen eine nationale Regelung für die unionsrechtlich gebotene MwSt-Befreiung gem. Art. 153 MwStSystRL verlangen darf.

Sachverhalt

Nach Auffassung der rumänischen Finanzbehörde hatte die Klägerin die Steuerbefreiung in Bezug auf mehrere Beförderungsleistungen nicht durch gesetzeskonforme Dokumente nachgewiesen, weshalb davon auszugehen sei, dass keine Dokumente vorlägen, aus denen sich ergebe, dass die beförderten Gegenstände aus dem Unionsgebiet ausgeführt worden seien. Vorliegend ging es um drei im Zeitraum von März bis Mai 2012 in die Türkei erbrachte Beförderungsleistungen, zwei im August 2012 nach Georgien erbrachte Beförderungsleistungen, eine im Februar 2013 in den Irak erbrachte Beförderungsleistung und eine im April 2014 in die Ukraine erbrachte Beförderungsleistung. Das Dokument, das nach Ansicht der Steuerbehörde einen anzuerkennenden Nachweis für die Ausfuhr darstellt, ist die zollrechtliche Ausfuhranmeldung bzw. die zollamtlichen Ausfuhre-scheinigungen. Die Klägerin legte der Finanzbehörde für die Rechnungen, auf die sich die Versagung der Steuerbefreiung bezog, Carnets TIR sowie verschiedene CMR-Frachtbriefe vor, die von den Zollstellen der Länder mit einem Sichtvermerk versehen wurden, in die die jeweiligen Ausfuhren nach dem Vortrag der Klägerin erfolgt waren. Die Klägerin machte außerdem geltend, dass die jeweiligen Carnets TIR sowohl Angaben zu den beförderten Gegenständen als auch Bestätigungen der Zollbehörden bezüglich der Ausfuhr der Gegenstände in das jeweilige Land enthielten, und dass das Carnet TIR Beweiskraft habe, da es ein Instrument darstelle, das die Durchführung eines zollrechtlichen Versandverfahrens von einer Ausgangsstelle bis zu einer Zielzollstelle bescheinige.

Die rumänische Finanzbehörde machte geltend, dass eine Güterbeförderung im Zusammenhang mit der Ausfuhr von Gegenständen nur dann eine steuerfreie Leistung darstelle, wenn sie durch folgende Dokumente nachgewiesen sei: vom Beförderer ausgestellte Rechnung, ein mit dem Leistungsempfänger geschlossener Beförderungsvertrag oder spezifische Beförderungsdokumente, aus denen sich ergebe, dass die beförderten Gegenstände ausgeführt worden seien. Außerdem trug die Finanzbehörde vor, dass die Klägerin mit den Beförderungsdokumenten, über die sie verfüge, nur nachgewiesen habe, dass für die Ausführer Beförderungsleistungen im Ausland erbracht wurden, mit ihnen aber nicht auch die Ausfuhr der beförderten Gegenstände nachgewiesen worden sei.

Entscheidung

Der EuGH hat seine Entscheidung ausgehend davon, dass nach dem Sachvortrag des Vorlagege-richts unklar sei, welche Leistungen die Klägerin überhaupt erbracht habe, ob Vermittlungsleistungen i. S. v. Art. 153 Abs. 1 MwStSystRL oder Beförderungsleistungen i. S. v. Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL getroffen. Nach dem Urteil stellt die Steuerbefreiung nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL eine Ergänzung zu der Steuerbefreiung nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL (für Ausfuhrlieferungen) dar und soll ebenso wie diese die Besteuerung der betreffenden Leistungen an deren Bestimmungsort sicherstellen soll, d. h. an dem Ort, an dem die ausgeführten Erzeugnisse verbraucht werden.

Zwar ist die nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL befreite Beförderungsleistung vom eigentlichen Ausfuhrumsatz zu unterscheiden, der einen anderen, einer eigenen Zoll- und Steuerregelung unterliegenden steuerbaren Umsatz darstellt, in den gegebenenfalls andere Unternehmer einbezogen sind und dessen Steuerbefreiung sich nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. a der MwStSystRL bestimmt. Damit eine Beförderungsleistung nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL und – in dem Fall, in dem diese Leistung von einem Vermittler im Namen und für Rechnung eines Dritten erbracht wird – nach Art. 153 MwStSystRL steuerfrei sein kann, ist es grundsätzlich erforderlich, dass die betreffenden Gegenstände tatsächlich Objekt einer Ausfuhr waren, deren tatsächliches Vorlie-gen der Finanzbehörde gegenüber hinreichend nachgewiesen werden muss. Dieses Nachweiser-fordernis, das sich somit auf die materiellen Anforderungen bezieht, kann aber nur als eine rein formelle Pflicht im Sinne der bisherigen EuGH- Rechtsprechung angesehen werden. Daraus folgt aber nicht, wenn das nationale Recht zwingend den Nachweis der tatsächlichen Ausfuhr mittels einer Ausfuhranmeldung verlangt, dass jedes andere Beweisdokument ausgeschlossen werden kann, das als Nachweis ebenfalls geeignet wäre.

Für die Steuerbefreiung nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. e der MwStSystRL muss die nationale Finanzbehörde sämtliche ihr verfügbare Nachweise prüfen, um zu bestimmen, ob daraus mit hinreichend hoher Wahrscheinlichkeit abgeleitet werden kann, dass die beförderten Gegenstände in das Drittland verbracht wurden. Die Finanzbehörde kann nicht aus dem bloßen Umstand, dass der Beförderer oder der Vermittler nicht in der Lage sind, eine Ausfuhranmeldung vorzulegen, ableiten, dass dies nicht der Fall war.

Was den möglichen Beweiswert des Carnet TIR für den Nachweis anbelangt, dass die Voraussetzung bezüglich der Ausfuhr von Gegenständen, mit der eine Beförderungsleistung in unmittelbarem Zusammenhang stehen muss, tatsächlich erfüllt ist, so ergibt sich nach dem EuGH-Urteil aus dem Zollrecht und dem TIR-Übereinkommen, dass ein – insbesondere von den Zollbehörden des Bestimmungsdrittlands – ordnungsgemäß mit einem Sichtvermerk versehenes Carnet TIR ein offizielles Dokument darstellt, mit dem grundsätzlich nachgewiesen werden kann, dass die betreffenden Gegenstände Gegenstand einer physischen Warenbewegung in das Drittlandsgebiet waren.

Praxishinweis

Das Urteil hat auch Bedeutung für das deutsche Umsatzsteuerrecht. Eine grenzüberschreitende Beförderung von Gegenständen, die im Zusammenhang mit einer Ausfuhr, einer Durchfuhr oder einer Einfuhr steht, ist unter den Voraussetzungen des § 4 Nr. 3 Satz 1 Buchst. a Doppelbuchst. aa und Sätze 2 bis 4 UStG steuerfrei (vgl. Abschnitte 4.3.3 und 4.3.4 UStAE). Bei grenzüberschreitenden Güterbeförderungen und anderen sonstigen Leistungen, einschließlich Besorgungsleistungen, die sich unmittelbar auf Gegenstände der Ausfuhr oder der Durchfuhr beziehen, hat der leistende Unternehmer im Geltungsbereich der UStDV die Ausfuhr oder Wiederausfuhr der Gegenstände durch Belege eindeutig und leicht nachprüfbar nachzuweisen (§ 20 Abs. 1 und 3 UStDV). Bei grenzüberschreitenden Güterbeförderungen kommen insbesondere die vorgeschriebenen Frachturkunden (z. B. Frachtbrief, Konnossement), der schriftliche Speditionsauftrag, das im Speditionsgewerbe übliche Bordero, ein Doppel des Versandscheins oder im EDV-gestützten Ausfuhrverfahren (ATLAS-Ausfuhr) die durch die AfZSt per EDIFACT-Nachricht übermittelte Statusmeldung über die Erlaubnis des Ausgangs „STA“ als Nachweisbelege in Betracht. Bei anderen sonstigen Leistungen kommen als Ausfuhrbelege insbesondere Belege mit einer Ausfuhrbestätigung der den Ausgang aus dem Zollgebiet der Gemeinschaft überwachenden Grenzzollstelle, Versendungsbelege oder sonstige handelsübliche Belege in Betracht (vgl. Abschnitt 4.3.4 Abs. 4 UStAE).

Insofern erscheint das nationale Recht durch den EuGH bestätigt zu werden. Beachtenswert ist aber, dass der EuGH sein Urteil v. 29.06.2017, L.Č., C 288/16, ausdrücklich bestätigt hat; dass sich aus dem Wortlaut und dem Zweck von Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL, ergibt, dass ein unmittelbarer Zusammenhang mit der Ausfuhr von Gegenständen i. S. dieser Befreiung nicht nur voraussetzt, dass die betreffenden Dienstleistungen ihrer Art nach zur tatsächlichen Durchführung einer Ausfuhr beitragen, sondern auch, dass diese Dienstleistungen unmittelbar an – je nachdem – den Ausführer oder den Empfänger der Gegenstände, auf die sich diese Bestimmung bezieht, erbracht werden. Diese Einschränkung der Steuerbefreiung, dass nach § 4 Nr. 3 UStG befreite Leistungen nur an den die Ausfuhrlieferung erbringenden Unternehmer oder den Erwerber der Gegenstände erbracht werden können, ist im deutschen Recht bisher nicht umgesetzt worden. Denn es können auch nach wie vor z. B. Beförderungsleistungen, die ein Subunternehmer an einen Hauptfrachtführer oder Spediteur erbringt, nach § 4 Nr. 3 UStG steuerfrei sein.

Weiterhin hat der EuGH seine frühere Rechtsprechung bestätigt, dass die Mitgliedstaaten grundsätzlich frei sind, gem. Art. 131 MwstSystRL die Bedingungen festzulegen, unter denen sie Ausfuhrumsätze befreien. Sie müssen dabei aber insbesondere die Grundsätze der Rechtssicherheit und der Verhältnismäßigkeit beachten. Stehen wie im vorliegenden Fall die objektiven Merkmale einer Beförderungsdienstleistung i. S. v. Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL in Rede, ist diese Leistung zwingend steuerfrei, wenn sie in unmittelbarem Zusammenhang mit der Ausfuhr von Gegenständen steht. Nachweise der Steuerbefreiung haben nur formelle, aber keine materiell-rechtliche Bedeutung.

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