Steuerermäßigung, kurzfristige Vermietung von Campingflächen, Vermietung von Bootsliegeplätzen

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 19.12.2019, C-715/18, Segler-Vereinigung Cuxhaven e. V.

Sachverhalt

Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des BFH war streitig, ob es möglich ist, dass die im Umsatzsteuerrecht für die kurzfristige Vermietung von Campingflächen geltende Steuersatzermäßigung aufgrund des Neutralitätsgrundsatzes auch auf die Überlassung von Bootsliegeplätzen (als sog. „Wohnmobilhäfen“) anzuwenden ist, soweit diese gleichartige Umsätze ausführen.

Der BFH sah es als möglich an, dass die im Umsatzsteuerrecht geltende Steuersatzermäßigung für die kurzfristige Vermietung von Campingflächen auch auf die Vermietung von Bootsliegeplätzen anzuwenden ist. Er hatte den EuGH um Klärung gebeten, ob ein Hafen bei gleicher Funktion wie ein Campingplatz zu behandeln ist.

Anhang III Nr. 12 MwStSystRL erfasst dem Wortlaut nach lediglich die Vermietung von „Campingplätzen“ und „Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen“. Allerdings könne (so der BFH) die Norm aufgrund des allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatzes (Art. 20 EUGrdRCh) auch auf Bootsliegeplatzvermietungen anzuwenden sein.

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass der Beherbergungsbegriff des Anhangs III Nr. 12 MwStSystRL eng auszulegen ist. Der Anwendungsbereich dieser Steuerermäßigung darf nicht auf Leistungen ausgedehnt werden, die sich weder im Wortlaut der Bestimmung wiederfinden noch begriffsimmanent sind. Die Vermietung von Bootsliegeplätzen ist nach dem Urteil zum einen nicht im Wortlaut von Anhang III Nr. 12 MwStSystRL enthalten und zum anderen nicht dem Begriff der Beherbergung immanent, sondern soll in erster Linie das sichere Festmachen der Boote am Liegeplatz ermöglichen. Somit ist auf die Vermietung von Bootsliegeplätzen der ermäßigte Steuersatz nicht anwendbar.

Das ergibt sich nach der Entscheidung auch allgemein aus den Zielen, die mit dem Katalog des Anhangs III MwStSystRL verfolgt werden. Konkret ist die Gewährung der Möglichkeit für die Mitgliedstaaten in Nr. 12 von Anhang III, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf verschiedene Formen der Beherbergung, u. a. in Ferienunterkünften, anzuwenden, womit einem grundlegenden Bedürfnis eines jeden, der unterwegs ist, entsprochen wird, geeignet, einen breiten Zugang zu den betreffenden Leistungen zu erleichtern. Die Einräumung der Möglichkeit, einen ermäßigten Mehrwertsteuersatz auf Leistungen der Vermietung von Bootsliegeplätzen anzuwenden, wäre aber nach dem EuGH-Urteil in Ansehung eines solchen Ziels sozialer Natur offenkundig nicht gerechtfertigt, da Segel- und Motorboote wie diejenigen, um die es im Ausgangsverfahren geht, nicht – zumindest nicht hauptsächlich – als Beherbergungsorte dienen.

Auch nach dem Grundsatz der Neutralität müssen Bootsliegeplätze nicht wie Campingflächen ermäßigt besteuert werden. Dienstleistungen der Vermietung von Campingplätzen und Plätzen für das Abstellen von Wohnwagen einerseits und die Dienstleistungen der Vermietung von Bootsliegeplätzen andererseits erfüllen unterschiedliche Zwecke und stehen daher nicht miteinander in Wettbewerb.

Praxishinweis

Der EuGH hat seine Rechtsprechung bestätigt, dass Steuerermäßigungsvorschriften eng auszulegen sind. Nach dem knappen Urteil erfüllen Bootsliegeplätze nicht die gleiche Funktion wie Campingflächen. Der EuGH ist dem BFH insbes. dahingehend nicht gefolgt, dass aufgrund der funktionalen und wirtschaftlichen Identität, die eine Campingplatzvermietung und eine Bootsliegeplatzvermietung aufwiesen, eine Gleichbehandlung beim Steuersatz möglich sein könne. Boote (Segel- oder Motorboote) erfüllen anders als Wohnwagen nicht in erster Linie den Zweck, dort zu wohnen.

Ihre Ansprechpartner