Vorsteuer-Vergütungsverfahren: Zur Angabe von fortlaufenden Rechnungsnummern

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 17.12.2020, C-346/19, Y-GmbH

Praxisproblem

Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des BFH v. 13.02.2019, XI R 13/17, UR 2019, 434, ging es um das Vorsteuer-Vergütungsverfahren nach der RL 2008/9/EG und speziell um die Angabe einer Rechnungsnummer im Vergütungsantrag.

Der BFH fragte den EuGH:

  1. „Ist Art. 8 Abs. 2 Buchst. d der RL 2008/9/EG, demzufolge in dem Erstattungsantrag für jeden Mitgliedstaat der Erstattung und für jede Rechnung u. a. die Nummer der Rechnung anzugeben ist, dahingehend auszulegen, dass auch die Angabe der Referenznummer einer Rechnung genügt, die als zusätzliches Ordnungskriterium neben der Rechnungsnummer auf einem Rechnungsbeleg ausgewiesen ist?
  2. Falls die vorstehende Frage zu verneinen ist: Gilt ein Erstattungsantrag, in dem statt der Rechnungsnummer die Referenznummer einer Rechnung angegeben worden ist, als formell vollständig und i. S. von Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der RL 2008/9/EG als fristwahrend vorgelegt?
  3. Ist bei der Beantwortung der Frage 2 zu berücksichtigen, dass der nicht im Mitgliedstaat der Erstattung ansässige Steuerpflichtige aus Sicht eines verständigen Antragstellers aufgrund der Gestaltung des elektronischen Portals im Ansässigkeitsstaat und des Vordrucks des Erstattungs-Mitgliedstaats annehmen durfte, es genüge für eine ordnungsgemäße, jedenfalls formell vollständige und fristgerechte Antragstellung die Eintragung einer anderen Kennziffer als der Rechnungsnummer, um eine Zuordnung der antragsgegenständlichen Rechnung zu ermöglichen?“

Sachverhalt

Die Klägerin ist eine in Österreich ansässige Kapitalgesellschaft, deren Unternehmensgegenstand die Abwicklung von Speditions- und Frachtaufträgen ist. Sie beantragte im Oktober 2012 die Vergütung von Vorsteuern für den Zeitraum Juli bis September 2012 (Vergütungszeitraum) beim BZSt. Der Vergütungsantrag wurde dem BZSt über das von der Finanzverwaltung in Österreich eingerichtete Portal elektronisch übermittelt. Dem Antrag lagen im Wesentlichen Rechnungen einer Person A über die Lieferung von Kraftstoffen, aus denen die Klägerin den Vorsteuerabzug geltend macht, zugrunde. In der amtlichen Anlage zum Antrag war zu einzelnen Rechnungen unter den laufenden Nummern 1, 7, 12, 18, 19 und 24 in der Spalte "Beleg-Nr" nicht die in der jeweiligen Rechnung aufgeführte Rechnungsnummer, sondern eine weitere, jeweils in der Rechnung ausgewiesene und in der Buchhaltung der Klägerin erfasste Referenznummer ("Zusamf. Ref.") eingetragen. Das BZSt lehnte den Vergütungsantrag insoweit mit der Begründung ab, dass zu den Antragspositionen 1, 7, 12, 18, 19 und 24 in der Anlage zum Antrag entgegen den gesetzlichen Anforderungen nicht die auf den Rechnungen angegebenen Rechnungsnummern eingetragen worden seien.

Den Einspruch dagegen wies das BZSt zurück. Die Klägerin habe zu den streitigen Antragspositionen innerhalb der mit Ablauf des 30.09.2013 endenden Antragsfrist keinen den gesetzlichen Anforderungen entsprechenden Vorsteuervergütungsantrag vorgelegt. Eine Wiedereinsetzung in die Antragsfrist komme nicht in Betracht. Die Klägerin sei bereits mit früheren Bescheiden auf die unzureichende Angabe der Rechnungsnummer bei den von A erteilten Rechnungen hingewiesen worden. Zudem sei die Klägerin darüber informiert worden, dass die Angabe der Rechnungsnummer in der Anlage zum Antrag korrekt sein müsse.

Das FG Köln gab der Klage statt. Die Angabe der in den streitgegenständlichen Rechnungen neben der Rechnungsnummer ausgewiesenen Referenznummer genüge den Anforderungen an eine formwirksame Antragstellung. Jedenfalls führe die fehlerhafte Angabe einer Rechnungsnummer nicht zur Unwirksamkeit des Vorsteuervergütungsantrags, wenn sie - wie bei der von der Klägerin jeweils angegebenen Referenznummer - nicht als "inhaltsleer", mithin als nicht erfolgt angesehen werden könne.

Der BFH neigte in seinem Vorabentscheidungsersuchen dazu, die Vorentscheidung des FG zu bestätigen und die Revision des BZSt als unbegründet zurückzuweisen. Für den BFH war aber z. B. fraglich, ob der Wortlaut "Nummer der Rechnung" in Art. 8 Abs. 2 Buchst. d der RL 2008/9/EG zwingend gleichbedeutend ist mit der nach Art. 226 Nr. 2 MwStSystRL erforderlichen "fortlaufende[n] Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen, die zur Identifizierung der [für Mehrwertsteuerzwecke ausgestellten] Rechnung einmalig vergeben wird". Im nationalen Recht ist dies die "Rechnungsnummer" i. S. v. § 14 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 UStG, worauf das BZSt abstellt. Die von Art. 226 Nr. 2 MwStSystRL abweichende Formulierung "Nummer der Rechnung" ließ für den BFH die Annahme zu, dass für die Wirksamkeit eines Vorsteuervergütungsantrags die Angabe eines auf dem Rechnungsbeleg ausgewiesenen Ordnungskriteriums erforderlich ist, hierfür jedoch auch ein anderes, neben der Rechnungsnummer i. S. d. Art. 226 Nr. 2 MwStzSystRL gleichfalls auf dem Rechnungsbeleg ausgewiesenes Identifikationskriterium genügt.

Auch hielt es der BFH für unionsrechtlich klärungsbedürftig, ob ein Erstattungsantrag, in dem die Referenznummer der Rechnung angegeben worden ist, als formell vollständig und i. S. v. Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der RL 2008/9/EG als fristwahrend vorgelegt gilt. Der Erstattungsantrag gilt nach Art. 15 Abs. 1 Satz 2 der RL 2008/9/EG nur dann als vorgelegt, wenn der Antragsteller alle unter anderem in Art. 8 der RL 2008/9/EG geforderten Angaben macht. Art. 10 der RL 2008/9/EG ist dort nicht genannt. Ein Antrag, der statt der Rechnungsnummer i. S. v. Art. 226 Nr. 2 MwStSystRL eine funktionsgleiche Referenznummer enthält, wäre zwar unrichtig, jedoch nicht unvollständig.

Entscheidung

Der EuGH hat entschieden, dass Art. 8 Abs. 2 Buchst. d und Art. 15 Abs. 1 der RL 2008/9 dahin auszulegen sind, dass dann, wenn ein Vergütungsantrag keine fortlaufende Rechnungsnummer, sondern eine andere Nummer enthält, anhand deren die Rechnung und so der betreffende Eingangsumsatz identifiziert werden können, die Steuerverwaltung des Erstattungsmitgliedstaats diesen Antrag als i. S. v. Art. 15 Abs. 1 der RL 2008/9 „vorgelegt“ betrachten und ihn prüfen muss. Im Rahmen dieser Prüfung kann sie – außer in dem Fall, in dem sie bereits über das Original oder eine Durchschrift der Rechnung verfügt – den Antragsteller auffordern, eine fortlaufende Nummer, die zur Identifizierung der Rechnung einmalig vergeben wird, mitzuteilen, und ist berechtigt, wenn er diesem Ersuchen nicht innerhalb der in Art. 20 Abs. 2 der RL 2008/9 vorgesehenen Frist von einem Monat nachkommt, den Vergütungsantrag abzuweisen.

Praxishinweis

Aus Art. 8 Abs. 2 Buchst. d der RL 2008/9 geht nach Auffassung des EuGH hervor, dass sich der Unionsgesetzgeber durch die Verwendung des Ausdrucks „Rechnungsnummer“ auf eine einzige Nummer unter Ausschluss aller anderen bezogen hat. Da zwischen der MwStSystRL und der RL 2008/9 eine enge Verbindung besteht, kann einem bedeutsamen Begriff des Mehrwertsteuersystems (hier der Rechnungsnummer) nicht je nachdem, ob er in der einen oder der anderen dieser Richtlinien vorkommt, eine andere Bedeutung beigemessen werden. Unter den Angaben, die auf den Rechnungen ausgewiesen sein müssen, sieht Art. 226 Nr. 2 der MwStSystRL „eine fortlaufende Nummer [vor], die zur Identifizierung der Rechnung einmalig vergeben wird“. Die Rechnungsnummer in Art. 8 Abs. 2 Buchst. d der RL 2008/9 verweist demnach auf eine fortlaufende Nummer, die zur Identifizierung der Rechnung einmalig vergeben wird. Allerdings kann nach dem vorliegenden EuGH-Urteil das Fehlen einer solchen Rechnungsnummer in einem Erstattungsantrag nicht unmittelbar zur Ablehnung dieses Antrags führen. Trotz der Bedeutung der Verwendung einer fortlaufenden Nummer für das ordnungsgemäße Funktionieren des Mehrwertsteuersystems bleibt dieses Erfordernis eine formelle Voraussetzung, die unter bestimmten Umständen gemäß den Grundsätzen der Neutralität und der Verhältnismäßigkeit der Anwendung der materiellen Voraussetzungen des Anspruchs auf Erstattung den Vorrang einräumen muss (vgl. EuGH v. 21.11.2018, C-664/16, Vădan).

Dennoch ist nach dem Urteil das BZSt berechtigt, wenn das Original oder die Durchschrift der Rechnung noch nicht vorliegt, den Antragsteller aufzufordern, die fortlaufende Nummer einer Rechnung mitzuteilen, und ist berechtigt, wenn der Unternehmer dieser Aufforderung nicht fristgerecht nachkommt, den Vergütungsantrag abzuweisen.

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