FG Düsseldorf zur Zahlung von Erstattungszinsen für Zollbeträge

Anmerkung zu: Urt. v. 22.07.2020, 4 K 1163/18 Z

Praxisproblem

Sofern Zollbeträge zu Unrecht erhoben worden sind, ist die Erstattung dieser Beträge im Rahmen des seit dem 01.05.2016 geltenden Zollrecht gem. Art. 117 des Unionszollkodex [UZK] (bzw. für den Zeitraum davor gem. Art. 236 des EG-Zollkodex [ZK]) vorgesehen. Problematisch ist aber in diesem Zusammenhang die Frage, ob der Zollschuldner auch Zinsen auf die von ihm geleisteten Zahlungen erhält und ab welchem Zeitpunkt die Zahlung dieser Zinsen erfolgt.

Für das vor dem 01.05.2016 geltende Zollrecht verweist Art. 241 S. 2, Anstrich 2 ZK als Ausnahme zu dem in Art. 241 S. 1 ZK geregelten Grundsatz, dass keine Erstattungszinsen zu zahlen sind, nämlich auf das nationale Recht. Das regelt in § 236 Abs. 1 der Abgabenordnung (AO) für Erstattungsbeträge, dass die Verzinsung erst ab dem Zeitpunkt der Rechtshängigkeit, also ab Erhebung der finanzgerichtlichen Klage (§ 66 der Finanzgerichtsordnung [FGO]), erfolgen soll. Für den Zeitraum davor, also ab Zahlung der Zollbeträge, ist vom Gesetz her eine Erstattung von Zinsen nicht ausdrücklich vorgesehen.

Mit dem Urteil „Wortmann“ (v. 18.01.2017, C-365/15) nahm der EuGH zu der zollrechtlichen Konstellation Stellung, dass die Klägerin des damaligen Verfahrens Antidumpingzölle auf Basis einer Antidumpingverordnung entrichtet hatte, die später für rechtswidrig erklärt wurde. Der EuGH war der Auffassung, dass die Regelung des Art. 241 S. 1 ZK in der gegebenen Fallkonstellation nicht anwendbar sei. Im Fall der Erstattung einer von einem EU-Mitgliedstaat rechtswidrig erhobenen Abgabe darf dem Abgabenpflichtigen nämlich eine angemessene Entschädigung für die Einbußen, die er durch die zu Unrecht gezahlte Abgabe erlitten hat, nicht vorenthalten werden. Von einer solchen Vorenthaltung ist dann schon auszugehen, wenn die einzelstaatliche Zinsregelung eine Berechnung nicht schon ab dem Tag der zu Unrecht erfolgten Zahlung vorsieht.

Infolge der „Wortmann“-Entscheidung vertrat die deutsche Zollverwaltung in weiteren Verfahren die Auffassung, dass eine Übertragbarkeit der „Wortmann“-Kriterien auf andere Konstellationen nicht möglich sei. Um die Übertragbarkeit der „Wortmann“-Entscheidung auf eine andere Konstellation, hier die Zollabfertigung auf Basis von später als rechtswidrig erkannten verbindlichen Zolltarifauskünften ging es im Urteil des FG Düsseldorf.

Sachverhalt

Die Klägerin hatte im Jahr 2013 LCD-Monitore und Rückfahrvideosysteme in die EU eingeführt und zwei verbindliche Zolltarifauskünfte erwirkt, die die Waren der Codenummer 8528 5940 90 0 zuwiesen. Gegen die verbindlichen Zolltarifauskünfte legte die Klägerin Einsprüche ein. Gleichwohl berücksichtigte sie die Codenummer 8528 5940 90 0 im Jahr 2013 bei der Überführung diverser Waren in den zollrechtlich freien Verkehr der Union. Aufgrund einer im Oktober 2013 veröffentlichten Einreihungsverordnung wurde der Klägerin im November 2013 mitgeteilt, dass sich die verbindlichen Zolltarifauskünfte erledigt hätten. Im Februar 2014 beantragte sie daraufhin die Erstattung von Einfuhrabgaben mit der Begründung, dass die Monitore unter die Codenummer 8528 5940 einzureihen seien. Die Erstattung wurde im November 2016 gewährt.

Sodann beantragte die Klägerin im Jahr 2017 die Festsetzung von Erstattungszinsen. Das zuständige Hauptzollamt lehnte den Antrag im Wesentlichen mit der Begründung ab, dass die Klägerin nicht gezwungen gewesen sei, die Waren unter der unzutreffenden Codenummer anzumelden, da sie Einsprüche gegen die verbindlichen Zolltarifauskünfte eingelegt habe. Zudem sehe Art. 71 Abs. 2 ZK ausdrücklich vor, dass die in der Zollanmeldung enthaltenen Angaben der Abgabenfestsetzung zugrunde zu legen seien, wenn keine Prüfung stattgefunden habe.

Im Anschluss an das erfolglose Einspruchsverfahren wandte sich die Klägerin an das FG Düsseldorf.

Entscheidung

Das FG Düsseldorf sah den Erstattungszinsanspruch der Klägerin als gegeben an, da das beklagte Hauptzollamt Zollabgaben unter Verstoß gegen das Unionsrecht erhoben hatte.

Einen Verstoß gegen Unionsrecht sah das FG Düsseldorf darin, dass die Waren zunächst unzutreffend eingereiht worden waren. Der darin liegende Verstoß gegen Art. 20 Abs. 1 ZK lasse sich nicht unter Hinweis auf die Vorschrift des Art. 71 Abs. 2 UZK negieren. Aus Art. 71 Abs. 2 ZK könne nicht gefolgert werden, dass die Festsetzung der Einfuhrabgaben nicht unter Verstoß gegen das Unionsrecht erfolgt sei, da die Festsetzung der Einfuhrabgaben auch beim Vorgehen gem. Art. 71 Abs. 2 ZK materiell rechtswidrig bleibe.

Auch Art. 241 S. 1 ZK stehe der Pflicht zur Zahlung von Erstattungszinsen nicht entgegen. Der gemäß dieser Vorschrift vorgesehene Ausschluss der Verzinsung betreffe unter Berücksichtigung der Wertungen aus der EuGH-Rechtssache „Wortmann“ Fehler, die möglicherweise wegen des auf rascher Abwicklung basierenden Abfertigungssystems auftreten und später zum Vor- oder Nachteil des Abgabenpflichtigen beseitigt werden.

Betrachtete man die Anmeldungen und die spätere Erstattung isoliert, also ohne Berücksichtigung der verbindlichen Zolltarifauskünfte, so wären die Voraussetzungen des Art. 241 S. 1 ZK erfüllt. Es handele sich insofern gerade um den Normalfall, dass die Angaben in der Zollanmeldung zunächst nicht weiter geprüft und erst später korrigiert worden seien. Streitentscheidend sei allerdings, dass im konkreten Fall zuvor verbindliche Zolltarifauskünfte erteilt worden seien. Anders als im Normalfall hatten die Zollbehörden die Waren im Zuge der Auskunftsverfahren eingehend geprüft und ihnen war ein materiell-rechtlicher Fehler bei der Einreihung unterlaufen. Entscheidend für die Frage der Verzinsungspflicht sei demnach der Fehler der Zollbehörden bei der Einreihung im Rahmen der Auskunftsverfahren. Nicht streitentscheidend sei hingegen, dass die Klägerin selbst rechtlich nicht an die verbindlichen Zolltarifauskünfte gebunden war und sie somit die Waren rein hypothetisch auch unter der zutreffenden Codenummer hätte anmelden können.

Praxishinweis

Unternehmen, denen Einfuhrabgaben außerhalb von Klageverfahren erstattet wurden, sollten aufgrund der EuGH-Entscheidung „Wortmann“ und auf Basis des dazu nun ergangenen Urteils des FG Düsseldorf prüfen, ob nicht vorsorglich entsprechende Zinsanträge gestellt werden sollten.

Zu beachten ist, dass die aktuelle Entscheidung des FG Düsseldorf noch zum „alten“ Zollrecht des EG-Zollkodex ergangen ist. Nach unserer Auffassung sind die Wertungen der Entscheidung des FG Düsseldorf durchaus auf die UZK-Rechtslage übertragbar. Zu beachten ist allerdings, dass die Zollverwaltung sich bisher in Bezug auf die Anerkennung des solchen Verzinsungsanspruchs sperrt. Wer also einen Antrag auf Zahlung von Erstattungszinsen stellt, muss sich darauf einstellen, ein längeres Einspruchsverfahren und ggfs. auch ein Klageverfahren führen zu müssen.

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