Zu den Kriterien zur Bestimmung der warenbewegten Lieferung in einem Ausfuhrreihengeschäft (Rechtslage bis 31.12.2019)

Anmerkung zu: BFH-Urt. v. 11.03.2020 (zur Rechtslage bis 31.12.2019)

Praxisproblem

Schließen mehrere Unternehmer über denselben Gegenstand Umsatzgeschäfte ab und gelangt dieser Gegenstand bei der Beförderung oder Versendung unmittelbar vom ersten Unternehmer an den letzten Abnehmer, ist nach § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG (i.d.F. bis 31.12.2019) die Beförderung oder Versendung des Gegenstands nur einer der Lieferungen zuzuordnen. Ein solches Reihengeschäft ist nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung auch bei Ausfuhrlieferungen möglich (vgl. BFH v. 15.03.1994, XI R 83/92, BStBl II 1994, 956). Insoweit gilt ab 01.01.2020 § 3 Abs. 6a Satz 6 UStG in der Fassung des Gesetzes zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften v. 12.12.2019, BGBl I 2019, 2451.

Sachverhalt

In der Sache XI R 18/18 hatte der BFH ebenfalls über ein Ausfuhrreihengeschäft zu entscheiden. Die Klägerin (A) war im Streitjahr 2012 von einer in Großbritannien ansässigen Gesellschaft B mit der Lieferung von Maschinenteilen beauftragt worden. B war zuvor von einer US-Gesellschaft C mit der Lieferung beauftragt worden. Deren Bestellung erfolgte wiederum für eine Firma D in Peru. Die Lieferung der Ware bzw. der Transport sollte unmittelbar von Deutschland nach Peru erfolgen. Der Kaufpreis wurde von B vollständig in 2012 an die Klägerin gezahlt. Die Maschinenteile wurden durch eine Spedition im März 2013 von Deutschland auf dem Seeweg nach Peru transportiert und die Transportkosten wurden von C getragen, die die Spedition mit dem Transport nach Peru beauftragt hatte. Die Klägerin erklärte die Lieferung an B in ihrer USt-Erklärung für 2012 als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Das FA war der Auffassung, dass die Versendung der Ware (Warenbewegung) nur der Lieferung von B an C oder von C an D zugeordnet werden könne, weil C die Waren versendet hätte.

Entscheidung

Der BFH hat die Auffassung des FG bestätigt, dass die Lieferung von Ersatzteilen durch die Klägerin im Rahmen eines grenzüberschreitenden Reihengeschäfts stpfl. war. Ein Reihengeschäft i. S. v. § 3 Abs. 6 Satz 5 UStG (i.d.F. bis 31.12.2019) ist auch bei Ausfuhrlieferungen möglich. Für die innergemeinschaftliche Lieferung war bereits entschieden, dass es sich bei der Verschaffung der Verfügungsmacht (§ 3 Abs. 1 UStG) und der Beförderung bzw. Versendung in den anderen Mitgliedstaat (§ 3 Abs. 6 UStG i.d.F. bis 31.12.2019) um zwei verschiedene Tatbestandsmerkmale handelt, die getrennt voneinander zu prüfen sind (vgl. BFH v. 25.02.2015, XI R 15/14). Für die Ausfuhrlieferung gilt nichts anderes. Hinsichtl. des Tatbestandsmerkmals der Verschaffung der Verfügungsmacht hat der BFH bestätigt, dass die Klägerin bereits in 2012 eine Lieferung an B bewirkt hatte. Da B den Kaufpreis noch in 2012 vollständig bezahlt habe, habe die Klägerin das Eigentum an der Ware bzw. deren wirtschaftliche Substanz, Wert und Ertrag, bereits vor der im März 2013 erfolgten Verschiffung der Gegenstände nach Peru auf B übertragen. Diese Lieferung war keine steuerfreie Ausfuhrlieferung, weil die Versendung der Ware nicht der Klägerin oder B zuzuordnen war, sondern C, nachdem C bereits im Inland Verfügungsmacht durch B verschafft worden war.

Praxishinweis

Die Entscheidung ist zur Reihengeschäftsregelung nach dem alten, bis 31.12.2019 geltenden Recht, ergangen. Auch in einem Reihengeschäft kann eine umsatzsteuerfreie Ausfuhrlieferung nur hinsichtl. derjenigen Lieferung vorliegen, der der Warentransport in das Drittland zuzuordnen ist. Dabei ist (insoweit wiederholt der BFH seine bisherige Rechtsprechung) eine Gesamtwürdigung aller objektiven Umstände vorzunehmen. Die eigentümergleiche Verfügungsmacht erfordert, dass dem Erwerber die wirtschaftliche Substanz, Wert und Ertrag an dem betreffenden Gegenstand übertragen wird. Daraus folgt regelmäßig, dass dem (ggf. Zweit-)Erwerber in der Reihe Verfügungsmacht verschafft wird, wenn er den Gegenstand beim Erstlieferer abholt. Der Verwaltungsregelung in Abschn. 3.14 Abs. 7 UStAE zur Bestimmung der warenbewegten Lieferung folgt der BFH (wie in früheren Entscheidungen) nicht. Vielmehr ist im Rahmen einer Gesamtwürdigung aller Umstände des Einzelfalls maßgeblich, ob die Zweitlieferung vor der Beförderung oder Versendung stattgefunden hat.

Ab 01.01.2020 sind das Reihengeschäft bzw. die Kriterien zur Findung der warenbewegten Lieferung in § 3 Abs. 6a UStG geregelt. Danach kommt es für die Zuordnung der Warenbewegung in einem Ausfuhrreihengeschäft, wenn ein Mittlerer in der Reihe den Warentransport übernimmt, nur noch auf die Verwendung der USt-IdNr. an. Die Beförderung oder Versendung ist der Lieferung des Zwischenhändlers zuzuordnen, wenn der Zwischenhändler gegenüber dem an ihn leistenden Unternehmer bis zum Beginn der Beförderung oder Versendung eine USt-IdNr. oder Steuernummer verwendet, die ihm vom Mitgliedstaat des Beginns der Beförderung oder Versendung erteilt wurde. Insoweit sollte es (anders als nach der bisherigen BFH-Rechtsprechung) auf den Zeitpunkt der Verschaffung der Verfügungsmacht an einen Zwischenerwerber nicht mehr ankommen können.

Für Sachverhalte vor dem 31.12.2019 gibt es vielfach Streitigkeiten über die richtige Zuordnung der Warenbewegung im Reihengeschäft. Die aktuelle BFH-Entscheidung ist da nur ein kleiner „Mosaikstein“ in der Gesamtbetrachtung. Dennoch ist auch diese Entscheidung wichtig.

Unternehmen sollten in Streitfällen die Entscheidungen des BFH und EuGH umfangreich prüfen.

Für die laufenden Geschäftsbeziehungen ist es absolut wesentlich, die Neuerungen durch die sog. Quick Fixes Reform (seit 01.01.2020) korrekt in die Prozesse und Abwicklung von Reihengeschäften mit grenzüberschreitenden Lieferwegen umzusetzen.

Das USt-Team der AWB hilft Ihnen sowohl in der Begleitung von Außenprüfungen und Rechtsbehelfen als auch in finanzgerichtlichen Klageverfahren gern weiter. Des Weiteren bieten wir den Quick Fixes Workshop an, um Ihnen einen Überblick über die Neuerungen sowie die Anpassungsnotwendigkeiten der seit 01.01.2020 geltenden Regelungen darzustellen und gemeinsam zu prüfen.

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