Zur Bemessungsgrundlage für die verbilligte Lieferung von Strom und Gas an Arbeitnehmer

Anmerkung zu: LfSt Niedersachsen v. 07.07.2020, S 7208-25-St 182

Praxisproblem

Wendet der Unternehmer (Arbeitgeber) seinem Personal (Arbeitnehmern) als Vergütung für geleistete Dienste neben dem Barlohn auch einen Sachlohn zu, bewirkt der Unternehmer mit dieser Sachzuwendung eine entgeltliche Leistung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG, für die der Arbeitnehmer einen Teil seiner Arbeitsleistung als Gegenleistung aufwendet (Abschn. 1.8 Abs. 1 UStAE). Bei der Ermittlung der Bemessungsgrundlage für die entgeltlichen Lieferungen und sonstigen Leistungen an Arbeitnehmer ist die Vorschrift über die Mindestbemessungsgrundlage in § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG zu beachten (Abschn. 1.8 Abs. 6 Satz 1 UStAE). Danach ist als Bemessungsgrundlage mindestens der in § 10 Abs. 4 UStG bezeichnete Wert (Einkaufspreis, Selbstkosten, Ausgaben) abzüglich der USt anzusetzen, wenn dieser den vom Arbeitnehmer tatsächlich aufgewendeten (gezahlten) Betrag abzüglich der USt übersteigt (Abschn. 1.8 Abs. 6 Satz 2 UStAE). Beruht die Verbilligung auf einem Belegschaftsrabatt, z. B. bei der Lieferung von sog. Jahreswagen an Werksangehörige in der Automobilindustrie, liegen die Voraussetzungen für die Anwendung der Vorschrift des § 10 Abs. 5 Nr. 2 UStG regelmäßig nicht vor; Bemessungsgrundlage ist dann der tatsächlich aufgewendete Betrag abzüglich USt (Abschn. 1.8 Abs. 6 Satz 4 UStAE).

Aufgrund von Betriebsvereinbarungen erhalten die Arbeitnehmer von Energieversorgern für Energielieferungen regelmäßig Vergünstigungen für den Bezug von Strom (gestaffelt nach Verbrauch) sowie für den Bezug von Gas. Fraglich in diesen Fällen ist, ob gem. Abschn. 1.8 Abs. 6 Satz 4 UStAE von einem Ansatz der Mindestbemessungsgrundlage abgesehen werden kann. Falls die Mindestbemessungsgrundlage zum Ansatz kommt, stellt sich die weitere Frage, ob die Stromsteuer ggf. nicht in die Mindestbemessungsgrundlage einzubeziehen ist, weil der Stromeinkauf des Energieversorgers zum Weiterverkauf ohne Stromsteuer erfolgt und die Stromsteuer erst mit der Stromlieferung an die jeweiligen Endverbraucher fällig wird.

Entscheidung

Nach der Verfügung der OFD Niedersachsen v. 07.07.2020, die offensichtlich auf eine zwischen Bund und Ländern abgestimmte Verwaltungsauffassung zurückgeht, gilt Folgendes:

Erhalten Arbeitnehmer von Energieversorgern für Energielieferungen aufgrund von Betriebsvereinbarungen eine Vergünstigung für den Bezug von Strom und/oder Gas, liegen die Voraussetzungen für die Anwendung der Mindestbemessungsgrundlage gem. § 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 UStG vor. Abschn. 1.8 Abs. 6 Satz 4 UStAE gilt nicht für die verbilligte Leistung von Strom und Gas der Energieversorger an ihre Arbeitnehmer. Für die verbilligte Lieferung von Strom und Gas ist als Bemessungsgrundlage mindestens der nach § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG ermittelte Wert anzusetzen. Dieser entspricht dem Wiederbeschaffungspreis im Zeitpunkt der Entnahme auf der Handelsstufe des Unternehmers. In die Bemessungsgrundlage sind auch die Verbrauchsteuern (z. B. Stromsteuer, Energiesteuer) und die Konzessionsabgabe einzubeziehen.

Praxishinweis

Eine Leistung, die ein Unternehmer an sein Personal aufgrund des Dienstverhältnisses i. S. v. § 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 UStG ausführt, liegt vor, wenn die Leistung des Arbeitgebers zwar aus betrieblichem Anlass erfolgt ist, diese jedoch den privaten Bedarf der Arbeitnehmer befriedigt. Die Mindestbemessungsgrundlage findet dann Anwendung, wenn die Bemessungsgrundlage nach § 10 Abs. 4 UStG das Entgelt nach § 10 Abs. 1 UStG übersteigt.

Die Nutzung der Energie dürfte ohne Zweifel dem privaten Bedarf der Arbeitnehmer dienen, betriebliche Erfordernisse des Unternehmens sind regelmäßig nicht betroffen. Die in Abschn. 1.8 Abs. 6 Satz 4 UStAE angesprochenen Belegschaftsrabatte für Jahreswagen haben neben der privaten Komponente auch eine marktstrategische Bedeutung für das Unternehmen (Absatzflaute, Nachfragestau bei bestimmten Modellen, Erreichen neuer Käuferschichten, etc.). Diese Belange dürften bei der verbilligten Lieferung von Strom und Gas an die Arbeitnehmer nicht vorliegen, so dass hier zutreffend der Ansatz der Mindestbemessungsgrundlage dem Grunde nach zu erfolgen hat.

Bei der verbilligten Lieferung von Energie an die Arbeitnehmer von Versorgungsbetrieben ist zu prüfen, ob über die gezahlten Entgelte hinaus die nach § 10 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 UStG i. V. m. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG maßgeblichen Einkaufspreise zzgl. der Nebenkosten für diese Gegenstände oder in Ermangelung von Einkaufpreisen die Selbstkosten anzusetzen sind. Als Bemessungsgrundlage ist mindestens der in § 10 Abs. 4 UStG ermittelte Wert anzusetzen, wenn dieser das vom Arbeitnehmer tatsächlich aufgewendete Entgelt übersteigt (Abschn. 1.8 Abs. 6 Satz 2 UStAE). Aufgrund der Rabattgewährung übersteigt das marktübliche Entgelt regelmäßig das Entgelt des Arbeitnehmers (Abschn. 1.8 Abs. 6 Satz. 3 UStAE). Die zu ermittelnde Bemessungsgrundlage ist auf das marktübliche Entgelt zu deckeln.

Bei im eigenen Unternehmen hergestellten Gegenständen ist grds. der fiktive Einkaufspreis maßgebend (Abschn. 10.6 Abs. 1 Satz 3 UStAE). Dieser entspricht dem auf der Handelsstufe des Unternehmers ermittelbaren Wiederbeschaffungspreis im Zeitpunkt der Entnahme (Abschn. 10.6 Abs. 1 Satz 2 UStAE).

Die Bemessungsgrundlage gem. § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG für Lieferungen stellt nicht auf die Berechtigung des Vorsteuerabzugs hinsichtl. der bezogenen Eingangsleistungen ab. Demnach werden in die Bemessungsgrundlage des § 10 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 UStG auch Bestandteile einbezogen, deren Bezug den Unternehmer nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt haben.

Gem. § 10 Abs. 5 UStG wird die Mindestbemessungsgrundlage unter Hinweis auf § 10 Abs. 4 UStG wie die Bemessungsgrundlage einer unentgeltlichen Wertabgabe i. S. v. § 3 Abs. 1b UStG ermittelt.

Grds. soll der Unternehmer im Falle des § 3 Abs. 1b UStG mit der USt belastet werden, die im Zeitpunkt des Verbrauchs tatsächlich auf einem derartigen Gegenstand anhand der aktuellen Marktsituation lastet (vgl. BFH v. 12.12.2012, XI R 3/10). Danach ermittelt sich der Einkaufspreis wie der eines sich fremd versorgenden Käufers – allerdings auf der Handelsstufe des Unternehmens. Ein sich selbst versorgender Unternehmer wäre auch zur Übernahme der Energiesteuer, der Stromsteuer, der Konzessionsabgabe und weiterer Preisbestandteile verpflichtet. Somit sind (wie nunmehr von der Verwaltung geregelt) auch diese Bestandteile in die Bemessungsgrundlage für die verbilligte Lieferung von Strom und Gas an die Arbeitnehmer einzubeziehen.

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