Zur Identität zwischen leistendem Unternehmer und Rechnungsaussteller

Anmerkung zu: BMF-Schr. v. 13.07.2020

Praxisproblem

Der BFH hatte in seinen Urteilen v. 13.06.2018, XI R 20/14, BStBl II 2018, 800, und v. 21.06.2018, V R 25/15, BStBl II 2018,  809 sowie V R 28/16, BStBl II 2018, 806, mit geänderter Rechtsprechung entschieden, dass eine zum Vorsteuerabzug berechtigende Rechnung nicht voraussetzt, dass die wirtschaftliche Tätigkeit des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt wird, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist. Vielmehr reicht jede Art von Anschrift, einschließlich einer Briefkastenanschrift aus, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist. Diese Änderung der Rechtsprechung beruhte auf dem EuGH-Urteil v. 15.11.2017, C-374/16 und C-375/16, Geissel und Butin.

Sachverhalt

Mit zwei weiteren Urteilen hat der BFH seine Rechtsprechung präzisiert bzw. erweitert. Nach dem Urteil v. 05.12.2018, XI R 22/14, ist für die Prüfung des Rechnungsmerkmals „vollständige Anschrift“ der Zeitpunkt der Rechnungsausstellung maßgeblich. Die Feststellungslast für die postalische Erreichbarkeit zu diesem Zeitpunkt trifft den den Vorsteuerabzug begehrenden Leistungsempfänger. Nach dem Urteil v. 14.02.2019, V R 47/16, ist für die Berechtigung zum Vorsteuerabzug eine Identität von Rechnungsaussteller und leistendem Unternehmer erforderlich, was der Rechtsprechung des EuGH entspricht, der zufolge die Angabe der Anschrift, des Namens und der MwSt-IdNr. des Rechnungsausstellers es ermöglichen soll, eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und dem Rechnungsaussteller herzustellen. Dies ist die Voraussetzung dafür, dass die Steuerverwaltungen die Entrichtung der geschuldeten Steuer und das Bestehen des Vorsteuerabzugsrechts kontrollieren können.

Entscheidung

Die Verwaltung hat mit BMF-Schreiben v. 13.07.2020 die Grundsätze dieser ergänzenden Rechtsprechung in den UStAE aufgenommen. Nach der bisherigen Regelung in Abschn. 14.5 Abs. UStAE reicht jede Art von Anschrift in der Rechnung aus, sofern der leistende Unternehmer bzw. der Leistungsempfänger unter dieser Anschrift erreichbar ist. Dabei ist es unerheblich, ob die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist. Diese Grundsätze sind nunmehr dahingehend ergänzt worden, dass maßgeblich für eine Erreichbarkeit (unter der Anschrift) der Zeitpunkt der Rechnungsausstellung ist. D. h. die Erreichbarkeit muss im Zeitpunkt der Rechnungsausstellung (nicht später) bestehen.

Nach der bisherigen Regelung in Abschn. 15.2a Abs. 2 Satz 2 UStAE ist ein Vorsteuerabzug nicht zulässig, wenn ein anderer im Namen des Leistenden oder des Leistungsempfängers eine Rechnung mit gesondertem Steuerausweis erteilt, ohne vom Leistenden oder vom Leistungsempfänger dazu beauftragt zu sein. Dieser Grundsatz wurde nunmehr dahingehend ergänzt, dass der Rechnungsaussteller (Gutschriftsempfänger) mit dem leistenden Unternehmer grds. identisch sein muss, um eine Verbindung zwischen einer bestimmten wirtschaftlichen Transaktion und dem Rechnungsaussteller (Gutschriftsempfänger) herzustellen.

Nach der bisherigen Regelung in Abschn. 15.2a Abs. 2 Satz 4 UStAE ist der Vorsteuerabzug nur möglich, wenn die Rechnung die Angabe des vollständigen Namens und der vollständigen Anschrift des leistenden Unternehmers enthält, wobei es nicht erforderlich ist, dass die wirtschaftlichen Tätigkeiten des leistenden Unternehmers unter der Anschrift ausgeübt werden, die in der von ihm ausgestellten Rechnung angegeben ist; es reicht vielmehr jede Art von Anschrift und damit auch eine Briefkastenanschrift, sofern der Unternehmer unter dieser Anschrift erreichbar ist. Dieser Grundsatz wurde nunmehr dahingehend ergänzt, dass maßgeblich für eine Erreichbarkeit der Zeitpunkt der Rechnungsausstellung ist. Die Feststellungslast für die postalische Erreichbarkeit zu diesem Zeitpunkt trifft den den Vorsteuerabzug begehrenden Leistungsempfänger.

Praxishinweis

In dem Sachverhalt der BFH-Entscheidung XI R 22/14 hatte das FA Vorsteuern aus den Rechnungen zweier Rechnungsaussteller wegen falscher Rechnungsangaben bzw. fehlender Unternehmereigenschaft nicht zum Abzug zugelassen. Es ist zu vermuten, dass die Rech­nungsaussteller unter den angegebenen Adressen nicht zu erreichen waren (vgl. Rn. 19), wobei der BFH die Sache zur Klärung des Sachverhalts an das FG zurückverwiesen hat. Er hat dabei unter Bezugnahme auf seine geänderte Rechtsprechung nochmals ausgeführt, dass eine (nur) postalische Erreichbarkeit ausreichend für das Vorliegen des Merkmals „vollständige Anschrift“ nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG ist. Der BFH hat allerdings einschränkend klargestellt, dass es für die Beurteilung einer postalischen Erreichbarkeit auf den Zeitpunkt der Rechnungsausstellung ankommt und dass den Rechnungsverwender die Feststellungslast hierfür trifft.

In dem Sachverhalt des BFH-Urteils V R 47/16 hat der Kläger Ware bei einer Firma (A-AG) bestellt und abgeholt. Er verbuchte zu diesen Käufen jedoch Rechnungen von zwei anderen Firmen (T-GmbH und F-GmbH & Co. KG) und machte aus diesen Rechnungen einen Vorsteuerabzug geltend. Diese Rechnungsaussteller waren offenbar Teil einer Umsatz­steuerbetrugskette (vgl. Rn. 4). Die Anschrift der Gesellschaften war an einen Büroservice verlegt worden; im vorliegenden Fall handelte es sich dabei um Briefkastengesellschaften. Der BFH hat die Entscheidung des FG bestätigt, dass die Rechnungsaussteller die fraglichen Lieferungen nicht ausgeführt haben. Er führt ergänzend aus, dass die Rechnungsangaben es der Steuerverwaltung ermöglichen sollen, die Entrichtung der geschuldeten Steuer und das Bestehen des Vorsteuerabzugsrechts zu kontrollieren und dass dies eine Identität zwischen leistendem Unternehmer und Rechnungsaussteller voraussetzt. Da dies in dem entschiedenen Sachverhalt nicht der Fall gewesen ist, war der begehrte Vorsteuerabzug nicht möglich.

Diese Aussage zur notwendigen Identität von Leistungserbringer und Rechnungsaussteller ist zwar nicht neu, war jedoch in dieser Deutlichkeit noch nicht im UStAE enthalten.

Die ergänzenden BFH-Entscheidungen haben insbes. Bedeutung für die steuerliche Würdigung der Vorsteuern aus Rechnungen von Briefkastengesellschaften. Sie schränken die Möglichkeit ein, Vorsteuern aus Rechnungen von Briefkastengesellschaften geltend zu machen.

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