Vorsteuerabzug, Umfang des Vorsteuerabzugs, Aufwendungen, die auch Dritten zugutekommen, Veräußerung von Gebäuden auf fremdem Grund und Boden, Gebäudeverkauf durch Bauträger, Verkauf des Grund und Bodens durch Eigentümer

Anmerkung zu: EuGH-Urt. v. 01.10.2020, C-405/19, Vos Aannemingen BVBA

Praxisproblem

Bei dem belgischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um das Recht auf Vorsteuerabzug aus Werbungs- und Verwaltungskosten und Maklergebühren bzw. die Aufteilung der Vorsteuer in Fällen, in denen ein Dritter einen Vorteil aus den bezogenen Leistungen erhält.

Sachverhalt

Die Tätigkeit der Klägerin besteht in der Errichtung und dem Verkauf von Mehrfamilienhäusern. Sie baut Wohnungen auf Grundstücken, die Dritten gehören, und bietet dann die Wohnungen zum Kauf an. In diesem Zusammenhang entstehen ihr Werbe- und Verwaltungskosten und sie zahlt Gebühren an Makler. In der Urkunde über den Verkauf einer Wohnung tritt die Klägerin als Verkäuferin des Gebäudes auf, während der Grundeigentümer als Verkäufer des Grundstücks auftritt.

Die Klägerin hatte aus den Werbe- und Verwaltungskosten sowie den Maklergebühren den vollen Vorsteuerabzug geltend gemacht. Nach einer Prüfung vertrat die belgische Finanzverwaltung für den Zeitraum vom 01.01.1999 bis zum 30.09.2001 die Auffassung, dass die Vorsteuer nur abziehbar sei, soweit sie sich auf den Verkauf der Gebäude beziehe, nicht aber, soweit sie sich auf den Verkauf der Grundstücke beziehe. Ein Abzugsrecht bestehe nur in Höhe eines Prozentsatzes, der durch einen Bruch bestimmt werde, dessen Zähler der Preis des Gebäudes und dessen Nenner der Preis des Gebäudes plus der Preis des Grundstücks sei.

Entscheidung

Der EuGH hat (im Wesentlichen sein Urt. v. 18.07.2013, C 124/12, AES 3C Maritza East 1, bestätigend) entschieden, dass der Umstand, dass Ausgaben, die ein Bauträger im Zuge des Verkaufs von Wohnungen in Form von Werbe- und Verwaltungskosten sowie Maklergebühren getätigt hat, auch einem Dritten zugutekommen, dem nicht entgegensteht, dass der Unternehmer die für diese Ausgaben entrichtete MwSt in vollem Umfang als Vorsteuer abziehen kann, wenn zum einen zwischen den Ausgaben und der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang besteht und zum anderen der Vorteil für den Dritten gegenüber dem Bedarf des Unternehmens des Steuerpflichtigen nebensächlich ist. Wird, wie im Ausgangsfall, festgestellt, dass Ausgaben, die Werbe- und Verwaltungskosten sowie Maklergebühren entsprechen, im Interesse des Unternehmers getätigt wurden, lässt sich der Vorteil, der durch diese Ausgaben auch Dritten entstanden ist, als nebensächlich einstufen.

Weiterhin hat der EuGH geurteilt, dass der Umstand, dass die vom Unternehmer getätigten Ausgaben auch einem Dritten zugutekommen, dem nicht entgegensteht, dass der Unternehmer die für diese Ausgaben entrichtete MwSt in dem Fall, dass die Ausgaben nicht zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören, sondern Kosten sind, die ganz bestimmten Ausgangsumsätzen zuzurechnen sind, in vollem Umfang als Vorsteuer abziehen kann, sofern diese Kosten in einem direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit seinen besteuerten Umsätzen stehen.

Schließlich hat der EuGH entschieden, dass der Umstand, dass ein Teil der Ausgaben des Unternehmers nicht für die Zwecke seiner eigenen besteuerten Umsätze, sondern für die Zwecke der Umsätze eines Dritten getätigt wurde, geeignet wäre, den direkten und unmittelbaren Zusammenhang, der zwischen dem Erwerb der Eingangsleistungen und dem Ausgangsumsatz bestehen muss, zu unterbrechen, was dazu führen würde, dass der Unternehmer die darauf entfallende MwSt nicht in vollem Umfang in Abzug bringen kann.

Praxishinweis

Das deutsche Recht ist von dem Urteil betroffen, weil es um grundlegende Prinzipien des Vorsteuerabzugs ging. Dennoch ergeben sich aus der Entscheidung keine neuen Grundsätze bzgl. des Vorsteuerabzugsrechts. Der EuGH hat seine bisherige Rechtsprechung bestätigt, dass der Vorsteuerabzug auch möglich ist, wenn Ausgaben einem Dritten zugutekommen und zugleich feststeht, dass zwischen den Ausgaben und der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang besteht und der Vorteil für den Dritten gegenüber dem Bedarf des Unternehmens des Steuerpflichtigen nebensächlich ist. Das gilt auch, wenn es nicht um Gemeinkosten geht, sondern um solche Kosten, die ganz bestimmten Ausgangsumsätzen zugeordnet werden können.

Der UStAE enthält bislang keine Ausführungen zu Fällen wie denen des Ausgangsverfahrens bzw. allgemein zu Fällen, in denen die Leistung für das Unternehmen bezogen wird, jedoch auch Dritte von den angefallenen Aufwendungen profitieren. Abschn. 15.2b Abs. 3 UStAE regelt insofern lediglich, dass eine Personengesellschaft die ihr in Rechnung gestellte USt für von ihr bezogene Dienstleistungen, die der Erfüllung einkommensteuerrechtlicher Verpflichtungen ihrer Gesellschafter dienen, nicht als Vorsteuer abziehen kann. Dient ein Insolvenzverfahren sowohl der Befriedigung von Verbindlichkeiten des – zum Vorsteuerabzug berechtigten – Unternehmers wie auch der Befriedigung von Privatverbindlichkeiten des Unternehmers, ist der Unternehmer aus der Leistung des Insolvenzverwalters grds. im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die im Insolvenzverfahren jeweils als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.

Nach ständiger Rechtsprechung des EuGH muss grds. ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, die das Recht auf Vorsteuerabzug eröffnen, bestehen, damit der Steuerpflichtige zum Vorsteuerabzug berechtigt ist und der Umfang dieses Rechts bestimmt werden kann. Das Recht auf Abzug der für den Erwerb von Gegenständen oder Dienstleistungen entrichteten MwSt ist nur gegeben, wenn die hierfür getätigten Ausgaben zu den Kostenelementen der versteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören (vgl. z. B. EuGH-Urt. v. 29.10.2009, C-29/08, SKF, Rn. 57).

Ein Recht auf Vorsteuerabzug wird jedoch zugunsten des Steuerpflichtigen auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen dann angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und – als solche – Kostenelemente der von ihm gelieferten Gegenstände oder erbrachten Dienstleistungen sind. Derartige Kosten hängen nämlich direkt und unmittelbar mit der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit des Steuerpflichtigen zusammen (vgl. z. B. EuGH-Urt. v. 29.10.2009, C-29/08, SKF, Rn. 58).

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