Anforderungen an den Nachweis der Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen ab 01.01.2020 – BMF-Schreiben zur Quick Fixes-Änderung

Anmerkung zu: BMF-Schr. v. 09.10.2020

Praxisproblem

Mit dem Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (Gesetz v. 12.12.2019, BGBl. I 2019, 2451; BStBl I 2020, 17) wurden die materiell-rechtlichen Voraussetzungen für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung in § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG ergänzt und insoweit auch die Voraussetzungen der Steuerfreiheit gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG verschärft. Außerdem wurden in der UStDV die bisherigen Regelungen für den Belegnachweis für die Steuerfreiheit einer innergemeinschaftlichen Lieferung um eine sog. Gelangensvermutung (§ 17a UStDV) ergänzt.

Die Neuregelungen bedeuten in der Praxis eine erhebliche Verschärfung für die Unternehmen, da bislang rein verfahrensrechtliche Pflichten materiell-rechtliche Voraussetzung der Steuerfreiheit wurden. Insbes. die neue Funktion der USt-IdNr. kann in der Praxis Fragen zur Anwendbarkeit der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung aufwerfen.

Sachverhalt

Das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung wurde zum einen an die weitere Voraussetzung geknüpft, dass der Abnehmer der innergemeinschaftlichen Lieferung, soweit er ein Unternehmer ist oder eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, in einem anderen Mitgliedstaat (als dem Mitgliedstaat, in dem die innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt wird), für Zwecke der USt erfasst ist (§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a und b UStG). Das bedeutet, der Erwerber (soweit er nicht eine Privatperson ist, die ein neues Fahrzeug erwirbt) muss im Zeitpunkt der an ihn bewirkten Lieferung eine ihm von dem anderen Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr. besitzen. Weiterhin wurde durch die Anfügung der neuen Nr. 4 in § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung ausdrücklich davon abhängig gemacht, dass der Abnehmer der innergemeinschaftlichen Lieferung, soweit er ein Unternehmer ist oder eine juristische Person, die nicht Unternehmer ist oder die den Gegenstand der Lieferung nicht für ihr Unternehmen erworben hat, gegenüber dem liefernden Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige USt-IdNr. verwendet hat. Die Verwendung einer ihm erteilten gültigen USt-IdNr. durch den Abnehmer wurde somit erstmals eine zusätzliche materiell-rechtliche Voraussetzung für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung.

Auch wurde zum 01.01.2020 § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG ergänzt. Nach dem angefügten 2. Halbsatz von § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG wird die Steuerbefreiung für eine innergemeinschaftliche Lieferung versagt, wenn der liefernde Unternehmer seiner Pflicht zur Abgabe der ZM (§ 18a UStG) nicht nachgekommen ist oder soweit er diese im Hinblick auf die jeweilige Lieferung unrichtig oder unvollständig abgegeben hat. § 18a Abs. 10 UStG (d. h. die Möglichkeit bzw. Pflicht zur Berichtigung von ZM) bleibt dabei unberührt.

Entscheidung

Mit BMF-Schreiben v. 09.10.2020 hat die Verwaltung sich zu den geänderten Anforderungen bei innergemeinschaftlichen Lieferungen geäußert.

Verwendung der USt-IdNr.

§ 6a Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 UStG bestimmt, dass eine innergemeinschaftliche Lieferung nur vorliegt, wenn der Abnehmer gegenüber dem Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige USt-IdNr. verwendet. Hinsichtlich des Begriffs der Verwendung gilt aufgrund des Verweises in dem BMF-Schreiben auf Abschn. 3a.2 Abs. 10 Sätze 2 bis 10 UStAE: Verwendet der Leistungsempfänger eine USt-IdNr., soll dies grds. vor Ausführung der Leistung erfolgen und in dem jeweiligen Auftragsdokument schriftlich festgehalten werden. Der Begriff „Verwendung“ einer USt-IdNr. setzt ein positives Tun des Leistungsempfängers, in der Regel bereits bei Vertragsabschluss, voraus. So kann z. B. auch bei mündlichem Abschluss eines Auftrags zur Erbringung einer sonstigen Leistung eine Erklärung über die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug durch Verwendung einer bestimmten USt-IdNr. abgegeben und dies vom Auftragnehmer aufgezeichnet werden. Es reicht ebenfalls aus, wenn bei der erstmaligen Erfassung der Stammdaten eines Leistungsempfängers zusammen mit der für diesen Zweck erfragten USt-IdNr. zur Feststellung der Unternehmereigenschaft und des unternehmerischen Bezugs zusätzlich eine Erklärung des Leistungsempfängers aufgenommen wird, dass diese USt-IdNr. bei allen künftigen – unternehmerischen – Einzelaufträgen verwendet werden soll. Eine im Briefkopf eingedruckte USt-IdNr. oder eine in einer Gutschrift des Leistungsempfängers formularmäßig eingedruckte USt-IdNr. reicht allein nicht aus, um die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug der zu erbringenden Leistung zu dokumentieren. Unschädlich ist es im Einzelfall, wenn der Leistungsempfänger eine USt-IdNr. erst nachträglich verwendet oder durch eine andere ersetzt.

Ein positives Tun soll nach dem BMF-Schreiben auch dann vorliegen, wenn der Leistungsempfänger die Erklärung über die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug objektiv nachvollziehbar vorgenommen hat und der Leistungsbezug vom Leistungsempfänger in zutreffender Weise erklärt worden ist, der leistende Unternehmer seinen Meldepflichten nach § 18a UStG nachgekommen ist und die Rechnung über die Leistung einen Hinweis auf die USt-IdNr., die nach § 18a Abs. 7 UStG in der ZM angegeben wurde, enthält.

Die nachträgliche Verwendung einer im Zeitpunkt der Lieferung gültigen USt-IdNr. durch den Abnehmer entfaltet nach dem BMF-Schreiben für Zwecke der Steuerbefreiung Rückwirkung. Die (ausländische) USt-IdNr. muss nicht durch den Mitgliedstaat erteilt worden sein, in dem die Beförderung oder Versendung endet. Wurde eine USt-IdNr. gegenüber dem Unternehmer verwendet, die von dem Mitgliedstaat erteilt wurde, in dem die Beförderung oder Versendung beginnt, liegt tatbestandlich keine innergemeinschaftliche Lieferung vor. Erteilt die Steuerverwaltung eines anderen Mitgliedstaates einem Organkreis nur eine USt-IdNr., ist diese bei der Verwendung durch die Organgesellschaft gegenüber einem inländischen Unternehmer von der Verwaltung anzuerkennen.

Abgabe ZM

Gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG ist die Steuerfreiheit der innergemeinschaftlichen Lieferung davon abhängig, dass der Unternehmer seiner gesetzlichen Pflicht zur Abgabe einer ZM gem. § 18a UStG nachkommt und diese im Hinblick auf die jeweilige Lieferung richtig und vollständig ist. Gibt der Unternehmer die ZM nicht richtig, vollständig oder fristgerecht ab, erfüllt er nach dem BMF-Schreiben die Voraussetzung für die Steuerbefreiung nicht. Die Feststellung, dass die Voraussetzungen nicht erfüllt sind, kann immer erst nachträglich getroffen werden, da die Abgabe einer ZM zu einer innergemeinschaftlichen Lieferung immer erst später, nämlich bis zum 25. Tag nach Ablauf jedes Meldezeitraums, in dem die innergemeinschaftliche Lieferung ausgeführt wurde, erfolgt.

Die Pflicht zur Berichtigung einer fehlerhaften ZM nach § 18a Abs. 10 UStG bleibt gemäß § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG unberührt. Eine fehlerhafte ZM ist gem. § 18a Abs. 10 UStG innerhalb eines Monats zu berichtigen, wenn der Unternehmer nachträglich erkennt, dass die von ihm abgegebene ZM unrichtig oder unvollständig ist. Berichtigt der Unternehmer die fehlerhafte ZM für den Meldezeitraum, in dem die betreffende Lieferung ausgeführt wurde nicht, ist nach dem BMF-Schreiben die Steuerbefreiung für die betreffende Lieferung nachträglich zu versagen. Eine Berichtigung von Fehlern in einer anderen ZM als der ursprünglichen, führt zu keinem Aufleben der Steuerfreiheit für die betreffende Lieferung.

Belegnachweise

Die §§ 17a (Gelangensvermutung bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Beförderungs- und Versendungsfällen), 17b UStDV (Gelangensnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Beförderungs- und Versendungsfällen) und 17c UStDV (Nachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen in Bearbeitungs- oder Verarbeitungsfällen) regeln, mit welchen Belegen der Unternehmer den Nachweis zu führen hat. Werden die Voraussetzungen von § 17a UStDV erfüllt, wird nach dem BMF-Schreiben widerlegbar vermutet, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde. Besteht keine Vermutung nach § 17a UStDV, hat der Unternehmer nach dem BMF-Schreiben nach § 17b Abs. 1 UStDV bei innergemeinschaftlichen Lieferungen durch Belege nachzuweisen, dass er oder der Abnehmer den Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet hat.

Die §§ 17a bis 17d UStDV regeln im Einzelnen, wie der Unternehmer die Nachweise der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung zu führen hat. Während gem. § 17a UStDV bei Vorliegen der Voraussetzungen widerlegbar vermutet wird, dass der Gegenstand der Lieferung in das übrige Gemeinschaftsgebiet befördert oder versendet wurde, gilt bei Erfüllung der Voraussetzungen von § 17b UStDV der Belegnachweis nach dem BMF-Schreiben als erbracht. Zwischen § 17a UStDV einerseits und §§ 17b bzw. 17c UStDV anderseits besteht kein Vorrangverhältnis. Der Unternehmer kann nach dem BMF-Schreiben den Belegnachweis entweder nach § 17a UStDV oder nach § 17b UStDV führen.

Praxishinweis

Das BMF-Schreiben mag in der Praxis einerseits hilfreich sein, andererseits werden neue Fragen aufgeworfen, die unbeantwortet bleiben. So lässt das BMF-Schreiben zwar eine nachträgliche (nach Ausführung einer innergemeinschaftlichen Lieferung) erfolgte Verwendung einer gültigen USt-IdNr. durch den Erwerber für diesen Umsatz zu. Das BMF-Schreiben trifft aber keine Aussage dazu, wie der Lieferer seine Lieferung im Zeitpunkt des Umsatzes zu behandeln hat. Kann er die Lieferung als steuerfrei behandeln, obwohl er keine USt-IdNr. des Erwerbers kennt, weil er z. B. darauf vertraut, dass dieser die USt-IdNr. noch nachreicht? Hier entstehen neue Unsicherheiten in der Praxis. Ist eine USt-Voranmeldung falsch, wenn der Unternehmer die Lieferung als steuerfrei behandelt hat, der Erwerber seine USt-IdNr. aber erst in einem anderen Voranmeldungszeitraum mitteilt?

Hinsichtl. des Begriffs der Verwendung einer USt-IdNr. hält die Verwaltung einerseits daran fest, dass es sich um ein positives Tun handeln muss. Andererseits, insoweit relativiert die Verwaltung etwas, soll dies auch gegeben sein, wenn der Leistungsempfänger die Erklärung über die Unternehmereigenschaft und den unternehmerischen Bezug objektiv nachvollziehbar vorgenommen hat und der Leistungsbezug vom Leistungsempfänger in zutreffender Weise erklärt worden ist, der leistende Unternehmer seinen Meldepflichten nach § 18a UStG nachgekommen ist und die Rechnung über die Leistung einen Hinweis auf die USt-IdNr., die nach § 18a Abs. 7 UStG in der ZM angegeben wurde, enthält. Hier wurde offensichtlich berücksichtigt, dass das Hessische FG bereits in seinem Urteil v. 16.03.2017, 6 K 953/16, unter Hinweis auf die Literatur (Martin in Sölch / Ringleb, UStG, Stand 09/2015, § 3d Rn. 2; Marchal in Rau / Dürrwächter, UStG, Stand 01/2016, § 3d Rn. 10) entschieden hatte, dass es für die Verwendung i. S. d. § 3d Satz 2 UStG ausreichend sei, dass der Lieferant die USt-IdNr. „in seiner eigenen Zusammenfassenden Meldung … und/oder in seiner Rechnung … angegeben“ habe. Danach ist ein aktives Tun des Abnehmers nicht erforderlich, was seitens der Finanzverwaltung auch schwer zu beweisen sein dürfte. Demnach sollte die Angabe der USt-IdNr. in der ZM bzw. der Rechnung des Lieferanten als erster Anscheinsbeweis (widerlegbare Vermutung) dafür dienen, dass der Abnehmer diese USt-IdNr. verwendet hat.

Im nationalen Recht wurde durch die Anfügung der Nr. 4 in § 6a Abs. 1 Satz 1 UStG das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung ausdrücklich davon abhängig gemacht, dass der Abnehmer der innergemeinschaftlichen Lieferung gegenüber dem liefernden Unternehmer eine ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte gültige USt-IdNr. „verwendet hat“. Das bedeutet jedenfalls, der Erwerber muss im Zeitpunkt der an ihn bewirkten Lieferung eine ihm von dem anderen Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr. besitzen, d. h. jedenfalls der Besitz einer ihm erteilten gültigen USt-IdNr. durch den Abnehmer ist somit eine zusätzliche materiell-rechtliche Voraussetzung für das Vorliegen einer innergemeinschaftlichen Lieferung. Auf diesen Aspekt geht das BMF-Schreiben nicht näher ein. Die Explanatory Notes der EU-Kommission führen aus, dass der MwSt-Ausschuss einstimmig (also auch mit Zustimmung Deutschlands) der Auffassung ist, dass mit der Änderung von Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL eine materielle Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung einer innergemeinschaftlichen Lieferung hinzugefügt wurde. Der Ausschuss ist einstimmig der Auffassung, dass diese Ergänzung bedeutet, dass in Fällen, in denen der Erwerber dem Lieferanten seine USt-IdNr. nicht angibt oder in denen die angegebene USt-IdNr. von dem Mitgliedstaat, von dem aus die Waren versandt oder befördert werden, erteilt wurde, die Bedingungen für die Anwendung der Befreiung nach Art. 138 MwStSystRL als nicht erfüllt angesehen werden müssen und der Lieferant keine andere Möglichkeit hat, als MwSt in Rechnung zu stellen (seine innergemeinschaftliche Lieferung also als steuerpflichtig zu behandeln). Demzufolge müsste der liefernde Unternehmer, wenn er im Zeitpunkt der Lieferung über keine USt-IdNr. des Erwerbers verfügt (weil dieser die Nummer erst später mitteilt) seine Lieferung als steuerpflichtig behandeln. Davon scheint auch das BMF-Schreiben auszugehen, wenn es ausführt, dass dienachträgliche Verwendung einer im Zeitpunkt der Lieferung gültigen USt-IdNr. durch den Abnehmer für Zwecke der Steuerbefreiung Rückwirkung entfaltet. Das wiederum aber bedeutet, dass der Lieferer ggf. seine Rechnung korrigieren und seine USt-Voranmeldung berichtigen muss, wenn er die Lieferung zunächst als steuerpflichtig behandelt hat.

Nach Abschn. 6a.1 Abs. 21 Satz 3 in der Fassung des BMF-Schreibens ist ebenso wie bei einer innergemeinschaftlichen Lieferung nach § 6a Abs. 1 UStG auch bei einem innergemeinschaftlichen Verbringen nach § 6a Abs. 2 UStG die Steuerbefreiung davon abhängig, dass der Vorgang in dem anderen Mitgliedstaat der Erwerbsbesteuerung unterliegt und das Verbringen in der ZM gem. § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG zutreffend erklärt wird. Hier wird nicht auf die Verwendung einer (ausländischen) USt-IdNr. abgestellt. Dies erklärt sich möglicherweise aus Folgendem: Ein innergemeinschaftliches Verbringen liegt vor, wenn die in § 3 Abs. 1a UStG genannten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Liegen diese vor, so gilt der Vorgang als innergemeinschaftliche Lieferung. Das bedeutet, dass in einem solchen Fall die Voraussetzungen des § 6a Abs. 1 UStG als erfüllt gelten. Da die gültige ausländische USt-IdNr. eine Tatbestandsvoraussetzung des § 6a Abs. 1 UStG ist (§ 6a Abs. 1 Nr. 4 UStG) gilt diese im Falle eines innergemeinschaftlichen Verbringens ebenfalls als erfüllt, muss also nicht tatsächlich vorhanden sein. Aufgrund der Formulierung des UStG ist das innergemeinschaftliche Verbringen dann aber wegen § 4 Nr. 1 Buchst b UStG umsatzsteuerpflichtig, da ohne eine gültige ausländische USt-IdNr. keine ZM abgegeben werden kann und § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG nur allgemein auf § 6a UStG verweist. Im Hinblick auf die Formulierung von Art. 138 MwStSystRL könnte sich das als problematisch erweisen, da Art. 138 Abs. 1a MwStSystRL nur auf Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL Bezug nimmt. Die Steuerbefreiung für das innergemeinschaftliche Verbringen ergibt sich aber aus Art. 138 Abs. 2 Buchst c MwStSystRL. In Art. 138 Abs. 1a MwStSystRL wird jedoch keine Aussage zu Abs. 2 getroffen. Sollte es zu einem umsatzsteuerpflichtigen innergemeinschaftlichen Verbringen kommen, stellt sich die Frage, ob der Unternehmer von dieser USt durch einen Vorsteuerabzug wieder entlastet werden kann. Soweit ersichtlich, ist § 15 Abs. 1 UStG für einen solchen Fall aber nicht anwendbar. Eine endgültige Belastung des Unternehmers mit USt wäre die Folge. Dies wollte die Verwaltung vorliegend offensichtlich vermeiden.

Die Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen soll nach dem BMF-Schreiben nicht zur Anwendung kommen können, wenn der Unternehmer eine fehlerbehaftete ZM nicht innerhalb der Monatsfrist von § 18a Abs. 10 UStG korrigiert. Diese Auffassung ist einerseits nachvollziehbar, da § 4 Nr. 1 Buchst. b UStG auf § 18a Abs. 10 UStG verweist. Allerdings enthält Art. 138 Abs. 1a MwStSystRL keine entsprechende zeitliche Begrenzung. Die dort genannten Art. 262 - 264 MwStSystRL beschreiben nur, welche Informationen eine ZM enthalten muss und welche Meldezeiträume maßgeblich sind. Daher bleiben Zweifel, ob eine Berichtigung nach Ablauf der Monatsfrist - entgegen der Auffassung des BMF - nicht doch eine Steuerbefreiung ermöglichen könnte. Insofern bleibt z. B. auch zweifelhaft, wie zu verfahren ist, wenn sich die Bemessungsgrundlage einer innergemeinschaftlichen Lieferung z. B. aufgrund eines Skontoabzugs ändert. Da § 17 UStG für innergemeinschaftliche Lieferungen sinngemäß anzuwenden ist (§ 18b S. 4 UStG), wirken sich Änderungen der Bemessungsgrundlage häufig erst in einem späteren Meldezeitraum aus. Fraglich ist, ob die Steuerbefreiung zu versagen ist, falls eine zutreffende Berücksichtigung der Änderung der Bemessungsgrundlage in der ZM unterbleibt.

Das BMF-Schreiben enthält keinerlei Aussagen darüber, wie sich eine (ggf. endgültig) steuerpflichtige innergemeinschaftliche Lieferung auf das Vorsteuerabzugsrecht des Erwerbers auswirkt. Der Unternehmer hat gegenüber dem Abnehmer selbst bei Vorliegen aller übrigen Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung mit USt abzurechnen, wenn der Abnehmer im Zeitpunkt der Lieferung und späteren Rechnungsstellung gegenüber dem Unternehmer keine USt-IdNr. verwendet hat. Es handelt sich somit um eine umsatzsteuerbare und mangels Vorliegen der materiell-rechtlichen Voraussetzungen, umsatzsteuerpflichtige Lieferung. Teilt der Abnehmer jedoch nachträglich eine im Zeitpunkt der Lieferung bereits gültige und ihm von einem anderen Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr. mit, ist nach dem BMF-Schreiben bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen von § 6a Abs. 1 UStG die Lieferung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a UStG umsatzsteuerfrei. Somit dürfte der Unternehmer ab diesem Zeitpunkt die in der Rechnung gesondert ausgewiesene USt nach § 14c Abs. 1 UStG schulden, bis er die Rechnung gegenüber dem Leistungsempfänger berichtigt und ggf. die bereits vereinnahmte USt zurückgezahlt hat (vgl. Abschn. 14c.1. Abs. 5 und Abs. 8 Satz 1 und 2 UStAE; so auch Punkt 4.3.2 letzter Abs. Explanatory Notes der EU-Kommission, bei der für die Rechnungsberichtigung auf die relevanten nationalen Regelungen verwiesen wird). Es besteht dann auch die Pflicht zur Abgabe einer berichtigten ZM nach § 18a Abs. 10 UStG. Gleichwohl stellt sich die Frage, ob der Leistungsempfänger einen gesonderten Umsatzsteuerbetrag – bis zu einer Berichtigung der Rechnung – als Vorsteuer gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG z. B. im Rahmen des Vorsteuervergütungsverfahrens deklarieren kann. In der Literatur wird dies bejaht (vgl. z. B. Sterzinger, UR 2020, 1 (11); Höink, BB 2019, 87 (88); Meyer-Burow/Connemann, UStB 2019, 111 (112)). Da in Abschn. 18.11 Abs. 1a UStAE geregelt ist, dass Vorsteuerbeträge im Vorsteuer-Vergütungsverfahren dann nicht vergütet werden, wenn feststeht, dass die Voraussetzungen der Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung vorliegen, könnte sich daraus der Rückschluss ziehen lassen, dass dieser Vorsteuerbetrag vergütbar sein muss, da der Steuerbetrag (noch) für diese Lieferung gesetzlich geschuldet wird. Dass eine – optionale – erst später vorgenommene Berichtigung einer fehlerhaften ZM für Zwecke der Steuerbefreiung auf den Zeitpunkt der Lieferung zurückwirkt, ändert daran nichts, da es sich nicht um einen fälschlich in Rechnung gestellten Mehrwertsteuerbetrag i. S. v. Art. 171 Abs. 3 Buchst. a MwStSystRL handelt. Ferner erscheint es auch fragwürdig und im Hinblick auf den vom EuGH stets hervorgehobenen Neutralitätsgedanken kritisch, hier einen Hinderungsgrund i. S. v. Art. 4 Buchst. b der Richtlinie 2008/9/EG (sog. Vorsteuervergütungs-RL) zu sehen, insbesondere weil die Mitteilung der USt-IdNr. des Abnehmers als zwingendes materielles Tatbestandsmerkmal in Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL aufgenommen wurde.

Die Verwendung der USt-IDNr. ist nach § 6a Abs. 1 Nr. 4 UStG materiell-rechtliches Tatbestandsmerkmal für die Anwendung der Steuerbefreiung. Wird die USt-IDNr. nicht verwendet, liegt mithin keine innergemeinschaftliche Lieferung i. S. v. § 6a UStG vor, die steuerbefreit werden könnte, und der Lieferer hat folgerichtig eine Rechnung mit Umsatzsteuerausweis zu erteilen. Für die Versagung des Vorsteuerabzugs für einen per Gesetz steuerpflichtigen Umsatz dürfte keine Rechtsgrundlage bestehen. Dies gilt unabhängig davon, wie der Abnehmer die Vorsteuer geltend macht. Sofern der Abnehmer seine Umsätze im allgemeinen Besteuerungsverfahren erklärt (z. B. ausländischer Unternehmer, der in Deutschland steuerbare und steuerpflichtige Umsätze tätigt), kann er die Vorsteuer, die sich aus der aufgrund einer fehlenden USt-IDNr. als steuerpflichtig behandelten Lieferung ergibt, nach § 15 UStG geltend machen. Bei der ausgewiesenen USt handelt es sich um eine gesetzlich geschuldete Steuer i. S. v. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG. § 15 UStG sieht auch keinen Ausschlusstatbestand für eine Lieferung vor, die mangels USt-IDNr. als steuerpflichtig behandelt wird, im Übrigen aber alle Tatbestandsmerkmale des § 6a Abs. 1 UStG erfüllt. In diesem Fall handelt es sich auch nicht um eine sog. § 14c UStG-Steuer. Macht der Abnehmer die Vorsteuer im Vorsteuer-Vergütungsverfahren geltend, dürfte ebenfalls keine Rechtsgrundlage für die Versagung des Vorsteuerabzugs existieren. Art. 4 Buchst. b RL 2008/9/EG sieht den Ausschluss vom Vergütungsverfahren vor für „in Rechnung gestellte Mehrwertsteuerbeträge für Lieferungen von Gegenständen, die gemäß Artikel 138 oder Artikel 146 Absatz 1 Buchstabe b der Richtlinie 2006/112/EG von der Steuer befreit sind oder befreit werden können“. Wenn der Abnehmer keine USt-IDNr. verwendet hat, kann die Lieferung mangels Vorliegen der materiell-rechtlichen Tatbestandsmerkmale des § 6a Abs. 1 UStG nicht steuerfrei gestellt werden, denn eine innergemeinschaftliche Lieferung i. S. v. § 6a Abs. 1 UStG bzw. Art. 138 MwStSystRL liegt gerade nicht vor. Diese Meinung vertritt auch der MwSt-Ausschuss (vgl. Leitlinien der 113. Sitzung, Arbeitsunterlage Nr. 976). Der MwSt-Ausschuss hat einstimmig, also mit Zustimmung Deutschlands, beschlossen, dass bei Nichtverwendung der USt-IDNr. die Bedingungen für die Anwendung der Befreiung nach Artikel 138 MwStSystRL als nicht erfüllt betrachtet werden müssen und der Lieferer die MwSt in diesem Fall zwingend berechnen muss.

Auch wenn der leistende Unternehmer einen Umsatz als steuerpflichtig behandelt hat, unterliegt dieser Umsatz beim Leistungsempfänger den Regelungen für einen innergemeinschaftlichen Erwerb. Der Leistungsempfänger hat diesen innergemeinschaftlichen Erwerb zu versteuern, daneben steht ihm unter den übrigen Voraussetzungen ein korrespondierender Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG zu. Hierfür ist es nicht Voraussetzung, dass er im Besitz einer nach § 14, 14a UStG ausgestellten Rechnung ist (s. Abschn. 15.10. Abs. 1 UStAE). Daher ist es für den korrespondierenden Vorsteuerabzug unschädlich, wenn der leistende Unternehmer aus einem anderen Mitgliedsstaat in einer Rechnung dortige USt offen ausweist. Diese ausgewiesene Steuer ist jedoch nicht als inländische Vorsteuer abziehbar.

Wie zu sehen ist, löst das vorliegende BMF-Schreiben viele Fragestellungen nicht. Es ist daher ein guter Anhaltspunkt für die Umsetzung. Dennoch sollten Sie die USt-IdNr. Prüfung richtig aufsetzen und ein regelmäßiges Verfahren implementieren. Selbiges gilt für die Belegnachweise und den Prozess zu Einreichung der ZM.

Die AWB hat bereits mehrere Projekte erfolgreich begleitet und steht auch Ihnen für die Implementierung der notwendigen Änderungen gern als Berater zur Verfügung. Sprechen Sie uns einfach an.

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