Umsatzsteuerliche Behandlung von Einzweck- und Mehrzweck-Gutscheinen

Anmerkung zu: BMF-Schr. v. 02.11.2020

Praxisproblem

Mit der RL (EU) 2016/1065 v. 27.06.2016 (sog. Gutschein-RL, EU-RL 2016/1065 v. 27.06.2016, ABl.EU 2016, Nr. L 177/9) war die MwStSystRL hinsichtl. der umsatzsteuerlichen Behandlung von Gutscheinen ergänzt worden. Bei Gutscheinen wurde vorher im Umsatzsteuerrecht zwischen Wertgutscheinen und Waren- oder Sachgutscheinen unterschieden. Während Wertgutscheine über einen bestimmten Nennbetrag bei dem ausstellenden Händler gegen eine beliebige Ware oder Dienstleistung eingetauscht werden konnten, bezogen sich Waren- oder Sachgutscheine auf eine konkret bezeichnete Ware oder Dienstleistung. Die Ausgabe eines Wertgutscheins wurde lediglich als Tausch von Zahlungsmitteln behandelt und stellte selbst keine Leistung im umsatzsteuerlichen Sinne dar. Die USt entstand erst im Fall der Einlösung des Wertgutscheins und damit bei Ausführung des konkreten Umsatzes.

Mit dem Gesetz zur Vermeidung von Umsatzsteuerausfällen beim Handel mit Waren im Internet und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften vom 11.12.2018 (BGBl. I 2018, 2338 waren die Art. 30a, 30b sowie 73a MwStSystRL durch die Einführung des § 3 Abs. 13 bis 15 UStG mit Wirkung zum 01.01.2019 in nationales Recht umgesetzt worden.

Sachverhalt

Mit BMF-Schreiben v. 02.11.2020 hat die Verwaltung nunmehr (fast 2 Jahre nach Inkrafttreten der Neuregelungen) einführende Verwaltungsregelungen zur Auslegung der Bestimmungen erlassen. Das BMF-Schreiben enthält zudem eine Fülle von Beispielen zu den einzelnen Rechtsbereichen.

Entscheidung

Gutscheine

Gutscheine i. S. d. § 3 Abs. 13 UStG sind nach dem BMF-Schreiben solche Instrumente (gleich ob z. B. Papierdokumente oder Plastikkarten oder in elektronischer Form), die vom Berechtigten ganz oder teilweise anstelle einer regulären Geldzahlung als Gegenleistung zur Einlösung gegen Gegenstände oder sonstige Leistungen verwendet werden können. Ein Gutschein kann immer nur ein Instrument sein, das den Inhaber berechtigt, eine Leistung in Anspruch zu nehmen. Instrumente, die nur das Recht verleihen, einen Preisnachlass oder eine Preiserstattung (nicht aber die Leistung als solche) zu erhalten, sind keine Gutscheine im vorliegenden Sinne.

Einzweck-Gutschein

Ein Einzweck-Gutschein nach § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG ist dadurch gekennzeichnet, dass der Ort der Lieferung oder sonstigen Leistung, zu deren Bezug der Gutschein berechtigt, sowie die geschuldete USt, bei dessen erstmaliger Übertragung bzw. Ausgabe durch den Aussteller des Gutscheins feststehen. Für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins ist nach dem BMF-Schreiben die Identität des leistenden Unternehmers anzugeben sowie die Leistung dahingehend zu konkretisieren, dass der steuerberechtigte Mitgliedstaat und der auf die Leistung entfallende Steuersatz und damit der zutreffende Steuerbetrag mit Sicherheit bestimmt werden können. Zudem muss zur zutreffenden Bestimmung des Orts einer sonstigen Leistung, die mit dem Gutschein verkörpert wird, feststehen, ob der Leistungsempfänger ein Unternehmer ist oder nicht.

Die spätere Gutscheineinlösung, also die tatsächliche Lieferung bzw. Leistungserbringung, ist für die umsatzsteuerliche Würdigung nicht mehr relevant, da diese nicht als unabhängiger Umsatz gilt. Sollte eine Zuzahlung durch den Gutscheininhaber bei Einlösung des Gutscheins erfolgen, so ist lediglich die bislang noch nicht versteuerte Differenz zu versteuern.

Einzweck-Gutscheinausgabe durch den leistenden Unternehmer und Übertragung auf einen anderen Unternehmer und Ausgabe durch diesen im eigenen Namen

Stellt der leistende Unternehmer einen Einzweck-Gutschein aus und überträgt ihn auf einen anderen Unternehmer, der ihn im eigenen Namen an den Kunden ausgibt, gilt auch der ausgebende Unternehmer als Leistender der auf dem Gutschein bezeichneten Leistung. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Besteuerung der Leistungsfiktion des leistenden Unternehmers an den ausgebenden Unternehmer ist derjenige, in dem der ausstellende und leistende Unternehmer den Gutschein an den ausgebenden Unternehmer überträgt. Maßgeblicher Zeitpunkt für die Besteuerung der Leistungsfiktion des ausgebenden Unternehmers ist die Ausgabe des Gutscheins an den Kunden. Dies gilt unabhängig davon, ob der ausgebende Unternehmer im eigenen Namen, aber für fremde Rechnung auftritt oder ob er im eigenen Namen und für eigene Rechnung tätig wird.

Einzweck-Gutscheinausgabe im eigenen Namen und Leistender ein Dritter

Stellt ein Unternehmer im eigenen Namen einen Einzweck-Gutschein mit der versprochenen Leistung aus, erbringt die darin bezeichnete Leistung jedoch nicht selbst, wird der spätere Leistungserbringer so behandelt, als habe er die in dem Gutschein genannte Leistung an den Gutscheinaussteller erbracht. Maßgeblicher Zeitpunkt der Leistungsfiktion und damit der Besteuerung beider Leistungen ist der Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins an den Kunden. Der Gutscheinaussteller muss dem letztendlich leistenden Unternehmer nach dem BMF-Schreiben zur fristgerechten Versteuerung mitteilen, zu welchem Zeitpunkt und in welcher Höhe Einzweck-Gutscheine an Kunden ausgegeben wurden.

Einzweck-Gutschein-Ausgabe in fremdem Namen

Gibt ein Unternehmer einen Einzweck-Gutschein im fremden Namen aus, wird er nicht Teil der Leistungskette. Vielmehr gilt die Ausgabe des Gutscheins an den Kunden als Leistung desjenigen, in dessen Namen der Unternehmer handelt. Der ausgebende Unternehmer muss dem leistenden Unternehmer nach dem BMF-Schreiben zur fristgerechten Versteuerung mitteilen, zu welchem Zeitpunkt Einzweck-Gutscheine an Kunden ausgegeben wurden, da der leistende Unternehmer zu diesem Zeitpunkt die fiktiv erbrachte Leistung zu versteuern hat.  Der leistende Unternehmer hat als Bruttowert den vom Vermittler vereinnahmten Preis anzusetzen.Der ausgebende Unternehmer erbringt nach dem BMF-Schreiben eine Vermittlungsleistung.

Ort der Einzweck-Gutscheinausgabe bei verkörperter Lieferung bzw. sonstiger Leistung

Berechtigt der Einzweck-Gutschein den Leistungsempfänger zum Bezug einer Lieferung nach § 3 Abs. 1 UStG, so bestimmt sich der Ort der fiktiven Lieferung nach dem BMF-Schreiben aufgrund fehlender Warenbewegung im Zeitpunkt der erstmaligen Ausgabe bzw. Übertragung in entsprechender Anwendung des § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG. Die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a oder b UStG kommt nach dem BMF-Schreiben daher nicht in Betracht. Bezieht sich die erstmalige Ausgabe bzw. Übertragung eines Einzweck-Gutscheins auf die Erbringung einer sonstigen Leistung nach § 3 Abs. 9 UStG, so bestimmt sich der Leistungsort im Zeitpunkt der Ausgabe bzw. erstmaligen Übertragung nach den allgemeinen Ortsregelungen über sonstige Leistungen.

Für eine genaue Ortsbestimmung bei der Ausgabe eines Gutscheins bzw. erstmaligen Übertragung eines Einzweck-Gutscheins muss nach dem BMF-Schreiben daher feststehen, ob der Empfänger der sonstigen Leistung ein Unternehmer ist und diese für sein Unternehmen bezieht.

Handelt ein Unternehmer bei der Ausgabe bzw. Übertragung eines Einzweck-Gutscheins erkennbar im Namen des ausstellenden oder eines übertragenden Unternehmers, wird er nicht Teil der Leistungskette, sondern erbringt im Zeitpunkt der Ausgabe bzw. Übertragung eine Vermittlungsleistung. Der Ort dieser Vermittlungsleistung bestimmt sich nach den allgemeinen Regelungen des § 3a Abs. 2 UStG.

Bemessungsgrundlage der Einzweck-Gutscheinausgabe

Wird ein Einzweck-Gutschein entgeltlich übertragen bzw. ausgegeben, bestimmt sich die Bemessungsgrundlage nach dem BMF-Schreiben nach den allgemeinen Vorschriften des § 10 Abs. 1 UStG. Diese Grundsätze gelten nach dem BMF-Schreiben auch in Vertriebsketten, bei denen jeder Unternehmer die Gutscheine im eigenen Namen überträgt bzw. ausgibt. Bemessungsgrundlage ist auf jeder Stufe das vereinbarte Entgelt.

Nichteinlösung eines Einzweck-Gutscheins

Sollte ein Einzweck-Gutschein vom Gutscheininhaber nicht (innerhalb der Gültigkeitsdauer) eingelöst werden und somit verfallen, ergeben sich nach dem BMF-Schreiben hieraus allein keine weiteren umsatzsteuerlichen Folgen, da die ursprüngliche Leistung bereits bei Übertragung bzw. Ausgabe des Gutscheins als erbracht gilt und demzufolge in diesem Zeitpunkt zu versteuern ist.

Eine Änderung der Bemessungsgrundlage nach § 17 Abs. 1 UStG kommt nur dann in Betracht, wenn das Entgelt ausnahmsweise zurückgezahlt wird.

Rückgabe eines Einzweck-Gutscheins

Wird ein Einzweck-Gutschein zurückgegeben und erhält der Kunde den Gutscheinwert ausnahmsweise zurückerstattet, so wird nach dem BMF-Schreiben der ursprüngliche Umsatz rückgängig gemacht. Die USt ist nach § 17 Abs. 2 Nr. 3 UStG beim Gutscheinaussteller, beim leistenden Unternehmer sowie ggf. beim Kommissionär zu berichtigen.

Mehrzweck-Gutschein

Ein Mehrzweck-Gutschein liegt dann vor, wenn zum Zeitpunkt der Übertragung bzw. Ausgabe des Gutscheins der Ort der Leistung und/oder der leistende Unternehmer und/oder der Leistungsgegenstand noch nicht endgültig feststehen und daher die geschuldete USt nicht bestimmbar ist. Bei einem Mehrzweck-Gutschein gilt die Lieferung der Gegenstände oder die Erbringung der sonstigen Leistung erst im Zeitpunkt der Einlösung des Gutscheins als erbracht.

Ausgabe eines Mehrzweck-Gutscheins

Bei einem Mehrzweck-Gutschein unterliegt erst bei dessen Einlösung die tatsächliche Lieferung oder die tatsächliche Erbringung der sonstigen Leistung der USt; über diese Leistung ist dann nach den allgemeinen Regelungen abzurechnen. Die Ausgabe eines Mehrzweck-Gutscheins und alle weiteren bis dahin erfolgten Übertragungen sind umsatzsteuerlich unbeachtlich.

Mehrzweck-Gutschein in einer Vertriebskette

Die Übertragung und Ausgabe eines Mehrzweck-Gutscheins in der Vertriebskette stellt lediglich einen Tausch von Zahlungsmitteln dar. Daher erbringt der erkennbar im Namen des ausstellenden/übertragenden Unternehmers handelndeVermittler nach dem BMF-Schreiben im Zeitpunkt der Übertragung und Ausgabe eine grds. steuerbare Vermittlungsleistung.

Bemessungsgrundlage bei Mehrzweck-Gutscheinen

Die Bemessungsgrundlage bei Mehrzweck-Gutscheinen bestimmt sich nach den Regelungen in § 10 Abs. 1 Satz 2 UStG. Wird ein Mehrzweck-Gutschein, der über Vertriebsketten übertragen wurde, vom Gutscheininhaber eingelöst und liegen beim leistenden Unternehmer im Zeitpunkt der Einlösung keine Angaben über die Höhe der vom Kunden an den letzten Unternehmer in der Vertriebskette gezahlten Gegenleistung vor, bemisst sich das Entgelt nach dem BMF-Schreiben nach § 10 Abs. 1 Satz 6 UStG. Haben der leistende Unternehmer und der gutscheinausgebende Unternehmer keine Vereinbarungen über die Höhe der Vergütung für die Vermittlungsleistung getroffen, ergibt sich diese aus der Differenz zwischen dem Gutscheinausgabepreis und dem Einkaufspreis des gutscheinausgebenden Unternehmers.

Nichteinlösung eines Mehrzweck-Gutscheins

Sollte ein Mehrzweck-Gutschein vom Gutscheininhaber nicht (innerhalb der Gültigkeitsdauer) eingelöst werden und somit verfallen, ergeben sich hieraus nach dem BMF-Schreiben keine umsatzsteuerlichen Konsequenzen, da bei einem Mehrzweck-Gutschein die tatsächliche Leistungserbringung durch den leistenden Unternehmer erst in dem Zeitpunkt erfolgt, in dem der Gutschein eingelöst wird. Die Nichteinlösung des Gutscheins hat allerdings Auswirkung auf die Bemessungsgrundlage einer Vermittlungsleistung, wenn der auf den leistenden Unternehmer entfallende Entgeltanteil bei Nichteinlösung beim Vermittler verbleibt und das Entgelt für die Vermittlungsleistung sich erhöht.

Rückgabe eines Mehrzweck-Gutscheins

Wird ein Mehrzweck-Gutschein zurückgegeben und erhält der Kunde ausnahmsweise den Gutscheinwert zurückerstattet, so ergeben sich hieraus keine umsatzsteuerlichen Auswirkungen, da lediglich ein Rücktausch von Zahlungsmitteln erfolgt.

Praxishinweis

Maßgeblicher Zeitpunkt für die Besteuerung der Leistungsfiktion ist die Ausgabe/Übertragung des Einzweck-Gutscheins. Folglich sind die maßgeblichen Verhältnisse der Vertragsabrede entscheidend. Ändern sich die Verhältnisse im Nachhinein, ist dies irrelevant. Die spätere Gutscheineinlösung, also die tatsächliche Lieferung bzw. Leistungserbringung, ist für die umsatzsteuerliche Würdigung (der Gutscheinausgabe) nicht mehr relevant, da der Umsatz bei Gutscheineinlösung nicht als unabhängiger Umsatz gilt. So ist es z. B. unerheblich, wenn der Aussteller bei Ausgabe des Einzweck-Gutscheins noch Kleinunternehmer ist und somit keine USt erhoben wird und bei Einlösung des Gutscheins die Kleinunternehmereigenschaft jedoch weggefallen ist.

Fraglich kann sein, ob ein in der 2. Jahreshälfte 2020 (Geltung reduzierter Steuersätze von 16 % statt 19 % bzw. 5 % statt 7 %) ausgegebener Gutschein, der unter den sonstigen Bedingungen ein Einzweck-Gutschein wäre, ein solcher bleibt, wenn unklar ist, wann der Gutschein eingelöst wird (ob noch in der 2. Jahreshälfte 2020 oder erst in 2021, wenn wieder die alten Steuersätze von 19 % bzw. 7 % zur Anwendung kommen). In einem solchen Fall dürfte der Einzweck-Gutschein-Charakter entfallen und ein Mehrzweck-Gutschein anzunehmen sein. Dies dürfte sich aus der Definition eines Einzweck-Gutscheins ergeben. Diese hebt darauf ab, dass im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins der Ort des (späteren) Umsatzes und die für diesen späteren Umsatz geschuldete USt im Zeitpunkt der Ausgabe des Gutscheins endgültig feststehen. Es wird also bei Gutscheinausgabe so getan, als lägen alle Kriterien des späteren Umsatzes (für den der Gutschein verwendet wird) im Zeitpunkt der Gutscheinausgabe bereits vor. Dies wäre bei Unklarheit darüber, welcher Steuersatz für den Umsatz bei Einlösung des Gutscheins in Betracht kommt, nicht gegeben.

In der Literatur wurde diskutiert, ob Unternehmer, die üblicherweise ausschließlich Waren zu einem bestimmten Steuersatz (z. B. 7 %) veräußern, durch Aufnahme einzelner Artikel zu einem anderen Steuersatz in ihr Sortiment Einzweck-Gutscheine generell vermeiden könnten. Zudem könne eine korrekte Zuordnung der Gutscheine bei einer Sortimentsumstellung problematisch sein. Fraglich sei auch, wie damit umzugehen ist, wenn der Gutscheininhaber den Gutschein gegen Waren zu 7 % einlöst, obwohl bei Ausgabe des Gutscheins ein Steuersatz von 19 % angenommen wurde. Offensichtlich um diese Unklarheiten zu vermeiden, regelt das BMF-Schreiben, dass der Leistungsgegenstand für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins zumindest im Hinblick auf die Gattung des jeweiligen Leistungsgegenstands auf dem Gutschein angegeben sein muss. Unter Gattung ist in diesem Zusammenhang die Gesamtheit von Arten von Waren oder sonstigen Leistungen zu verstehen, die in ihren wesentlichen Eigenschaften derart übereinstimmen, dass hieraus der zutreffende Steuersatz eindeutig bestimmbar ist. Der Gutschein soll vom Aussteller sichtbar als Einzweck-Gutschein gekennzeichnet werden. Grundlage dieser Kennzeichnung ist die rechtliche Einordnung des Gutscheins durch den leistenden Unternehmer. Auf die rechtliche Einordnung und die darauf basierende Kennzeichnung dürfen der Aussteller des Gutscheins sowie die nachfolgenden Unternehmer der Leistungskette nach dem BMF-Schreiben vertrauen. Dies gilt nicht, soweit die Unternehmer der Leistungskette Kenntnis hatten oder nach der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmannes hätten Kenntnis haben müssen, dass die rechtliche Einordnung bzw. die Kennzeichnung des Gutscheins als Einzweck-Gutschein zu Unrecht erfolgt ist. In einer Rechnung über die Übertragung bzw. Ausgabe eines Einzweck-Gutscheins nach § 3 Abs. 14 UStG ist nach dem BMF-Schreiben die Bezeichnung der Gutscheinart (Einzweck-Gutschein) sowie eine kurze Beschreibung der Lieferung oder der sonstigen Leistung, zu deren Bezug der Gutschein berechtigt, (für Zwecke des Vorsteuerabzugs des Gutscheinkäufers) ausreichend.

Nach dem BMF-Schreiben ist es für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins u. a. erforderlich, (auf dem Gutschein) die Identität des leistenden Unternehmers anzugeben. Nach dem Wortlaut des Art. 30a Nr. 1 und 2 MwStSystRL ist die konkrete Identität des leistenden Unternehmers für die Annahme eines Einzweck-Gutscheins nicht zwingend erforderlich. In der Fachliteratur wurde diese Frage ebenfalls kontrovers diskutiert. Grds. ist festzuhalten, dass in der Praxis wohl nur selten Gutscheine gehandelt werden, bei denen der leistende Unternehmer nicht aus den Gutscheinbedingungen erkennbar bzw. feststellbar ist. Denn sollte dies der Fall sein, wäre für den Kunden nicht ersichtlich, mit wem er im Zeitpunkt der Gutscheinausgabe in einem vertraglichen Verhältnis steht und bei wem der Gutschein eingelöst werden kann. Schon aus zivilrechtlichen Gründen scheint daher die Angabe über den leistenden Unternehmer auf dem Gutschein unverzichtbar zu sein.

Das BMF-Schreiben regelt, dass bei der Ausgabe eines Einzweck-Gutscheins die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 1 Buchst. a oder b UStG (für Ausfuhrlieferungen bzw. innergemeinschaftliche Lieferungen) nicht in Betracht kommt. Somit ist eine Steuerbefreiung auch dann ausgeschlossen, wenn im Zeitpunkt des Erwerbs des Gutscheins zweifelsfrei feststeht, dass der Gegenstand der Lieferung im Zeitpunkt der Einlösung des Gutscheins in einen anderen Mitgliedstaat oder ins Drittland verbracht wird. Wenn der Gesetzgeber bei der erstmaligen Ausgabe bzw. Übertragung eines Einzweck-Gutscheins die Vollendung der Lieferung fingiert, kann nicht von der Ortsbestimmung des § 3 Abs. 6 UStG ausgegangen werden. Vielmehr bestimmt sich der Ort dieser fiktiven Lieferung nach § 3 Abs. 7 Satz 1 UStG. Ein gesondert zu beurteilendes Umsatzgeschäft kann daher bei einem nachträglichen Eintritt der Voraussetzungen für eine innergemeinschaftliche Lieferung oder eine Ausfuhrlieferung nicht vorliegen, da die fiktive Lieferung bei Erwerb des Gutscheins abgeschlossen ist und die spätere Einlösung gerade nicht als unabhängiger Umsatz gilt.

Bei einem Gutschein, dem eine sonstige Leistung zugrunde liegt, deren Leistungsort sich u. a. in Abhängigkeit vom Status des Leistungsempfängers (§ 3a Abs. 2 UStG) oder dessen Ansässigkeitsort (z. B. § 3a Abs. 5 UStG) bestimmt, muss bereits bei dessen Ausstellung bzw. erstmaliger Ausgabe zweifelsfrei feststehen, ob die zugrunde liegende Leistung letztlich durch einen entsprechenden Leistungsempfänger in Anspruch genommen wird. Ist dies nicht der Fall, liegt kein Einzweck-Gutschein, sondern ein Mehrzweck-Gutschein vor. Es kann bei einem möglichen Weiterverkauf von Einzweck-Gutscheinen innerhalb der Leistungskette auch nicht – abhängig vom jeweiligen direkten Abnehmer des Gutscheins – zu unterschiedlichen Leistungsorten kommen.

Gutscheine über elektronische Dienstleistungen, für die sich der Leistungsort nach § 3a Abs. 5 UStG bestimmt, sind regelmäßig nicht als Einzweck-Gutscheine anzusehen, da bei der Ausgabe des Gutscheins der Ansässigkeitsort des den Gutschein einlösenden Kunden noch nicht bekannt ist.

Das BMF-Schreiben v. 02.11.2020 ist erstmals auf Gutscheine anzuwenden, die nach dem 31.12.2018 ausgestellt werden. Es enthält aber auch eine großzügige Nichtbeanstandungsregelung. Danach wird es -auch für Zwecke des Vorsteuerabzugs -nicht beanstandet, wenn ab dem 01.01.2019 und vor dem 02.02.2021 (dieses Datum liegt 3 Monate nach Veröffentlichung des vorliegenden BMF-Schreibens auf der Homepage des BMF) ausgestellte Gutscheine von den Beteiligten nicht entsprechend den Vorgaben des BMF-Schreibens behandelt worden sind.

Diese Nichtbeanstandung ist zu begrüßen und gibt Unternehmen nun die Möglichkeit, sich auf die neue Verwaltungsansicht einzustellen. Viele Fragen musste die Praxis nämlich bereits zum 01.01.2019 lösen. Die Verwaltung hat mit dem langen Zeitraum zwischen gesetzlicher Neuregelung und nun verkündeter Verwaltungsauffassung der Wirtschaft keinen Dienst erwiesen. Nun gilt es die neue Verwaltungsauffassung in den Unternehmen umzusetzen. Viele Ansichten waren antizipierbar und sind daher vielfach auch bereits derart implementiert.

Das USt-Team der AWB hilft Ihnen bei der Prüfung, ob und wo Anpassungsbedarf besteht und bei der Umsetzung der neuen Verwaltungsanpassung. Melden Sie sich gern.

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