Geschäftsveräußerung im Ganzen, Bauträger als Veräußerer eines Grundstücks

Anmerkung zu: BMF-Schr. v. 16.11.2020

Praxisproblem

Nach § 1 Abs. 1a Satz 1 UStG unterliegen Umsätze im Rahmen einer Geschäftsveräußerung an einen anderen Unternehmer für dessen Unternehmen nicht der USt. Die Geschäftsveräußerung bewirkt gem. § 15a Abs. 10 Satz 1 UStG, dass Berichtigungszeiträume nach § 15a UStG nicht unterbrochen, sondern vom Erwerber fortgeführt werden. Voraussetzung für die Geschäftsveräußerung ist gem. § 1 Abs. 1a Satz 2 UStG, dass ein Unternehmen oder ein in der Gliederung eines Unternehmens gesondert geführter Betrieb im Ganzen entgeltlich oder unentgeltlich übereignet oder in eine Gesellschaft eingebracht wird. § 1 Abs. 1a UStG ist entsprechend Art. 19 MwStSystRL richtlinienkonform auszulegen. Danach können die Mitgliedstaaten "die Übertragung des Gesamtvermögens oder eines Teilvermögens, die entgeltlich oder unentgeltlich oder durch Einbringung in eine Gesellschaft erfolgt, so behandeln, als ob keine Lieferung von Gegenständen vorliegt, und den Begünstigten der Übertragung als Rechtsnachfolger des Übertragenden ansehen.“ Die Übertragung aller wesentlichen Betriebsgrundlagen und die Möglichkeit zur Unternehmensfortführung ohne großen finanziellen Aufwand ist im Rahmen der Gesamtwürdigung zu berücksichtigen, aus der sich ergibt, ob das übertragene Unternehmensvermögen als hinreichendes Ganzes die Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit ermöglicht. Welches die wesentlichen Grundlagen sind, richtet sich nach den tatsächlichen Verhältnissen im Zeitpunkt der Übereignung. Auch ein einzelnes Grundstück kann wesentliche Betriebsgrundlage sein (vgl. Abschn. 1.5 Abs. 4 UStAE).

Sachverhalt

Mit Urteil v. 12.08.2015, XI R 16/14, hatte der BFH entschieden, dass die Übertragung eines vermieteten Grundstücks zu einer nicht umsatzsteuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen führt, wenn der Erwerber durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in bestehende Mietverträge vom Veräußerer ein Vermietungsunternehmen übernimmt. Das ist nach dem BFH-Urteil auch dann der Fall, wenn der Veräußerer ein Bauträger ist, der ein Gebäude erworben, saniert, weitgehend vermietet und sodann veräußert hat, falls im Zeitpunkt der Veräußerung infolge einer nachhaltigen Vermietungstätigkeit beim Veräußerer ein Vermietungsunternehmen vorliegt, das vom Erwerber fortgeführt wird. Damit hatte der BFH erstmals entschieden, dass auch ein Bauträger als eine Geschäftsveräußerung eines Vermietungsunternehmens tätigender Unternehmer angesehen werden kann.

Mit Urteil v. 25.11.2015, V R 66/14, hatte der BFH (auch in einem Bauträgerfall) entschieden, dass die für die Geschäftsveräußerung notwendige Fortführung der Unternehmenstätigkeit bei einer mehrfachen Übertragung nur dem Grunde nach, nicht aber auch höchstpersönlich beim jeweiligen Erwerber vorliegen muss.

Es lagen zwei Entscheidungen des BFH vor, wonach auch ein Bauträger eine Geschäftsveräußerung im Ganzen bewirken kann, wenn er zuvor eine ausreichend ausgeprägte Vermietungstätigkeit ausgeübt hat und diese vom Erwerber fortgeführt wird.

Entscheidung der Verwaltung

Mit BMF-Schreiben v. 16.11.2020 hat die Verwaltung sich dieser BFH-Rechtsprechung angeschlossen und Abschn. 1.5 UStAE ergänzt. Dies gilt in allen offenen Steuerfällen. Nach dem ergänzten Abs. 1 der Vorschrift muss die für die Geschäftsveräußerung notwendige Fortführung der Geschäftstätigkeit bei einer im engen zeitlichen und sachlichen Zusammenhang stehenden mehrstufigen Übertragung nur dem Grunde nach, nicht aber auch höchstpersönlich beim jeweiligen Erwerber vorliegen. Für das Vorliegen der Rechtsfolgen einer Geschäftsveräußerung auf jeder Stufe ist erforderlich, dass auf jeder Stufe der Übertragung der jeweilige Erwerber Unternehmer i. S. d. § 2 UStG ist.

Nach dem neu eingefügten Abs. 2 der Regelung führt die Übertragung eines vermieteten Grundstücks zu einer nicht umsatzsteuerbaren Geschäftsveräußerung im Ganzen, wenn der Erwerber durch den mit dem Grundstückserwerb verbundenen Eintritt in bestehende Mietverträge vom Veräußerer ein Vermietungsunternehmen übernimmt. Das ist auch dann der Fall, wenn der Veräußerer ein Bauträger ist, der ein Gebäude erworben, saniert, weitgehend vermietet und sodann veräußert hat, falls im Zeitpunkt der Veräußerung infolge einer nachhaltigen Vermietungstätigkeit beim Veräußerer ein Vermietungsunternehmen vorliegt, das vom Erwerber fortgeführt wird. Eine anfängliche, weiter bestehende und dem Unternehmenszweck entsprechende Absicht eines Bauträgers, das Objekt wieder zu verkaufen, steht einer nachhaltigen Vermietungstätigkeit i. S. d. § 2 Abs. 1 Satz 3 UStG nicht zwingend entgegen. Eine nachhaltige Vermietungstätigkeit ist widerlegbar anzunehmen, wenn die Vermietungsdauer mindestens 6 Monate betragen hat. Keine Geschäftsveräußerung im Ganzen liegt hinsichtl. eines Bauträgers als Veräußerer jedoch vor, wenn die unternehmerische Tätigkeit des veräußernden Bauträgers im Wesentlichen darin besteht, ein Gebäude zu errichten und Mieter/Pächter für die einzelnen Einheiten zu finden, um es im Anschluss an die Fertigstellung aufgrund bereits erfolgter Vermietung ertragssteigernd zu veräußern. Für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung nicht entscheidend ist, ob das Objekt bilanzsteuerrechtlich dem Umlaufvermögen oder Anlagevermögen zuzuordnen ist. Die vorgenannten Grundsätze gelten z. B. auch für einen in eine mehrstufige Übertragung eingebundenen Grundstückshändler.

Praxishinweis

Mit dem BMF-Schreiben hat die Verwaltung ihre bisherige Auffassung geändert. Sie erkennt an, dass auch ein Bauträger, der an sich die Absicht verfolgt, ein erworbenes Objekt nach dessen Sanierung mit Ertrag zu veräußern, auch für die Dauer der Nutzung des Objekts im Wege der Vermietung ein Vermietungsunternehmen betreiben kann. Wesentlich ist hierbei jedoch, ob die Vermietung letztlich die weiterhin beibehaltene Veräußerungsabsicht von ihrer Bedeutung her ablöst bzw. überwiegt. Die Absicht der Veräußerung muss in den Hintergrund treten. Ein maßgebliches Element für die Beurteilung stellt die Dauer der Vermietung dar.

In Fällen der Veräußerungen von Immobilien sind immer wieder eine Vielzahl an umsatzsteuerrechtlichen Fragen zu beantworten. Die AWB berät regelmäßig bei Umstrukturierung und Immobilientransaktionen. Wenn Sie Fragen zur Anwendung des Umsatzsteuerrechts haben, sprechen Sie uns gern an.

Ihre Ansprechpartner