Das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen EU und VK

Pünktlich zum diesjährigen Weihnachtsfest teilte die Europäische Kommission (EU-KOM) in der Pressemitteilung vom 24.12.2020 mit, dass nach intensiven Verhandlungen mit dem Vereinigten Königreich (VK) eine Einigung über die Modalitäten der künftigen Zusammenarbeit mit der Europäischen Union (EU) erzielt wurde. 

Der Entwurf des Handels- und Kooperationsabkommens besteht aus drei Hauptpfeilern:

1. Das Freihandelsabkommen als neue Wirtschafts- und Sozialpartnerschaft mit dem VK

Das Abkommen erstreckt sich nicht nur auf den Handel mit Waren und Dienstleistungen, sondern auch auf weitere Bereiche, die im Interesse der EU liegen wie Investitionen, Wettbewerb, staatliche Beihilfen, Steuertransparenz, Luft- und Straßenverkehr, Energie und Nachhaltigkeit, Fischerei, Datenschutz und Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit.

  • Das Freihandelsabkommen sieht bei Erfüllen der einschlägigen Ursprungskriterien Nullzollsätze und Nullkontingente vor. 
  • Die Parteien haben sich verpflichtet, durch Aufrechterhaltung eines hohen Schutzniveaus in Bereichen wie Umweltschutz, Bekämpfung des Klimawandels und Kohlenstoffpreisgestaltung, Sozial- und Arbeitnehmerrechte, Steuertransparenz und staatliche Beihilfen solide und gleiche Wettbewerbsbedingungen zu gewährleisten. Dabei wird es eine wirksame innerstaatliche Durchsetzung und einen verbindlichen Streitbeilegungsmechanismus geben und es wird für beide Parteien die Möglichkeit bestehen, Abhilfemaßnahmen zu ergreifen. 
  • Die EU und das VK haben sich auf einen neuen Rahmen für die gemeinsame Bewirtschaftung der Fischbestände geeinigt. Gerade dieses Thema hatte zuletzt im Rahmen der Verhandlungen für Spannungen gesorgt. Das VK wird künftig in der Lage sein, seine Fischereitätigkeiten weiterzuentwickeln, und gleichzeitig werden die Tätigkeiten und Lebensgrundlagen der europäischen Fischereigemeinden geschützt und die natürlichen Ressourcen erhalten.
  • In Bezug auf den Verkehr sieht das Abkommen eine dauerhafte und nachhaltige Vernetzung in den Bereichen Luft-, Straßen-, Schienen- und Seeverkehr vor, wenn auch der Marktzugang hinter dem des Binnenmarkts zurückbleibt. Es enthält Bestimmungen, mit denen sichergestellt werden soll, dass im Wettbewerb zwischen Betreibern aus der EU und dem VK gleiche Wettbewerbsbedingungen gelten, sodass die Fahrgastrechte, Arbeitnehmerrechte und die Verkehrssicherheit nicht gefährdet werden.
  • Im Energiebereich bietet das Abkommen ein neues Modell für den Handel und die Verbundfähigkeit mit Garantien für einen offenen und fairen Wettbewerb, einschließlich Sicherheitsstandards für Offshore-Anlagen, und für die Erzeugung erneuerbarer Energien.
  • In Bezug auf die Koordinierung der Systeme der sozialen Sicherheit zielt das Abkommen darauf ab, eine Reihe von Rechten von EU-Bürgerinnen und Bürgern und britischen Staatsangehörigen zu gewährleisten. Dies betrifft Bürgerinnen und Bürger der EU, die im VK arbeiten bzw. dorthin reisen oder umziehen, sowie Staatsangehörige des VK, die in der EU arbeiten bzw. dorthin reisen oder umziehen und gilt ab dem 01.01.2021.
  • Ferner ermöglicht das Abkommen die grundsätzliche Teilnahmemöglichkeit des VK an EU-Leitprogrammen für den Zeitraum 2021-2027, wie etwa Horizont Europa (vorbehaltlich eines finanziellen Beitrags des Vereinigten Königreichs zum EU-Haushalt).

2.  Eine neue Partnerschaft für die Sicherheit der Bürgerinnen und Bürger

Mit dem Abkommen über Handel und Zusammenarbeit soll ein neuer Rahmen für die Strafverfolgung und justizielle Zusammenarbeit in Straf- und Zivilsachen geschaffen werden. Es sollen neue operative Kapazitäten entstehen, wobei berücksichtigt wird, dass das VK als Nicht-EU-Mitglied außerhalb des Schengen-Raums nicht über dieselben Einrichtungen verfügen wird wie bisher. Die Zusammenarbeit im Sicherheitsbereich kann ausgesetzt werden, falls das VK seine Verpflichtung zur fortgesetzten Einhaltung der Europäischen Menschenrechtskonvention und ihrer innerstaatlichen Durchsetzung verletzt.

3. Horizontale Vereinbarung über Governance

Um Unternehmen, Verbrauchern und Bürgern größtmögliche Rechtssicherheit zu bieten, wird in einem speziellen Kapitel über die Governance dargelegt, wie das Abkommen gehandhabt und kontrolliert werden soll. Ferner wird ein Gemeinsamer Partnerschaftsrat eingesetzt, der dafür sorgen soll, dass das Abkommen ordnungsgemäß angewandt und ausgelegt wird und in dem alle sich ergebenden Fragen erörtert werden sollen. Verbindliche Durchsetzungs- und Streitbeilegungsmechanismen sollen gewährleisten, dass die Rechte von Unternehmen, Verbrauchern und Einzelpersonen geachtet werden. Dies bedeutet, dass Unternehmen in der EU und im VK unter gleichen Wettbewerbsbedingungen miteinander konkurrieren und soll verhindern, dass jede Partei ihre Regulierungsautonomie nutzt, um unfaire Subventionen zu gewähren oder den Wettbewerb zu verzerren. Beide Parteien können im Falle von Verstößen gegen das Abkommen sektorübergreifende Gegenmaßnahmen ergreifen. Dies gilt für alle Bereiche der Wirtschaftspartnerschaft.

Die Zusammenarbeit in den Bereichen Außenpolitik, äußere Sicherheit und Verteidigung fällt nicht unter das Abkommen, da das VK diese Frage nicht verhandeln wollte. Ab dem 01.01.2021 wird es daher keinen Rahmen zwischen dem VK und der EU geben, um gemeinsame Reaktionen auf außenpolitische Herausforderungen zu entwickeln und zu koordinieren, beispielsweise die Verhängung von Sanktionen gegen Drittstaatsangehörige oder Volkswirtschaften. 

Vorbereitung für den 01.01.2021

Trotz des neuen Handels- und Kooperationsabkommens zwischen der EU und dem VK wird es am 1. Januar 2021 voraussichtlich zu nicht unerheblichen Veränderungen kommen. An diesem Tag wird das VK aus dem EU-Binnenmarkt und der Zollunion sowie aus allen Politikbereichen der EU und aus internationalen Übereinkünften der EU ausscheiden. Der freie Personen-, Waren-, Dienstleistungs- und Kapitalverkehr zwischen dem VK und der EU wird enden. Die EU und das VK werden zwei getrennte Märkte bilden: zwei verschiedene Regulierungs- und Rechtsräume. Damit entstehen Hindernisse für den Handel mit Waren und Dienstleistungen sowie für die grenzüberschreitende Mobilität und den grenzüberschreitenden Austausch, die es bislang – in beide Richtungen – nicht gibt.

Das bisherige Austrittsabkommen

Das Austrittsabkommen bleibt grundsätzlich in Kraft. Die vollständige und zeitnahe Umsetzung dieses Abkommens war eine Priorität der EU. Insbesondere das – im Austrittsabkommen niedergelegte –Protokoll zu Irland und Nordirland – soll ab dem 01.01.2021 umgesetzt werden.

Die nächsten Schritte

Das VK unterhält als ehemaliger Mitgliedstaat in einer Vielzahl wirtschaftlicher und anderer Bereiche umfangreiche Verbindungen zur Union. Wenn es nach dem 31.12.2020 keinen geltenden Rahmen für die Beziehungen zwischen der EU und dem VK gibt, werden diese Beziehungen zum Nachteil von Einzelpersonen, Unternehmen und anderen Interessenträgern erheblich gestört. Die Verhandlungen konnten erst kurz vor Ablauf des Übergangszeitraums abgeschlossen werden. Dieser späte Abschluss soll jedoch die demokratische Kontrolle, die das Europäische Parlament im Einklang mit den Verträgen auszuüben hat, nicht gefährden. Angesichts dieser außergewöhnlichen Umstände schlägt die EU-KOM daher vor, das Abkommen für einen begrenzten Zeitraum bis zum 28.02.2021 vorläufig anzuwenden. Die EU-KOM will rasch Vorschläge für Beschlüsse des Rates über die Unterzeichnung und vorläufige Anwendung sowie über den Abschluss des Abkommens vorlegen. Der Rat soll dann einstimmig mit allen 27 Mitgliedstaaten einen Beschluss erlassen, mit dem die Unterzeichnung des Abkommens und seine vorläufige Anwendung ab dem 01.01.2021 genehmigt werden. Sobald dieser Prozess abgeschlossen ist, kann das Handels- und Kooperationsabkommen zwischen der EU und dem Vereinigten Königreich förmlich unterzeichnet werden. Schließlich soll das Europäische Parlament um seine Zustimmung zu diesem Abkommen ersucht werden. Als letzten Schritt auf Seiten der EU muss der Rat den Beschluss über den Abschluss des Abkommens annehmen.

Links

Abkommensentwurf im vollständigen Wortlaut

Pressemitteilung der EU-Kommission vom 24.12.2020

Quelle

Europäische Kommission

 

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