Einschränkung der Steuerbefreiung grenzüberschreitender Beförderungen gem. § 4 Nr- 3 Buchst. a UStG aufgrund des EuGH-Urt. C-288/16

Anmerkung zu: BMF-Schr. v. 06.02.2020

Praxisproblem

Der EuGH hatte mit Urteil v. 29.06.2017, C-288/16, L.C., entschieden, dass die in Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL enthaltene Steuerbefreiung grenzüberschreitender Beförderungen im Zusammenhang mit Ausfuhren oder Einfuhren nicht zur Anwendung kommt, wenn die Beförderungsleistung nicht unmittelbar an den Versender oder den Empfänger der Ausfuhrgegenstände erbracht wird. In dem entschiedenen Fall war ein Frachtführer als Subunternehmer von einem Hauptfrachtführer mit der tatsächlichen Durchführung eines Transitfrachttransports vom Hafen Riga nach Weißrussland (aus Sicht Lettlands also in das Drittlandsgebiet) beauftragt worden. Der Subunternehmer übernahm bei den Transportleistungen die Lenkung des Transportmittels, die Reparaturen, die Betankung, die Zollformalitäten an den Grenzübergangsstellen, die Überwachung der Fracht, die Übergabe an den Empfänger und die notwendigen Be- und Entladearbeiten. Er hatte mangels entsprechender Lizenzen aber keinen Frachtführerstatus nach lettischem Recht. Die lettische Finanzbehörde hatte dem Subunternehmer die Steuerbefreiung für die von ihm durchgeführten Beförderungsleistungen versagt, weil keine Rechtsbeziehung zwischen ihm und dem Absender oder Empfänger der Warenladung bestehe und er mangels entsprechender Lizenz nicht als Frachtführer i. S. d. lettischen Güterkraftverkehrsgesetzes angesehen werden könne. Der EuGH hatte die Versagung der Steuerbefreiung bestätigt. Aus dem Wortlaut und dem Zweck des Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL, eine Besteuerung am Bestimmungsort sicherzustellen, ergebe sich, dass ein unmittelbarer Zusammenhang nicht nur  voraussetzt, dass die betreffenden Dienstleistungen ihrem Gegenstand nach zur tatsächlichen Durchführung einer Ausfuhr oder Einfuhr beitragen, sondern auch, dass diese Dienstleistungen unmittelbar an – je nachdem – den Ausführer, den Einführer oder den Empfänger der Gegenstände, auf die sich diese Bestimmung bezieht, erbracht werden.

Entscheidung

Die Verwaltung hat sich mit BMF-Schreiben v. 06.02.2020 zur Anwendung der EuGH-Rechtsprechung geäußert und folgt dieser Rechtsauffassung. Die Steuerbefreiung für Beförderungsleistungen i. R. d. grenzüberschreitenden Güterbeförderung kommt demnach nur noch dann in Betracht, wenn der Frachtführer diese unmittelbar an den Absender oder den Empfänger der Gegenstände erbringt. Leistungen eines Frachtführers als Subunternehmer sind z. B. auch dann nicht mehr nach § 4 Nr. 3 Buchst. a UStG steuerfrei, wenn die Leistung des Subunternehmers tatsächl. in einer Beförderung von Ausfuhrgegenständen in das Drittlandsgebiet besteht.

Praxishinweis

Aufgrund der geänderten Verwaltungsauffassung müssen sich Subunternehmer im Speditionsgewerbe bei grenzüberschreitenden Güterbeförderungen im Zusammenhang mit Ausfuhren und Einfuhren umstellen. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 Buchst. a UStG für steuerbare Güterbeförderungen eines sog. Unterfrachtführers an den Hauptfrachtführer kommt nicht mehr in Betracht, denn der Unterfrachtführer erbringt seine Dienstleistung an den Hauptfrachtführer und damit nicht unmittelbar an den Versender oder Empfänger der beförderten Gegenstände. Solche Leistungen an andere Auftraggeber als die Einführer oder Ausführer bzw. bei Ausfuhren an die Erwerber der Gegenstände sind künftig steuerpflichtig. Für vor dem 01.07.2020 erbrachte Umsätze gilt aber eine Übergangsregelung. Danach beanstandet die Finanzverwaltung es nicht, wenn solche Umsätze noch steuerfrei abgerechnet werden.

Für Beurteilung der Leistung des Hauptfrachtführers haben sich keine Änderungen ergeben.

Zu Frage der Steuerbefreiung bei Leistungen im Bereich des Be- und Entladens eines Seeschiffes auf einer vorgehenden Stufe hat sich die Verwaltungsauffassung nicht geändert. Hier gilt nach wie vor Abschn. 8.1 Abs. 1 Sätze 4 und 5 UStAE. Danach können Dienstleistungen im Bereich des Beladens und Entladens eines Seeschiffes steuerfrei sein, wenn sie nicht unmittelbar an den Betreiber eines Seeschiffes, sondern auf einer vorhergehenden Stufe erbracht werden, wie etwa eine von einem Unterauftragnehmer an einen Auftraggeber erbrachte Be- oder Entladeleistung, die dieser dann einem Speditions- oder Transportunternehmen weiterberechnet. Auch können Be- und Entladedienstleistungen steuerfrei sein, die an den Verfügungsberechtigten der Schiffsladung, etwa deren Ausführer oder Einführer, erbracht werden.

Es könnten Restzweifel bestehen, ob die geänderte Verwaltungsauffassung, wonach grds. alle Leistungen eines Unterfrachtführers an en Hauptfrachtführer steuerpflichtig sind, dem vom EuGH entschiedenen Fall gerecht wird. Die Steuerbefreiung für grenzüberschreitende Beförderungen im Zusammenhang mit Ausfuhren oder Einfuhren ist Teil des Konzepts des sog. Grenzausgleichs. Ware soll, auch bzgl. der Nebenkosten, steuerlich unbelastet in das Drittlandsgebiet gelangen. Dieses Prinzip ist spätestens dann durchbrochen, wenn ein Hauptfrachtführer (dessen grenzüberschreitende Beförderungsleistung zwar wiederum steuerfrei ist) von seinem Subunternehmer mit Umsatzsteuer belastet wird, die er nicht als Vorsteuer abziehen kann (z. B. weil er in einem Land ansässig ist, das nicht in der Positivliste der Gegenseitigkeit beim Vorsteuervergütungsverfahren aufgeführt ist). In diesem Fall wird der Hauptfrachtführer die nicht abziehbare Vorsteuer seinem Auftraggeber weiterbelasten. Dem EuGH-Urteil lag ein insoweit besonderer Fall zugrunde, als der Subunternehmer, der den Warentransort tatsächlich durchführte, dies mit Fahrzeugen seines Auftraggebers tat und selbst nicht über eine nach lettischem Recht erforderliche Lizenz als Frachtführer verfügte. Die lettische Finanzbehörde stützte die Ablehnung der Umsatzsteuerbefreiung nicht allein darauf, dass der Subunternehmer nicht selbst in Vertragsbeziehungen zum Ausführer der Ware stand, sondern auch darauf, dass der Subunternehmer mangels Lizenz nicht als Frachtführer angesehen werden könne und deshalb nicht zum Transport der Ware berechtigt gewesen sei. Auch der EuGH hat dies in seinem Urteil als zusätzliches Entscheidungsargument aufgegriffen. Da die Rechtsprechung des EuGH erfahrungsgemäß sehr einzelfallorientiert ist, kann nicht ausgeschlossen werden, dass auch die Besonderheiten des Streitfalls für die Entscheidung von Bedeutung waren. Jedenfalls handelte es sich nicht um den Standardfall von Leistungen eines Unterfrachtführers an einen Hauptfrachtführer.

 

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