Wertgrenze bei Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr

Anmerkung zu: BMF-Schr. v. 10.01.2020

Praxisproblem

Mit Gesetz v. 12.12.2019 (BGBl. I S. 2451) zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften wurde § 6 Abs. 3a UStG geändert. Danach gilt in Deutschland ab dem 01.01.2020, d. h. für Ausfuhrlieferungen nach dem 31.12.2019, erstmals (befristet) eine Wertgrenze für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr. D. h. nur noch Ausfuhrlieferungen ab einem Gesamtwert der Lieferung einschl. USt von 50,00 EUR sind steuerfrei, während unter dieser Grenze liegende Ausfuhrumsätze im nichtkommerziellen Reiseverkehr steuerpflichtig sind. Die Wertgrenze von 50,00 EUR soll zum Ende des Jahres wieder entfallen, in dem das bereits in Vorbereitung befindliche IT-Verfahren zur automatisierten Erteilung der Ausfuhr- und Abnehmerbescheinigungen in Deutschland in den Echtbetrieb geht.

Entscheidung

Die Verwaltung hat sich mit BMF-Schreiben zur Anwendung der Wertgrenze, die in der Praxis von großer Bedeutung zur Abgrenzung zwischen steuerfreien und steuerpflichtigen Ausfuhrlieferungen sein wird, geäußert:

Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr sind erst dann von der USt befreit, wenn der Gesamtwert der Lieferung einschl. USt 50,00 EUR übersteigt (Wertgrenze). Für die Feststellung, ob die Wertgrenze überschritten wurde, ist der Rechnungsbetrag maßgeblich (vgl. Art. 48 Satz 1 MwStVO).

Werden mehrere Gegenstände von ein und demselben Unternehmer an ein und denselben Abnehmer geliefert, darf der Gesamtwert der Lieferung nur dann zugrunde gelegt werden, wenn alle diese Gegenstände auf einer gemeinsamen Rechnung aufgeführt sind (vgl. Art. 48 Satz 2 MwStVO). Eine Zusammenfassung mehrerer einzelner Rechnungen, um dadurch die Wertgrenze von 50,00 EUR zu überschreiten, ist nicht zulässig.

Der Rechnungsbetrag kann neben dem Entgelt und dem auf das Entgelt entfallenden Steuerbetrag u. a. auch Kosten für Nebenleistungen (z. B. für Beförderung oder für Warenumschließungen) enthalten, die in die Ermittlung der Wertgrenze mit einzubeziehen sind (vgl. Abschn. 10.1 Abs. 3 UStAE).

Pfandgeld auf Warenumschließungen, das dem Abnehmer bei der Lieferung berechnet wird, ist grds. Teil des Entgelts für die Lieferung (Nebenleistungen zur Hauptleistung; vgl. Abschn. 3.10 Abs. 5a Satz 2 UStAE). Unabhängig davon, ob einzelne Liefergegenstände von der Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen ausgeschlossen sind (z. B. Gegenstände, die zur Ausrüstung oder Versorgung nichtunternehmerischer Beförderungsmittel bestimmt sind; § 6 Abs. 3 UStG), werden diese jedoch bei der Ermittlung der Wertgrenze berücksichtigt.

Bei nachträglichen Entgeltminderungen ist für die Beurteilung der Wertgrenze zu unterscheiden: Pfandrückgaben bleiben aus Vereinfachungsgründen unberücksichtigt. Nachträgliche Teilrückabwicklungen (etwa bei Reklamation, Umtausch gegen Barauszahlung) sind demgegenüber zu berücksichtigen.

Bei Einzweckgutscheinen i. S. d- § 3 Abs. 14 Satz 1 UStG kommt die Steuerbefreiung für Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr - unabhängig von der Überschreitung der Wertgrenze - nicht in Betracht (ruhende Lieferung). Die Ausgabe oder erstmalige Übertragung eines Mehrzweckgutscheins i. S. d. § 3 Abs. 15 Satz 1 UStG stellt keine umsatzsteuerbare Lieferung dar. Bei einem Mehrzweckgutschein gilt die Lieferung des Gegenstandes erst im Zeitpunkt der tatsächlichen Lieferung (= Einlösung) als erbracht.

Praxishinweis

Im Drittland ansässige Personen haben die Möglichkeit, gezahlte USt für Einkäufe in Deutschland von den jeweiligen Einzelhändlern erstattet zu bekommen, wenn sie die erworbenen Waren im nichtkommerziellen Reiseverkehr in ein Drittland ausführen. Voraussetzung hierfür ist u. a. die Vorlage eines Ausfuhrkassenzettels (AKZ), der von der Zollverwaltung bei der Ausreise des Käufers derzeit manuell erteilt wird. Hierbei prüft die Zollverwaltung, ob der Reisende im Drittland ansässig ist (Abnehmernachweis) sowie stichprobenweise, ob er die im AKZ aufgeführten Waren tatsächlich mit sich führt (Aus-fuhrnachweis).

Mit der Änderung des § 6 Abs. 3a UStG werden Ausfuhrlieferungen im nichtkommerziellen Reiseverkehr in Deutschland seit 01.01.2020 (eine solche Wertgrenze kannte Deutschland bisher anders als viele andere EU-Mitgliedstaaten nicht) erst ab einem Rechnungsbetrag über 50,00 EUR freigestellt.

Beispiel

Ein Schweizer Bürger S kauft in Singen in einem Supermarkt Waren (Lebensmittel, Non-Food-Artikel außer Ausrüstungs- und Versorgungsgegenstände für Beförderungsmittel) für 120,00 EUR (die auf einer Rechnung aufgeführt sind) und an einem Kiosk noch Waren (Zeitungen, Tabak) mit einem Rechnungsbetrag von 45,00 EUR. Die Ausfuhr der im Supermarkt eingekauften Waren ist steuerfrei (die Wertgrenze von 50,00 EUR ist überschritten). Die Ausfuhr der am Kiosk eingekauften Waren ist steuerpflichtig, da insoweit die Wertgrenze nicht überschritten ist. Hätte S auch die am Kiosk erworbenen Waren im Supermarkt (zusammen mit den anderen dort erworbenen Waren) eingekauft, wären seine gesamten Ausgaben (145,00 EUR) umsatzsteuerlich entlastet.

Ein US-Amerikaner kauft auf dem Flughafen Frankfurt/M vor Antritt seines Fluges nach New York im Drogerie-Shop noch Parfum zum Endpreis 45,00 EUR ein und in einem Textilladen ein Poloshirt zum Endpreis von 120,00 EUR. Die Lieferung des Parfums an den Amerikaner ist umsatzsteuerpflichtig, da die Wertgrenze von 50,00 EUR unterschritten ist, die Lieferung des Poloshirts kann wie bisher als steuerfrei behandelt werden, wenn die entsprechenden Ausfuhrbeleg- und Buchnachweise geführt werden.

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