Änderung der Verwaltungsauffassung zur Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 a) UStG – restriktive Anwendung der Steuerbefreiung

Praxisproblem

Ab sofort gilt eine neue Rechtsauffassung der Finanzverwaltung in Sachen grenzüberschreitende Beförderungen. Die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 a) UStG wird nun restriktiver angewandt. Die Finanzverwaltung schließt sich der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs [EuGH] aus dem Urteil L.C. v. 29.06.2017, C-288/16, an. Nunmehr sind lediglich grenzüberschreitende Beförderungsleistungen, welche sich auf Ausfuhren oder Einfuhren beziehen, die unmittelbar an den Ausführer oder Einführer bewirkt werden, steuerfrei.

Sachverhalt

Der durch den EuGH entschiedene Fall weist folgenden Sachverhalt auf: Ein Logistikunternehmen verpflichtete sich, den Transitfrachttransport aus Lettland nach Weißrussland sicherzustellen. Für den tatsächlichen Transport beauftragte das Logistikunternehmen einen Subunternehmer. Dieser Subunternehmer übernahm bei Erbringung der Transportleistungen u. a. die Lenkung der Fahrzeuge sowie die Zollformalitäten an den Grenzübergangsstellen, die Überwachung der Fracht und die Übergabe an den Empfänger.

Der Subunternehmer wandte die Steuerbefreiung nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL an, wonach Beförderungsleistungen von der Steuer befreit sind, sofern sie in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Ausfuhr oder der Einfuhr von Gegenständen stehen.

Aufgrund einer Steuerprüfung beanstandete die Steuerverwaltung die Anwendung der Steuerbefreiung nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL. Nach erfolglosem Einspruch gegen den geänderten Bescheid erhob der Subunternehmer daraufhin Klage gegen diese Entscheidung.

Das Bezirksverwaltungsgericht wies die Klage ab und das Regionale Oberverwaltungsgericht wies die Klage ebenfalls teilweise zurück. Mangels Rechtsbeziehung zwischen dem Versender oder dem Empfänger der Waren und dem Subunternehmer sowie mangels entsprechender Lizenz nach dem lettischen Güterkraftverkehrsgesetz könne der Subunternehmer nicht als Frachtführer angesehen und somit die Steuerbefreiung nach Art. 146 Abs. 1 Buchst. e MwStSystRL nicht in Anspruch genommen werden.

Daraufhin legte der Subunternehmer Beschwerde bei dem Obersten Gerichtshof ein. Das oberste nationale Gericht beschloss das Verfahren zur Vorabentscheidung dem EuGH vorzulegen.

Entscheidung

Mit dem Urteil L.C. v. 29.06.2017, C-288/16, setzte der EuGH auf europäischer Ebene fest, dass die Steuerbefreiung auf grenzüberschreitende Beförderungen im Zusammenhang mit Ausfuhren oder Einfuhren nicht zur Anwendung kommt, wenn die Beförderungsleistung nicht unmittelbar an den Versender oder dem Empfänger erbracht wird.
Nach dem Wortlaut und dem Zweck der Norm setzt ein unmittelbarer Zusammenhang nicht nur voraus, dass die betreffenden Dienstleistungen ihrem Gegenstand zur tatsächlichen Durchführung einer Ausfuhr oder Einfuhr beitragen, sondern auch, dass diese Dienstleistungen unmittelbar an den Ausführer, den Einführer oder dem Empfänger der Gegenstände erbracht werden.

Ansicht der deutschen Finanzverwaltung

Mit der Änderung des Umsatzsteueranwendungserlasses (UStAE) durch das BMF-Schreiben v. 06.02.2020 schließt sich die Finanzverwaltung der Ansicht des EuGH an.
Nunmehr kommt die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 a) UStG auf grenzüberschreitende Beförderungsleistungen nur noch dann in Betracht, wenn der Frachtführer diese unmittelbar an den Absender oder Empfänger der Gegenstände erbringt. Dem Wortlaut der Unmittelbarkeit wird eine große Bedeutung zugeteilt.

Leistungen eines Frachtführers als Subunternehmer sind z. B. auch dann nicht mehr nach § 4 Nr. 3 a) UStG steuerfrei, wenn die Leistung des Subunternehmers tatsächl. in einer Beförderung von Ausfuhrgegenständen in das Drittlandsgebiet besteht. Das Gleiche gilt bei grenzüberschreitenden Beförderungen von Einfuhrgegenständen.

Praxisbeispiele

Beispiel zur Ausfuhr (§ 4 Nr. 3 a) aa) UStG)

Der Unternehmer U beauftragt den Frachtführer F1, Güter von Mainz nach Istanbul (Türkei) zu befördern. F1 beauftragt seinerseits wiederum den Unterfrachtführer F2 mit der Beförderung der Güter von Deutschland in die Türkei.

F1 erbringt an den U eine in Deutschland steuerbare sonstige Leistung, § 3a Abs. 2 UStG. Es liegt eine grenzüberschreitende Beförderung von Gegenständen vor, welche sich unmittelbar auf Gegenstände der Ausfuhr bezieht. Die Unmittelbarkeit ist gegeben, weil diese sonstige Dienstleistung direkt an den Ausführer U erbracht wird. Somit ist diese sonstige Leistung gem. § 4 Nr. 3 a) aa) UStG auch steuerfrei.

F2 erbringt an den F1 eine in Deutschland steuerbare sonstige Leistung, § 3a Abs. 2 UStG. Mangels direkter Ausführung des F2 an einen Ausführer [hier: U] fehlt es an der Unmittelbarkeit, sodass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 a) aa) UStG nicht gegeben sind. Die sonstige Leistung ist damit steuerpflichtig.

Beispiel zur Einfuhr (§ 4 Nr. 3 a) bb) UStG)

Der Unternehmer U beauftragt den Frachtführer F1, Güter von Norwegen nach Berlin zu transportieren. F1 beauftragt seinerseits wiederum den Unterfrachtführer F2 mit der Beförderung der Güter von Norwegen nach Deutschland. Die Gegenstände werden in Schweden durch den F2 in das Gemeinschaftsgebiet eingeführt und dort zollrechtlich abgefertigt. Bei der Bemessungsgrundlage für die EUSt wurde die Beförderungsleistung bis Berlin mit berücksichtigt.

F1 erbringt an den U eine in Deutschland steuerbare sonstige Leistung, § 3a Abs. 2 UStG. Es liegt eine grenzüberschreitende Beförderung von Gegenständen vor, welche sich unmittelbar auf Gegenstände der Einfuhr in das Gebiet eines Mitgliedstaates der EU [hier: Deutschland] bezieht. Die Unmittelbarkeit ist gegeben, weil diese Dienstleistung direkt an den Einführer U erbracht wird und die Kosten auch mit in der Bemessungsgrundlage der EUSt enthalten sind.

F2 erbringt an den F1 eine in Deutschland steuerbare sonstige Leistung, § 3a Abs. 2 UStG. Mangels direkter Ausführung des F2 an einen Einführer [hier: U] fehlt es an der Unmittelbarkeit, sodass die Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 3 a) bb) UStG nicht gegeben sind.

Praxishinweis

Insbes. Subunternehmer im Speditionsgewerbe müssen sich aufgrund der geänderten Verwaltungsauffassung bei grenzüberschreitenden Güterbeförderungen im Zusammenhang mit Ausfuhren und Einfuhren umstellen.

Wie oben in den Beispielen verdeutlicht, greift für die Beförderungsleistungen eines Unterfrachtführers nun nicht mehr die Steuerbefreiung grenzüberschreitender Beförderungen nach § 4 Nr. 3 a) UStG. Vielmehr schließt sich die Auffassung der Finanzverwaltung der Entscheidung des EuGH an und bewertet jene grenzüberschreitenden Beförderungen als steuerpflichtige sonstige Leistungen.

Die neue Verwaltungsauffassung ist grds. auf alle offenen Fälle anzuwenden. Für vor dem 01.07.2020 ausgeführte Umsätze wird es jedoch nicht beanstandet, wenn die bisher geltende Rechtslage angewendet wird.

 

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