Muss der Vorsteuererstattungsanspruch verzinst werden? – EuGH Vorlage

Anmerkung zu dem beim EuGH anhängigen Verfahren C-844/19 (CS)

Praxisproblem

Bei dem österreichischen Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH geht es im Wesentlichen um die Frage, ob und unter welchen Bedingungen Verzugszinsen für eine verspätete Auszahlung eines Umsatzsteuerguthabens durch die Finanzbehörde zu zahlen sind.

Sachverhalt

Dem Vorlagebeschluss liegen zwei Streitsachen zugrunde. Gemeinsam ist den Sachverhalten, dass das österreichische Abgabenrecht keine allgemeine Regelung betreffend die Verzinsung von Abgabenschulden enthält. Die erste Rs. betrifft die verspätete Erstattung eines Vorsteuerüberhangs. Der in Österreich ansässige Kläger machte in seiner Umsatzsteuer-Voranmeldung einen Vorsteuerüberschuss geltend. Das FA setzte aufgrund anderer Rechtsauffassung in Bezug auf den Vorsteueranspruch den verbleibenden Vorsteuerüberschuss geringer fest. Die hiergegen gerichtete Klage des Steuerpflichtigen hatte Erfolg. Daraufhin wurde die Umsatzsteuerfestsetzung wie ursprünglich begehrt geändert. Im Anschluss beantragte der Kläger aufgrund der sich verzögerten Auszahlung des Vorsteuerüberschusses durch das FA die Zahlung von (Verzugs-)Zinsen. Das FA lehnte dies mangels Existenz einer nationalen Regelung bzgl. der Verzinsung von Umsatzsteuerforderungen ab. Der Kläger ist der Auffassung, dass ihm das Unionsrecht unmittelbar einen Anspruch auf Verzugszinsen aus dem Vorsteuerguthaben einräume. Die hiergegen gerichtete Klage hatte in erster Instanz keinen Erfolg.

In der zweiten Rs. geht es nicht um einen Vorsteuerüberhang, sondern um eine Umsatzsteuerforderung des Steuerpflichtigen gegenüber dem FA, die sich aus einer Entgeltsminderung ergeben hat. Die mitbeteiligte Partei ist eine in Deutschland ansässige GmbH, die aufgrund einer nachträglich eingetretenen Uneinbringlichkeit von Kaufpreisforderungen eine Minderung des Entgelts geltend machte, die zu einem Umsatzsteuerguthaben führte. Das FA erkannte die Minderung zunächst nicht an. Erst nach erfolgreichem Klageverfahren wurde das Guthaben der GmbH gutgeschrieben. Im Anschluss beantragte die GmbH unter Verweis auf die Entscheidungen des EuGH (u. a. EuGH v. 19.07.2012, C-591/10, Littlewoods Retail Ltd) ebenfalls die Zahlung von (Verzugs-)Zinsen. Das FA lehnte dies mangels Existenz einer nationalen Zinsnorm ab.

Praxishinweis

Das Vorlagegericht hat Zweifel, ob das Unionsrecht eine unmittelbar anwendbare Regelung enthält, auf welche sich der Steuerpflichtige berufen kann, um Verzugszinsen zu erhalten. Es hat dem EuGH die nachfolgenden Fragen zur Vorabentscheidung gestellt:

  1. Ergibt sich aus dem Unionsrecht eine unmittelbar anwendbare Regelung, die einem Steuerpflichtigen, dem das FA in einer Situation, wie sie in den Ausgangsverfahren vorliegt, nicht rechtzeitig ein Umsatzsteuerguthaben erstattet, einen Anspruch auf Verzugszinsen einräumt, sodass er diesen Anspruch beim FA bzw. bei den Verwaltungsgerichten geltend machen kann, obwohl das nationale Recht eine solche Zinsenregelung nicht vorsieht? Für den Fall der Bejahung der 1. Vorlagefrage:
  2. Ist es auch im Falle der durch eine nachträgliche Entgeltminderung nach Art. 90 Abs. 1 der MwStSystRL entstandenen Umsatzsteuerforderung des Steuerpflichtigen zulässig, dass die Verzinsung erst nach Ablauf eines angemessenen Zeitraumes, der dem FA zur Überprüfung der Richtigkeit des vom Steuerpflichtigen geltend gemachten Anspruches zur Verfügung steht, beginnt?
  3. Hat der Umstand, dass das nationale Recht eines Mitgliedstaats keine Verzinsungsregelung für die verspätete Gutschrift von Umsatzsteuerguthaben enthält, zur Folge, dass von den nationalen Gerichten bei der Bemessung der Zinsen die in Art. 27 Abs. 2 zweiter Unterabsatz der RL 2008/9/EG angeordnete Rechtsfolge auch dann zur Anwendung zu bringen ist, wenn die Ausgangsverfahren nicht in den Anwendungsbereich dieser Richtlinie fallen?

Das deutsche Recht ist von dem Verfahren grds. betroffen. In der Praxis werden vielfach derartige Sachverhalte verwirklicht. Zuden sieht das deutsche Recht in § 233a AO – im Gegensatz zu Österreich – zwar eine allgemeine Regelung betreffend die Verzinsung von Abgabenschulden vor. Sollte der EuGH eine solche jedoch bereits unmittelbar aus dem Unionsrecht ableiten, stellt sich die Frage nach dem Rangverhältnis und den verschiedenen Anwendungsbereichen der Anspruchsnormen. Zudem wäre auch der Beginn des Zinslaufs interessant. Auch unter dem Gesichtspunkt der derzeitigen Diskussion um die Höhe der Verzinsung (Zinssatz) nach § 233a AO (Angemessenheit der 6 %-Verzinsung) könnte das EuGH-Urteil von Bedeutung sein.

Sollten Sie derartige Sachverhalte oder Verfahren haben, so unterstützt das USt Team der AWB Sie gern dabei diese Entscheidung des EuGH in die Planungen einzubeziehen und nach Entscheidung des EuGH zu einer dann (hoffentlich) für die günstigen Umsetzung zu bringen.

 

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