Organschaft vs. Betriebsstätte – EuGH zu Leistungen an ausländische Zweigniederlassungen befragt

Anmerkung zu dem beim EuGH anhängigen Verfahren C-812/19 (Danske Bank A/S, Dänemark, Zweigniederlassung Schweden, ABl. EU 2020 Nr. C 19/33)

Praxisproblem

Bei dem schwedischen Vorabentscheidungsersuchen an den EuGH geht es um das Spannungsfeld zwischen dem Grundsatz der Unternehmenseinheit und den Auswirkungen der Zugehörigkeit zu einer Organschaft. Im Kern geht es um die Besteuerung von Dienstleistungen, die eine zu einer Organschaft gehörende Hauptniederlassung einer Gesellschaft in einem Mitgliedstaat zugunsten ihrer in einem anderen Mitgliedstaat gelegenen Zweigniederlassung erbringt. Fraglich ist, ob auch auf eine solche Konstellation die vom EuGH in seinem Urteil in der Rs. C-7/13, Skandia America, aufgestellten Grundsätze anzuwenden sind.

Sachverhalt

Die Klägerin ist ein Finanzinstitut mit Hauptsitz in Dänemark. Dieser ist Teil einer dänischen Organschaft. In Schweden unterhält sie zudem eine Zweigniederlassung, die dort jedoch nicht Teil einer Organschaft ist. Zur Ausübung ihrer Tätigkeit in nordeuropäischen Ländern verwendet die Klägerin für alle Zweigniederlassungen eine in weiten Teilen identische IT-Plattform. Die auf die Nutzung dieser IT-Plattform durch die schwedische Zweigniederlassung entfallenden Kosten rechnet die Hauptniederlassung gegenüber dieser ab.

Vor diesem Hintergrund beantragte die Klägerin bei der schwedischen Finanzverwaltung einen Vorabentscheid (eine Art verbindliche Auskunft). Dabei wollte sie u. a. wissen, ob der Umstand, dass die Klägerin in Dänemark einer Organschaft angehört, zur Folge hat, dass diese Organschaft im Verhältnis zur schwedischen Zweigniederlassung als eigenständiger Steuerpflichtiger zu betrachten ist.

Die schwedische Finanzverwaltung vertrat hierzu die Auffassung, dass die dänische Organschaft und die schwedische Zweigniederlassung als zwei getrennte Unternehmer anzusehen seien. Hiergegen wendete sich die Klägerin und beantragte, gerichtl. festzustellen, dass die Zweigniederlassung und die Hauptniederlassung ein Unternehmer sind und somit die der Zweigniederlassung zugerechneten Kosten für die Nutzung der IT-Plattform nicht als Gegenleistung für einen Umsatz i. S. d. MwStSystRL zu betrachten seien. Zur Begründung führt sie aus, dass die Zweigniederlassung die mit ihrer Tätigkeit verbundenen wirtschaftl. Risiken nicht selbst trage und von der Hauptniederlassung abhängig sei. Folglich sei die Zweigniederlassung mangels Selbstständigkeit nicht als eigenständiger Unternehmer anzusehen. Auch der Umstand, dass die Hauptniederlassung Mitglied einer dänischen Organschaft ist, sei hierbei unerheblich. Eine Trennung der Zweigniederlassung von der Hauptniederlassung käme nur dann in Betracht, wenn die Zweigniederlassung selbst Mitglied einer schwedischen Organschaft wäre.

Praxishinweis

Das Vorlagegericht will vom EuGH wissen, ob die schwedische Zweigniederlassung einer Bank mit Hauptniederlassung in einem anderen Mitgliedsstaat als eigenständiger Unternehmer anzusehen ist, wenn die Hauptniederlassung zugunsten der Zweigniederlassung Dienstleistungen erbringt und die Hauptniederlassung in dem anderen Mitgliedsstaat einer Organschaft angehört, während die schwedische Zweigniederlassung nicht Teil einer schwedischen Organschaft ist.

Fraglich ist aus Sicht des vorlegenden Gerichts im Wesentlichen, ob auf einen Sachverhalt, wie er dem Vorabentscheidungsersuchen zu Grunde liegt, die vom EuGH in seinem Urteil in der Rs. C-7/13, Skandia America, aufgestellten Grundsätze anwendbar sind. In diesem Urteil hatte der EuGH seine Grundsatzentscheidung in der Rs. C-201/04, FCE Bank, zu Nichtsteuerbarkeit von Dienstleistungen zwischen Hauptsitz und Zweigniederlassung dahingehend eingeschränkt, dass eine im Drittland gelegene Hauptniederlassung und eine in einem Mitgliedsstaat gelegene Zweigniederlassung, die dort Mitglied einer Organschaft ist, nicht als ein Unternehmer anzusehen sind und daher Leistungen zwischen diesen beiden keine Innenumsätze i. S. d. Urt. FCE-Bank darstellen.

Das deutsche Recht ist von dem vorliegenden Verfahren erheblich betroffen. Von der in Art. 11 MwStSystRL enthaltenen Möglichkeit, im Inland ansässige Personen, die zwar rechtl. unabhängig, aber durch gegenseitige finanzielle, wirtschaftliche und organisatorische Beziehungen eng miteinander verbunden sind, zusammen als einen Steuerpflichtigen zu behandeln, hat Deutschland in § 2 Abs. 2 Nr. 2 UStG (Umsatzsteuerliche Organschaft) Gebrauch gemacht. Nach Abschn. 2.9 Abs. 2 UStAE bleibt nach Ansicht der Finanzverwaltung der Begriff des Unternehmens (Steuerpflichtigen) jedoch von der Beschränkung der Organschaft auf das Inland grds. unberührt. Daher sind grenzüberschreitende Leistungen innerhalb des Unternehmens, insbes. zwischen dem Unternehmer, z. B. Organträger oder Organgesellschaft, und seinen Betriebsstätten oder umgekehrt, nicht steuerbare Innenumsätze.

Zwar war den Verbänden Mitte 2018 der Entwurf eines BMF-Schreibens zur Umsetzung des EuGH-Urteils i. d. S. C-7/13 zugesandt worden (vgl. z. B. www.dstv.de/interessenvertretung/steuern/stellungnahmen-steuern/2018-s11-entwurf-bmf-schreiben-umsetzung-eugh-rs-skandia-america oder www.bstbk.de/export/sites/standard/de/ressourcen/Dokumente/04_presse/stellungnahmen/2018/2018-09-17_Stellungn._BMF_Skandia_America_ex.pdf).

Danach sollten die Grundsätze dieses Urteils nur auf Fälle anzuwenden sein, in denen der Sachverhalt dem des Urteils entspricht, nämlich sofern Leistungen zwischen einer Hauptniederlassung in einem Drittland und ihrer Betriebsstätte, die in einem Mitgliedstaat einer Mehrwertsteuergruppe angehört, ausgetauscht werden. Bisher hat die deutsche Finanzverwaltung aus dem Urteil des EuGH in der Rs. C-7/13, Skandia America, aber noch keine endgültigen Konsequenzen gezogen. Vor diesem Hintergrund kann das EuGH-Urteil mit Spannung erwartet werden.

Betroffene Unternehmen sollten die Entscheidung genau beobachten. Es kann erhebliche Auswirkungen haben, wenn die Betriebsstätte (umsatzsteuerlich feste Niederlassung) nicht mehr zum Stammhaus als ein Unternehmen gilt. Insbesondere in Branchen, in denen die Vorsteuerabzugsberechtigung aufgrund steuerfreier Ausgangsumsätze eingeschränkt oder versagt ist, sollte diesbezüglich bereits die Handlungsbedarf eruiert werden. Bleibt der EuGH bei seiner bisherigen Rechtsprechung in der Rechtssache „Skandia America“, so wird auch die nationale Verwaltung die Unterscheidung Organkreis vs. Niederlassung aufnehmen und umsetzen müssen. Bei Bedarf steht Ihnen das USt Team der AWB gern mit Rat und Tat zur Seite.

 

 

 

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