Umsatzsteuerbarkeit der Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichtsrates

Anmerkung zu: BFH-Urt. V R 23/19

Praxisproblem

Der EuGH hatte mit Urteil v. 13.06.2019, C-420/18 (IO), in einem niederländischen Verfahren entschieden, dass eine Aufsichtsratstätigkeit in einer Stiftung nach den dort geltenden Bestimmungen keine selbständige Tätigkeit (und damit keine unternehmerische Tätigkeit) i. S. d. MwStSystRL darstellt. Der BFH hatte in der Revisionssache V R 23/19 ebenfalls über die umsatzsteuerliche Behandlung der Tätigkeit als Mitglied eines Aufsichtsrats zu befinden.

Sachverhalt

Ein leitender Angestellter einer AG A (Kläger) war zugleich Aufsichtsratsmitglied bei einer Tochter-AG seines Arbeitgebers. Für die Aufsichtsratstätigkeit erhielt er eine jährliche Festvergütung und Kostenerstattung für entstandene Aufwendungen. Derartige hatte er nach seinem Anstellungsvertrag mit der AG A anzumelden und abzuführen.

Die Tochter-AG rechnete über die Vergütung für den Zeitraum 2013 im Wege der Gutschrift mit Steuerausweis gegenüber dem Kläger ab. Dieser widersprach später der Gutschrift und zahlte die USt an seinen Arbeitgeber (die AG A) zurück. Für die Zeiträume 2014 und 2015 rechnete die Tochter-AG per Gutschrift ohne Steuerausweis ab. Der Kläger erklärte die Vergütungen zunächst als dem Regelsteuersatz unterliegende Leistungen, bestritt danach allerdings deren Umsatzsteuerpflicht.

Entscheidung

Der BFH hat sich der Auffassung des EuGH unter Einschränkung seiner bisherigen Rechtsprechung dahingehend angeschlossen, dass er nunmehr die Unternehmereigenschaft des Aufsichtsratsmitglieds verneint, wenn das Mitglied kein wirtschaftliches Risiko trägt. Im vorliegenden Fall wirkte der Steuerpflichtige nur an den durch Beschluss des Aufsichtsrats zu treffenden Entscheidungen mit. Ein wirtschaftliches Risiko trug er aufgrund seiner vertraglich geregelten Festvergütung nicht. Auf die sich aus dem Arbeitsverhältnis zur AG ergebenden Abhängigkeit sowie Abführungsverpflichtung kommt es nach dem BFH-Urteil nicht an.

Der EuGH hatte in seiner Entscheidung die Wirtschaftlichkeit der Tätigkeit des Aufsichtsratsmitglieds zwar bejaht, da die Tätigkeit nachhaltig war und gegen ein Entgelt ausgeübt wurde. Die Prüfung der Selbständigkeit der Tätigkeit erfolgte im Rahmen eines zweistufigen Verfahrens. Im ersten Schritt prüfte der EuGH, ob das Mitglied des Aufsichtsrats weisungsgebunden ist und hinsichtl. der Arbeitsbedingungen ein Unterordnungsverhältnis besteht. Im zweiten Schritt untersuchte er, ob das Aufsichtsratsmitglied im eigenen Namen, für eigene Rechnung und in eigener Verantwortung handelt und dabei das wirtschaftliche Risiko für seine Tätigkeit trägt.

Praxishinweis

Inwiefern in anders gelagerten Fällen die Tätigkeit eines Mitglieds eines Aufsichtsrats weiterhin unternehmerisch ausgeübt wird, hat der BFH offen gelassen.

Beachtenswert ist, dass der BFH sich auch mit der Frage befasst hat, ob in dem ausgestellten Abrechnungsdokument für 2013 eine Rechnung über einen unberechtigten Steuerausweis i. S. d. § 14c Abs. 2 UStG vorliegen könnte. Dies verneint der BFH mit der Begründung, dass keine Rechnung im umsatzsteuerlichen Sinne vorlag, da die Regelung zur Gutschrift ausdrückl. die Abrechnung über die Leistung eines Unternehmers vorsieht (§ 14 Abs. 2 S. 2 UStG). Da aber das Aufsichtsratsmitglied hier kein Unternehmer war, konnte demzufolge auch keine Rechnung vorliegen. Die Frage, ob nicht doch eine Steuerschuld nach § 14c UStG in Betracht käme und es auf die konkrete Gefährdung im Einzelfall ankommt, musste der BFH im Hinblick auf den für ihn eindeutigen Wortlaut des § 14 Abs. 2 S. 2 UStG nicht entscheiden. Außerdem hat der BFH der Auffassung der Verwaltung in Abschn. 14.3. Abs. 1 Satz 2 UStAE, eine Gutschrift könne auch durch eine nichtunternehmerische juristische Person ausgestellt werden, ausdrücklich widersprochen.

Es bleibt abzuwarten, ob die Verwaltung jetzt ihre Auffassung hinsichtl. der Selbständigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds (Abschn. 2.2 Abs. 2 S. 7 UStAE) an die Rechtsprechung anpasst. Für die Beurteilung der Selbständigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds dürfte es in Zukunft auf die Ausgestaltung und die Begleitumstände der Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitglieds im Einzelfall ankommen.

Der BFH stellt für die Beurteilung der Selbständigkeit maßgeblich auf das „wirtschaftliche Risiko“ ab. Er hat die zweistufige Prüfung des EuGH dabei nicht angestellt. Ein wirtschaftliches Risiko könnte vor dem Hintergrund des BFH-Urteils zu verneinen sein, wenn eine Festvergütung an das Aufsichtsratsmitglied gezahlt wird, die keine variablen Vergütungsbestandteile enthält. Dies könnte auch der Fall sein, wenn die Vergütung unabhängig von der Teilnahme an Sitzungen des Aufsichtsrats, den tatsächl. geleisteten Arbeitsstunden usw. gezahlt wird. Für das Tragen eines wirtschaftlichen Risikos könnte sprechen, wenn teilnahmeabhängige Sitzungsgelder gezahlt werden sowie die in Deutschland mögliche persönliche Haftung von Aufsichtsratsmitgliedern.

Prüfen Sie die Abrechnungen Ihrer Aufsichtsräte auf Handlungsbedarf. Bei Fragen steht Ihnen die AWB gern beratend zur Verfügung.

 

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