Zur entgeltlichen Einräumung einer Berechtigung zum verbilligten Warenbezug (in Form einer „Mitgliedschaft“) in einer Bio-Supermarktkette

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 18.12.2019, XI R 21/18

Praxisproblem

Im Hinblick auf die MwSt ist jeder Umsatz in der Regel als eigene und selbständige Leistung zu betrachten. Unter bestimmten Umständen sind aber mehrere formal eigenständige Leistungen, die getrennt erbracht werden, im Rahmen einer Gesamtbetrachtung unter Berücksichtigung des wirtschaftlichen Zwecks dieses Umsatzes und des Interesses der Leistungsempfänger als einheitlicher Umsatz anzusehen. Ob im Fall eines Leistungsbündels umsatzsteuerrechtlich eine einheitliche Leistung vorliegt oder ob mehrere, getrennt zu beurteilende Leistungen gegeben sind, ist Ergebnis einer Tatsachenbeurteilung. Steuerbar ist ein Umsatz, wenn zwischen dem Leistenden und dem Leistungsempfänger ein Rechtsverhältnis besteht, in dessen Rahmen gegenseitige Leistungen ausgetauscht werden. Dabei wird eine Leistung dann "gegen Entgelt" erbracht, wenn zwischen der erbrachten Leistung und dem erhaltenen Entgelt ein unmittelbarer Zusammenhang besteht, wobei die vom Leistenden empfangene Vergütung den tatsächlichen Gegenwert für die dem Leistungsempfänger erbrachte bestimmbare Leistung bildet. Unter diesen Voraussetzungen war im Ausgangsverfahren fraglich, wie sog. Mitgliedsbeiträge umsatzsteuerrechtlich zu behandeln sind, die Kunden einer Bio-Supermarktkette zahlen, um dafür einen verbilligten Wareneinkauf tätigen zu können.

Sachverhalt

Kunden konnten in den Märkten der Supermarktkette entweder zum Normalpreis einkaufen oder aber betraglich unbeschränkte verbilligte Einkäufe als "Mitglied" tätigen. Im Jahr 2010 (Streitjahr) warb die Supermarktkette außerdem damit, dass "Mitglieder" Rabatte zwischen 3 % und 20 % bei bestimmten Partnern erhielten. Für die "Mitgliedschaft" zahlten die Kunden eine einmalige Kaution, die sie bei Beendigung der "Mitgliedschaft" zurückerhalten sollten und einen monatlichen festen Mitgliedsbeitrag. Die Mitglieder erhielten einen personalisierten Mitgliedsausweis. Die Supermarktkette sah die Mitgliedsbeiträge als Entgelt für eine steuerbare Nebenleistung zu den Warenverkäufen an. Da ihre Warenlieferungen zu über 80 % dem ermäßigten Steuersatz unterlagen, teilte sie die Beiträge im Verhältnis der Nettoumsätze aus Warenverkäufen zu beiden Steuersätzen auf. Das FA war der Auffassung, dass die Mitgliedsbeiträge Gegenleistungen für eigenständige Leistungen seien, die in voller Höhe dem Regelsteuersatz unterlägen.

Entscheidung

Der BFH hat entschieden, dass die entgeltliche Einräumung einer Berechtigung zum verbilligten Warenbezug (in Form einer „Mitgliedschaft“) umsatzsteuerrechtlich eine eigene selbständige Leistung und nicht nur eine Nebenleistung zum späteren Warenverkauf darstellt. Auch wenn der Supermarkt Waren verkauft, die sowohl dem Regelsteuersatz (19 %) als auch dem ermäßigten Steuersatz (7 %) unterliegen, ist auf den Mitgliedsbeitrag der Regelsteuersatz anzuwenden. Soweit die Zahlung für die Bereitschaft der Klägerin gezahlt worden sei, Waren verbilligt zu liefern, habe die Supermarktkette eine selbständige Leistung erbracht, an der die Kunden ein gesondertes Interesse gehabt hätten. Ein monatlicher pauschaler Mitgliedsbeitrag sei insbesondere keine Anzahlung auf künftige Warenlieferungen, da das „Ob und Wie“ der künftigen Lieferungen bei Abschluss der „Mitgliedschaft“ nicht hinreichend bestimmt sei.

Praxishinweis

Der BFH hat die Einräumung der Rabattberechtigung und den späteren Wareneinkauf als jeweils selbständige Leistungen gewürdigt. Dabei hat er die Interessenlage der Kunden berücksichtigt. Zwar erwarb ein Kunde die "Mitgliedschaft" zwangsläufig in der Absicht, in unterschiedlichem Umfang bei der Supermarktkette einzukaufen. Allerdings haben die Kunden am Erwerb dieses Rechts ein gesondertes Interesse, da nur die Mitgliedschaft das Recht auf einen Rabatt einräumt. Die Mitgliedschaft ist insbesondere auch keine Zahlungsart für den Erwerb der in den Supermärkten angebotenen Gegenstände, da insofern keine "Anrechnung" auf den Preis erfolgt. Somit lag mit dem Mitgliedsbeitrag auch keine Anzahlung auf spätere Wareneinkäufe vor.

Der BFH ist mit seinem Urteil insbesondere auch dem EuGH-Urteil v. 05.07.2018, C-544/16, Marcandi Ltd, gefolgt. Hier ging es um einen Online-Händler, zu dessen Angebot u. a. eine Online-Plattform gehörte. Diese ermöglichte es registrierten Nutzern, an Online-Auktionen teilzunehmen, um Gebote für Waren abzugeben und diese zu einem Bruchteil ihres empfohlenen Verkaufspreises zu ersteigern. Außerdem ermöglichte die Plattform es den Nutzern, die „Guthaben“, die zur Teilnahme an den Auktionen erworben und in den Auktionen für unterlegene Gebote für Artikel verbraucht wurden, auf den Preis von Waren anrechnen zu lassen, die im Online-Shop des Unternehmers zum Verkauf angeboten wurden, um diese Waren zu reduzierten Preisen zu erwerben. Hier hat der EuGH entschieden, dass hinsichtlich der für die „Guthabenpunkte“ geleisteten Zahlung eine Gegenleistung für die Leistung vorlag, die in der Gewährung der Berechtigung zur Teilnahme an den von dem Online-Händler veranstalteten Auktionen bestand. Diese Leistung ist von der Lieferung eines von der Online-Plattform erworbenen Gegenstands zu unterscheiden. Die Zahlung für die Teilnahme an der Auktion erfolgte anders als der Kauf von „Punkte-Rechten“ in dem EuGH-Urteil v. 16.12.2010, C-270/09, MacDonald Resorts (wo die Zahlungen für den Kunden kein eigenständiges Ziel darstellten, da der Kunde den Ausgangsvertrag nicht in der Absicht schloss, Punkte zu sammeln, sondern im Hinblick auf die vorübergehende Nutzung einer Wohnanlage oder den Erhalt anderer, später auszuwählender Dienstleistungen) zwangsläufig in der Absicht, an den Auktionen teilzunehmen und sind somit steuerbares Leistungsentgelt für das Recht auf Teilnahme an der Auktion. Mit diesem Sachverhalt waren die Mitgliedsbeiträge im Ausgangsverfahren des BFH vergleichbar.

Keine Aussage hat der BFH zu anderen Rabatt-Modellen getroffen, bei denen z. B. der Mitgliedsbeitrag vom Umsatz des Kunden abhängt oder mit dem Kaufpreis der Waren verrechnet wird. Auch musste der BFH nicht entscheiden, ob der Fall anders zu beurteilen gewesen wäre, wenn sich der Rabatt nur auf Waren bezogen hätte, die dem ermäßigten Steuersatz von 7 % unterliegen.

 

Ihre Ansprechpartner