Umsatzsteuerrechtliche Beurteilung der Übernahme von Umzugskosten der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber

Anmerkung zu: BMF-Schr. v. 03.06.2020

Praxisproblem

Wendet der Unternehmer (Arbeitgeber) seinem Personal (seinen Arbeitnehmern) als Vergütung für geleistete Dienste neben dem Barlohn auch einen Sachlohn zu, bewirkt der Unternehmer mit dieser Sachzuwendung eine entgeltliche Leistung i. S. d. § 1 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 UStG, für die der Arbeitnehmer einen Teil seiner Arbeitsleistung als Gegenleistung aufwendet. Zuwendungen von Gegenständen (Sachzuwendungen) und sonstige Leistungen an das Personal für dessen privaten Bedarf sind nach § 3 Abs. 1b Satz 1 Nr. 2 und § 3 Abs. 9a UStG auch dann steuerbar, wenn sie unentgeltlich sind. Die Steuerbarkeit setzt voraus, dass Leistungen aus unternehmerischen (betrieblichen) Gründen für den privaten, außerhalb des Dienstverhältnisses liegenden Bedarf des Arbeitnehmers ausgeführt werden. Nicht steuerbare Leistungen, die überwiegend durch das betriebliche Interesse des Arbeitgebers veranlasst sind, liegen aber vor, wenn betrieblich veranlasste Maßnahmen zwar auch die Befriedigung eines privaten Bedarfs der Arbeitnehmer zur Folge haben, diese Folge aber durch die mit den Maßnahmen angestrebten betrieblichen Zwecke überlagert wird, wie z. B. die Überlassung von Arbeitsmitteln zur beruflichen Nutzung einschl. der Arbeitskleidung, wenn es sich um typische Berufskleidung, insbes. um Arbeitsschutzkleidung, handelt, deren private Nutzung so gut wie ausgeschlossen ist oder das das Zurverfügungstellen von Parkplätzen auf dem Betriebsgelände.

Der BFH hatte in der Revisionssache V R 18/18 über einen Fall zu entscheiden, der den Vorsteuerabzug aus der Übernahme von Umzugskosten für Angestellte eines international agierenden Konzerns betraf. Um die Zusammenarbeit zwischen den Gesellschaften der Gruppe zu unterstützen und zu verstärken sowie eine zentrale Führungsposition hinsichtl. der Gruppenstrategie und internen Richtlinien darzustellen, wurden erfahrene Mitarbeiter, die zuvor an anderen Standorten der Gruppe u. a. in Frankreich, Japan, Großbritannien, den Niederlanden, Österreich, Singapur und den USA beschäftigt waren, nach Frankfurt am Main versetzt. Den Mitarbeitern wurde schriftlich die Übernahme verschiedener durch den notwendigen Umzug vom Ausland nach Frankfurt entstehender Kosten zugesagt. Insbes. sollten sie bei der Suche nach einer Wohnung bzw. einem Haus unterstützt werden. Das Unternehmen zog die von den Immobilienmarklern in Rechnung gestellte Umsatzsteuer als Vorsteuer ab. Das FA beanstandete den Vorsteuerabzug nicht. Es erhöhte aber die Umsätze, weil die Übernahme der Umzugskosten arbeitsvertraglich vereinbart sei, weshalb es sich um einen tauschähnlichen Umsatz gehandelt habe bzw. sah in der Übernahme der Umzugskosten eine Leistung für den privaten Bedarf der Angestellten.

Entscheidung

Der BFH hatte mit Urteil v. 06.06.2019 die Revision des FA gegen das Urteil des FG Hessen als unbegründet zurückgewiesen. Wie schon das FG hat der BFH einen tauschähnlichen Umsatz verneint, weil es sich um eine einmalige Vorteilsgewährung handelte, um die Angestellten zu einem Umzug unter Inkaufnahme von erheblichen persönlichen Veränderungen zu veranlassen. Ein Zusammenhang mit der späteren Arbeitsleistung bestehe nicht, da die übernommenen Umzugskosten insbes. keinen Einfluss auf die Höhe des Gehalts hätten. Der BFH verweist auf seine bisherige Rechtsprechung sowie auf das EuGH-Urteil v. 16.10.1997, C-258/85, Fillibeck, wonach Leistungen, die aus Sicht des Arbeitnehmers dessen privaten Zwecken dienen, wie z. B. die Beförderung von der Wohnung zum Arbeitsplatz und die Abgabe von Mahlzeiten, ausnahmsweise im überwiegend unternehmerischen Interesse liegen können. In solchen Fällen entfällt die Versteuerung einer unentgeltlichen Wertabgabe und für den Unternehmer (Arbeitgeber) eröffnet sich die Möglichkeit eines Vorsteuerabzugs. Aus Sicht des BFH war das FG Hessen in Bezug auf die Übernahme der Umzugskosten in der vorliegenden Fallkonstellation zutreffend von einem Überwiegen der unternehmerischen Interessen gegenüber dem persönlichen Vorteil der Arbeitnehmer ausgegangen. Die vom FA vorgetragenen Argumente, wie z. B. ein starker Bezug zur persönlichen Lebensführung der Angestellten durch Umzug mit Familie, greifen aus Sicht des BFH nicht durch.

Die Verwaltung hat sich mit BMF-Schreiben v. 03.06.2020 der Auffassung des BFH angeschlossen, wonach Umzugskosten als von überwiegend betrieblichem Interesse gelten, sofern der Arbeitgeber den Arbeitnehmer beim Umzug bei einem Standortwechsel unterstützt. Danach ist nach der neuen Nr. 12 in Abschn. 1.8 Abs. 4 Satz 3 UStAE auch dann von nicht steuerbaren Leistungen, die überwiegend durch das betriebliche Interesse des Arbeitgebers veranlasst sind, auszugehen, wenn der Arbeitgeber Umzugskosten für die hiervon begünstigten Arbeitnehmer übernimmt, wenn die Kostenübernahme im ganz überwiegenden betrieblichen Interesse des Arbeitgebers liegt.

Praxishinweis

Möglicherweise können diese Grundsätze auch auf die Übernahme von Umzugskosten bei Neueinstellungen übertragen werden, denn auch hier hat der Arbeitgeber ein großes Interesse, wenn sich der Bewerber für den Arbeitgeber und einen Umzug an den Standort des Arbeitgebers entscheidet. Dies dürfte ungeachtet dessen der Fall sein, dass der BFH einen besonders gelagerten Einzelfall entschieden hat und man in dem BMF-Schreiben eigentlich auch nur auf diesen Fall abstellt. Das ist erkennbar im Vorspann des BMF-Schreibens, wo es heißt „Im entschiedenen Fall sollten durch eine einmalige Vorteilsgewährung die Voraussetzungen dafür geschaffen werden, dass Arbeitsleistungen erbracht werden können, ohne dass diese Vorteilsgewährung als Gegenleistung für die spätere Arbeitsleistung anzusehen ist“. Gleichwohl dürfte bei Neueinstellungen von Arbeitnehmern und der Übernahme deren Umzugskosten, die vom Sachverhalt dem des BFH-Falles ähnlich sind und wenn vergleichbar ganz besondere Umstände vorliegen, ebenfalls von der Nichtsteuerbarkeit der Kostenübernahme auszugehen sein.

Sollten Sie vergleichbare Fragestellungen haben, so hilft Ihnen das USt-Team der AWB gern weiter.

 

 

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