Zur Anwendbarkeit der Kleinunternehmerregelung auf die Vermietung eines im Inland belegenen Grundstücks mit EU-Auslandsansässigkeit des Vermieters

Anmerkung zu: BFH-Urt. v. 12.12.2019, V R 3/19

Praxisproblem

Nach § 19 Abs. 1 UStG ist die Steuer, die ein im Inland ansässiger Kleinunternehmer für seine steuerpflichtigen Umsätze schuldet, unter bestimmten Voraussetzungen nicht zu erheben (Kleinunternehmerregelung). Der EuGH hatte in der Rechtssache C-97/09, Schmelz, EuGH-Urteil v. 26.10.2010, Fragen zur Vereinbarkeit der unionsrechtlichen Sonderregelung für Kleinunternehmen mit dem unionsrechtlichen Primärrecht zu klären. In dem Verfahren wurde die Rechtmäßigkeit von Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL in Frage gestellt. Nach dieser Bestimmung ist die Anwendung der Sonderregelung für Kleinunternehmen unionsrechtlich zwingend auf im Inland ansässige Steuerpflichtige beschränkt. In der Rechtssache C-97/09 wohnte die Klägerin in Deutschland und vermietete eine in Österreich belegene Wohnung. Da sie aufgrund der jährlichen Mieteinnahmen der Auffassung war, nach österreichischem Recht sei sie als Kleinunternehmerin zu behandeln, hatte sie die Mieteinnahmen nicht der USt unterworfen. Das österreichische FA war der Ansicht, die Steuerbefreiung für Kleinunternehmer könne mangels eines Sitzes oder Wohnsitzes der Klägerin in Österreich nicht angewendet werden und setzte auf die Mieteinnahmen USt fest (die Vermietung von Wohnraum ist in Österreich steuerpflichtig zum ermäßigten Steuersatz).

Der EuGH hat entschieden, dass die Kleinunternehmerregelung in der MwStSystRL nicht gegen die genannten Grundfreiheiten verstößt und dass der Jahresumsatz sich auf den Umsatz im Mitgliedstaat der Kleinunternehmerregelung beschränkt. Es sei nicht zu erkennen, dass das Primärrecht der Union der Regelung des Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL entgegen steht. Die im konkreten Fall bestehende Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit der Klägerin (sie war im Gegensatz zu einem in Österreich ansässigen Unternehmer mit vergleichbaren Vermietungsumsätzen steuerpflichtig) sei gerechtfertigt durch die Notwendigkeit einer wirksamen Steueraufsicht und die Bekämpfung von Missbrauch. Im Übrigen würde eine Erhebung von Daten über Kleinunternehmen dem Sinn der Regelung (Verwaltungsvereinfachung für Kleinunternehmen und Steuerverwaltungen) widersprechen. Der EuGH hat sich in seinem Urteil aber nicht - im Gegensatz zu den Schlussanträgen der Generalanwältin - explizit zur Auslegung des Begriffs der Ansässigkeit in Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL geäußert. Anders als in den Schlussanträgen spielt die Auslegung dieses Begriffs keine Rolle für die Frage der Rechtfertigung einer Beschränkung der Dienstleistungsfreiheit. Nur im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung lässt der EuGH kurz erkennen, dass die Ansässigkeit wohl nicht allein durch Wohnungsvermietungsumsätze im Inland begründet wird.

Sachverhalt

Der BFH hatte in der Revisionssache V R 3/19 über den umgekehrten Fall zu entscheiden. Die Klägerin, eine italienische Staatsangehörige, lebte in den Streitjahren 2013 und 2014 in Italien. An einer Wohnung im Inland stand ihr ein Nießbrauchsrecht und damit ein dingliches Nutzungsrecht nach §§ 1030 ff. BGB zu. Auf der Basis dieses Rechts vermietete die Klägerin die Wohnung kurzfristig über Internetportale. Das FA ging davon aus, dass die Klägerin aufgrund der Kurzfristigkeit der Vermietungen steuerpflichtige Umsätze erbracht habe. Die Klage vor dem FG hatte keinen Erfolg. Die Klägerin sei nicht zur Inanspruchnahme der Kleinunternehmerregelung berechtigt, da sie in den Streitjahren in Italien ansässig gewesen sei. Dies ergebe sich aus § 19 Abs. 1 UStG und aus Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL.

Entscheidung

Der BFH hat die Revision als unbegründet zurückgewiesen, da das FG zu Recht entschieden habe, dass die Klägerin aufgrund ihrer Ansässigkeit im Ausland nicht berechtigt gewesen sei, die Kleinunternehmerregelung nach § 19 Abs. 1 UStG in Anspruch zu nehmen. Der BFH bezieht sich in seiner Entscheidung im Wesentlichen auf das o. g. EuGH-Urteil in der Sache C-97/09. Zu der Frage, ob mit der Belegenheit der Wohnung im Inland die Klägerin im Inland ansässig wird, bezieht der BFH sich ebenfalls auf das EuGH-Urteil. Danach sei die Vermietung einer Wohnung jedenfalls für die Anwendung der Kleinunternehmerregelung weder als ansässigkeits- noch als niederlassungsbegründend anzusehen. Der BFH zitiert den EuGH, dass er zur Anwendbarkeit der Niederlassungsfreiheit entschieden habe, dass Voraussetzung hierfür grds. ist, "dass eine dauernde Präsenz im Aufnahmemitgliedstaat sichergestellt ist und dass im Fall des Erwerbs und des Besitzes von Grundstücken deren Verwaltung aktiv erfolgt", wobei sich eine solche dauernde Präsenz "auf der Grundlage objektiver und nachprüfbarer Anhaltspunkte feststellen lassen [muss], die sich u. a. auf das Ausmaß des greifbaren Vorhandenseins in Form von Geschäftsräumen, Personal und Ausrüstungsgegenständen beziehen". Danach komme es auf die weiteren Überlegungen der Klägerin zu Betriebsstätten oder festen Niederlassungen ebenso wenig an wie auf die Definition in § 13b Abs. 7 UStG.

Praxishinweis

a)    Derzeitige Kleinunternehmerregelung

Das BFH-Urteil bestätigt im Wesentlichen die geltende Rechtslage. Die Regelung des § 19 Abs. 1 Satz 1 UStG (Besteuerung der Kleinunternehmer) ist auf im Inland ansässige Steuerpflichtige zu begrenzen. Die Tatsache, dass sie als Vereinfachungsvorschrift ausschließlich auf die Besteuerung kleiner Unternehmer anzuwenden ist, die den allgemeinen Prüfungsmechanismen der Finanzverwaltung weitestgehend entzogen sind, bedingt eine Anwendung innerhalb der Grenzen des jeweiligen Mitgliedstaates in dem der Steuerpflichtige ansässig ist. Eine effektive Kontrolle der mit der Kleinunternehmerregelung verbundenen Beschränkungen, dazu zählt insbes. die Überprüfbarkeit des Gesamtumsatzes im vorangegangenen wie im laufenden Kalenderjahr, kann bei einer grenzüber¬schreitenden Tätigkeit weder gewährleistet werden noch stünde eine solche (materiell-rechtliche) Ausweitung im Falle der Befürwortung eines damit einhergehenden deutlich erhöhten Büro¬kratieaufwandes, der letztlich dem Zweck einer derartigen Vereinfachungs- und Entbürokrati¬sierungsregelung zuwider laufen würde, in einem annähernd ausgewogenen Verhältnis zur allgemeinen Zielsetzung dieser Regelung.

Mit der Beschränkung der Kleinunternehmerregelung auf im Inland ansässige Unternehmer soll vor allem auch ein unversteuerter Letztverbrauch verhindert werden. Diese Möglichkeit hätte z. B. bestanden, weil beim Warenverkehr innerhalb der EU grds. seit dem 01.01.1993 keine USt auf die Einfuhr erhoben wird. Ohne diese Regelung könnten Gegenstände, für die in einem anderen EU-Mitgliedstaat beim Bezug Vorsteuern geltend gemacht werden konnten, weil der liefernde Unternehmer dort unter die allgemeinen Vorschriften der Umsatzbesteuerung fiel, unversteuert an Letztverbraucher geliefert werden, wenn der nicht im Inland ansässige Unternehmer nur in geringem Umfang Umsätze im Inland erbracht hat. Gleiches gilt bei Dienstleistungen, wenn der leistende Unternehmer für diese Umsätze Vorleistungen in einem anderen Staat in Anspruch genommen hat, für die er dort zum Vorsteuerabzug berechtigt war. Im Übrigen wird mit dieser Beschränkung der Schwierigkeit begegnet, bei nicht im Inland ansässigen Unternehmern, die im Inland Umsätze gegenüber einer gewissen Anzahl von Leistungsempfängern bzw. Abnehmern erbringen und bei denen der Leistungsempfänger Steuerschuldner ist, die Höhe des Gesamtumsatzes auch nur annähernd zu ermitteln.

Die Kleinunternehmerregelung nach § 19 UStG stellt eine Ausnahmeregelung dar, die in der Regel dazu führt, dass Kleinunternehmer wie Nichtunternehmer behandelt werden. Sie müssen keine USt abführen und haben keinen Vorsteuerabzug. Sie dürfen auch keine Rechnungen mit Umsatzsteuerausweis erteilen. Allerdings ist der Kleinunternehmer dazu verpflichtet, eine vereinfachte Jahreserklärung abzugeben, anhand derer das FA überprüfen kann, ob die umsatzsteuerlichen Grenzen noch eingehalten werden und somit die Kleinunternehmerregelung noch anwendbar ist. Der Inhalt dieser Erklärung besteht in der Angabe des im Veranlagungsjahr erzielten im Inland steuerbaren Gesamtumsatzes sowie des entsprechenden Gesamtumsatzes aus dem Vorjahr.

§ 19 Abs. 1 UStG stützt sich insbes. auf Art. 284 und 288 MwStSystRL. Bei der Umsetzung der Regelung durch das UStG 1980 war der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass unter dem in Art. 24 Abs. 4 der 6. EG-Richtlinie genannten Umsatz nur der im Inland erzielte steuerbare Umsatz eines Unternehmers für die Prüfung der Anwendung der Kleinunternehmerregelung im Inland zugrunde zu legen ist.

Ist – wie der EuGH in der Sache C-97/09 (und jetzt der BFH) entschieden hat - nur der im Inland erzielte Gesamtumsatz bei der Anwendung der Kleinunternehmerregelung zu berücksichtigen, bedarf es eines Austauschs von Daten über die in anderen EU-Mitgliedstaaten erzielten Umsätze nicht.

Problematisch für das deutsche Recht könnte das EuGH-Urteil (und jetzt das BFH-Urteil) insoweit sein, als der EuGH dem österreichischen Vorbringen, die Klägerin könne mit ihren Vermietungsumsätzen in Österreich keine Ansässigkeit begründen, nicht widersprochen hat. § 19 Abs. 1 UStG und der hierzu ergangene Abschn. 19.1 UStAE enthalten bislang keine expliziten Aussagen, unter welchen Voraussetzungen ein Unternehmer in Deutschland ansässig ist. Jedoch ist nach § 13b Abs. 7 UStG i. V. m. Abschn. 13b.11 Abs. 2 Satz 2 UStAE ein Unternehmer, der ein im Inland belegenes Grundstück besitzt und steuerpflichtig vermietet, als im Inland ansässig zu behandeln. Aus dem BFH-Urteil folgt, dass jedenfalls für Zwecke des § 19 UStG in einem solchen Fall nicht von einer Inlandsansässigkeit ausgegangen werden kann.

b)    Zukünftige Kleinunternehmerregelung (ab 01.01.2025)

Mit der Richtlinie (EU) 2020/285 v. 18.02.2020 (ABl. EU 2020 Nr. L 62/13) die zum 01.01.2025 in nationales Recht umzusetzen ist, wurde die bisherige Sonderregelung für Kleinunternehmen unionsrechtlich grundlegend reformiert.

Nach der bisherigen Sonderregelung für Kleinunternehmen können nur Unternehmen, die in dem Mitgliedstaat ansässig sind, in dem die MwSt geschuldet wird, von der mit der Regelung einhergehenden Steuerbefreiung (oder Nichterhebung der MwSt) profitieren. Künftig können Kleinunternehmen, die in anderen Mitgliedstaaten ansässig sind als in dem Mitgliedstaat, in dem die MwSt geschuldet wird, die Sonderregelung ebenfalls in Anspruch nehmen. Die bisher anders lautende Regelung in Art. 283 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL wurde gestrichen. Unverändert ist, dass die Kleinunternehmerregelung weiterhin z. B. nicht gilt für innergemeinschaftliche Lieferungen neuer Fahrzeuge. Auch dürfen die Mitgliedstaaten weiterhin (vgl. Art. 283 Abs. 2 MwStsystRL) auch andere Umsätze von der Kleinunternehmerregelung ausschließen wie z. B. die Fälle, in denen der Unternehmer als Leistungsempfänger die Steuer schuldet (Reverse-Charge-Verfahren).

Technische Kernelemente sind die unionsweite Festlegung eines Umsatzhöchstbetrages von 85.000,00 EUR, bis zu dem die Mitgliedstaaten kleine Unternehmen von der MwSt befreien können, sowie die Ausdehnung der nationalen Kleinunternehmerregelungen auf Unternehmer aus anderen EU-Mitgliedstaaten. Damit bleibt es eine nationale Entscheidung, ob und in welcher Höhe (bis zum Maximalbetrag) Kleinunternehmen befreit werden. Gibt es aber eine solche Befreiung, steht sie unter denselben Bedingungen auch Unternehmen aus dem europäischen Ausland offen.

Kernpunkt der Regelung ist der neu gefasste Art. 284 MwStSystRL. Danach können (optionale Regelung) die Mitgliedstaaten die Lieferung von Gegenständen und die Dienstleistungen in ihrem Hoheitsgebiet, die von in diesem Hoheitsgebiet ansässigen Unternehmern bewirkt werden, deren diesen Umsätzen zuzurechnender Jahresumsatz in diesem Mitgliedstaat den für die Anwendung dieser Steuerbefreiung von diesen Mitgliedstaaten festgelegten Schwellenwert nicht übersteigt, von der Steuer befreien. Dieser Schwellenwert darf 85.000,00 EUR oder den Gegenwert in Landeswährung nicht übersteigen. Die Mitgliedstaaten können anhand objektiver Kriterien unterschiedliche Schwellenwerte für verschiedene Wirtschaftsbereiche festlegen. Keiner dieser Schwellenwerte darf jedoch 85.000,00 EUR oder den Gegenwert in Landeswährung übersteigen. Die Mitgliedstaaten stellen sicher, dass ein Unternehmer, der für die Inanspruchnahme mehrerer sektorspezifischer Schwellenwerte infrage kommt, nur einen dieser Schwellenwerte in Anspruch nehmen kann. Bei den von einem Mitgliedstaat festgelegten Schwellenwerten wird nicht zwischen in dem Mitgliedstaat ansässigen und nicht in dem Mitgliedstaat ansässigen Unternehmern unterschieden (Art. 284 Abs. 1 MwStSystRL).

Nach dieser Regelung könnte Deutschland die bisherige Schwelle von 22.000,00 EUR für in Deutschland ansässige Kleinunternehmen auf bis zu 85.000,00 EUR anheben, was wegen der damit verbundenen Haushaltsmindereinnahmen aber kaum vorstellbar ist.

Mitgliedstaaten, die eine Steuerbefreiung nach Art. 284 Abs. 1 MwStSystRL eingeführt haben, gewähren diese Steuerbefreiung auch für Umsätze, die in ihrem eigenen Hoheitsgebiet durch in einem anderen Mitgliedstaat ansässige Unternehmer bewirkt werden, wenn die folgenden Bedingungen erfüllt sind (Art. 284 Abs. 2 MwStSystRL):

  • Der Jahresumsatz dieses Steuerpflichtigen in der Union übersteigt 100.000,00 EUR nicht;
  • der Betrag der Lieferungen von Gegenständen und Dienstleistungen in dem Mitgliedstaat, in dem der Steuerpflichtige nicht ansässig ist, übersteigt nicht den Schwellenwert, der in diesem Mitgliedstaat für die Gewährung der Steuerbefreiung für in diesem Mitgliedstaat ansässige Steuerpflichtige gilt.

Nach dieser Regelung muss Deutschland, da es eine Kleinunternehmergrenze kennt, die Kleinunternehmerregelung auch auf nicht in Deutschland, aber in anderen EU-Mitgliedstaaten ansässige Unternehmer (auf deren Antrag im Ansässigkeitsstaat) anwenden, wenn der Jahresumsatz des Unternehmers in der gesamten Union nicht mehr als 100.000,00 EUR beträgt und der Jahresumsatz dieses Unternehmers in Deutschland nicht die in Deutschland geltende Kleinunternehmerschwelle übersteigt. Ein in Deutschland ansässiger Kleinunternehmer darf aber (wenn er hinsichtl. seiner Umsätze in Deutschland den deutschen Schwellenwert nicht überschreitet) nach wie vor die deutsche Kleinunternehmerregelung anwenden, auch wenn sein Gesamtumsatz den unionsweiten Schwellenwert (100.000,00 EUR) übersteigt.

Beispiel

Ein österreichischer Architekt AT mit einem unionsweiten Jahresumsatz von 75.000,00 EUR plant den Bau eines Einfamilienhauses für eine Privatperson in Rosenheim. Das Umsatzvolumen des AT in Österreich liegt unterhalb der dortigen Kleinunternehmerschwelle von 35.000,00 EUR. Bei der Leistung des AT handelt sich um eine grundstücksbezogene Dienstleistung, die in Deutschland umsatzsteuerbar ist. Das Entgelt beträgt 5.000,00 EUR. Wenn AT sich in Österreich dafür entscheidet, die deutsche Kleinunternehmerregelung in Anspruch zu nehmen, muss Deutschland dem folgen. Die USt für die Leistung des AT würde dann unter den Voraussetzungen von § 19 UStG nicht erhoben. Dies würde nicht für den Fall gelten, dass AT mit seinen Umsätzen in Österreich die dortige Kleinunternehmergrenze überschreitet oder wenn sein Jahresumsatz in der Union größer als 100.000,00 EUR wäre.

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