Zur Veräußerung von Kapitallebensversicherungen auf dem Zweitmarkt als Umsatz mit Forderungen nach § 4 Nr. 8 Buchstabe c UStG

Anmerkung zu: BMF-Schr. v. 17.06.2020

Praxisproblem

Der BFH hatte mit Urteil v. 05.09.2019, V R 57/17, entschieden, dass die entgeltliche Übertragung von Kapitallebensversicherungen auf dem Zweitmarkt nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG von der USt befreit ist und damit der bisherigen Verwaltungsauffassung zur Umsatzsteuerpflicht dieser Umsätze widersprochen.

Entscheidung

Mit BMF-Schreiben v. 17.06.2020 wurde in einem neuen Abs. 3 von Abschn. 4.8.4 UStAE ein Hinweis auf dieses BFH-Urteil aufgenommen. Das bedeutet, dass die Verwaltung sich nunmehr der Auffassung des BFH angeschlossen hat und die Veräußerung von Kapitallebensversicherungen auf dem Zweitmarkt als Umsatz mit Forderungen nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG künftig steuerfrei behandelt wird. Die neue Verwaltungsauffassung ist auf alle offenen Fälle anzuwenden. Es wird aber nicht beanstandet, wenn für Umsätze, die vor dem 01.01.2021 erbracht werden, die neue Verwaltungsauffassung noch nicht angewendet wird.

Praxishinweis

Die Entscheidung des BFH bzw. die neue Verwaltungsauffassung hat erhebliche Auswirkungen auf das Geschäftsmodell des An- und Verkaufs von "gebrauchten" Lebensversicherungen.

Dem BFH- Urteil lag folgender Sachverhalt zugrunde: Klägerin (Kl) war eine Aktiengesellschaft, die von Privatpersonen abgeschlossene Kapitallebensversicherungen erwarb. Der Kaufpreis lag über dem sog. Rückkaufswert, aber unter den eingezahlten Versicherungsprämien. Der Risikoanteil der veräußerten Versicherung hingegen verblieb im zugrundeliegenden Sachverhalt beim ursprünglichen Versicherungsnehmer (VN), um dessen Angehörige im Todesfall weiterhin wirtschaftlich abzusichern. Zivilrechtlich erfolgte die Abwicklung - je nach erfolgreicher Einigung mit der Versicherungsgesellschaft - in dinglicher (Vertragsübertragung bzw. Vertragsübernahme durch die Kl mit Ausnahme des versicherten Todesfallrisikos) oder in schuldrechtlicher Variante (durch Abtretung sämtlicher Ansprüche aus dem Versicherungsvertrag im Wege eines Treuhandverhältnisses zwischen dem ursprünglichen VN und der Kl).

Kl modifizierte die erworbenen Kapitallebensversicherungen, indem sie unbedeutende Zusatzversicherungen bzw. Zusatzmodule der Versicherung kündigte, die Beitragszahlung auf eine jährliche Zahlweise umstellte bzw. die Verträge beitragsfrei stellte. Anschließend wurden alle gegenwärtigen und künftigen Rechte, Ansprüche und Pflichten an den modifizierten Kapitallebensversicherungen an Fondsgesellschaften (ebenfalls dinglich oder schuldrechtlich) übertragen. Die Umsätze aus der entgeltlichen Übertragung dieser Kapitallebensversicherungen wurden von der Kl umsatzsteuerfrei nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG behandelt.

Die zuständige Finanzbehörde - so auch das FG München in der Vorinstanz mit Urteil v. 27.09.2017, 3 K 3438/14 (EFG 2017, 1981) - beurteilte diese Umsätze hingegen unter Verweis auf die abgestimmte Verwaltungsauffassung als einheitliche umsatzsteuerpflichtige sonstige Leistung, da die Forderungsübertragung lediglich das Mittel darstelle, um die durch das Vertragswerk bestimmte Hauptleistung optimal in Anspruch nehmen zu können. Anders als das FG München kam der BFH aber zu der Einschätzung, dass die fraglichen Umsätze nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG steuerfrei sind.

Aus der Würdigung der Interessenlage der Beteiligten ergebe sich, dass für die Erwerber (Fondsgesellschaften) der Erwerb einer (konservativen) Kapitalanlage im Vordergrund stehe, während die Übertragung der übrigen Rechte und Pflichten lediglich der Optimierung dieser Kapitalanlage dienten. Für das vordergründige Interesse der Erwerber am Sparanteil der gebrauchten Kapitallebensversicherung spricht lt. BFH insbes., dass z. B. bei gemischten Versicherungen (auf den Todes- und Erlebensfall) stets der Risikoanteil beim ursprünglichen VN verbleibt. So sei die Übertragung der Forderung auf die künftige Ablaufleistung als nach § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG umsatzsteuerfreie Hauptleistung zu qualifizieren, während die Übertragung der weiteren Rechte und Pflichten aus der Kapitallebensversicherung als Nebenleistungen das Schicksal der Hauptleistung teilen.

Vorliegend bildet die Abtretung des Anspruchs auf die zukünftige Ablaufleistung auch ein im Großen und Ganzen eigenständiges Ganzes und erfüllt damit die spezifischen und wesentlichen Funktionen eines Geschäfts mit Forderungen. Die Steuerbefreiung ist auch bereits bei Übertragung der Verträge anwendbar. Der BFH betont hierzu, dass Forderungen i. S. v. § 4 Nr. 8 Buchst. c UStG nicht bereits entstanden sein müssen, da es dem Sinn und Zweck der Norm entspreche, auch den Umsatz aufschiebend bedingter und damit erst zukünftig entstehender Geldforderungen von der USt zu befreien.

 

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