BMF zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers bei Bauleistungen nach § 13b UStG

Anmerkung zu: BMF-Schreiben v. 26.07.2017 - Anwendung der Übergangsregelung des § 27 Abs. 19 UStG

Praxisproblem

Sind der bauleistende Unternehmer und der Leistungsempfänger davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG auf eine vor dem 15.02.2014 erbrachte steuerpflichtige Leistung schuldet, und stellt sich diese Annahme als unrichtig heraus, ist nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Steuerfestsetzung zu ändern, soweit der Leistungs-empfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner zu sein. § 176 AO (aus Sicht der Verwaltung ) steht dieser Änderung nach § 27 Abs. 19 Satz 2 UStG nicht entgegen. Das für den leistenden Unternehmer zuständige FA kann auf Antrag zulassen, dass der leis-tende Unternehmer dem FA den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen USt abtritt, wenn die Annahme der Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung beruhte und der leistende Unternehmer bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitwirkt (§ 27 Abs. 19 Satz 3 UStG). Die Abtretung wirkt nach § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG an Zahlungs statt, wenn

  1. der leistende Unternehmer dem Leistungsempfänger eine erstmalige oder geänderte Rechnung mit offen ausgewiesener USt ausstellt,
  2. die Abtretung an das FA wirksam bleibt,
  3. dem Leistungsempfänger diese Abtretung unverzüglich mit dem Hinweis angezeigt wird, dass eine Zahlung an den leistenden Unternehmer keine schuldbefreiende Wirkung mehr hat, und
  4. der leistende Unternehmer seiner Mitwirkungspflicht nachkommt.

Der BFH hat mit Urteil v. 23.02.2017, V R 16/16 und V R 24/16, die Regelungen des § 27 Abs. 19 UStG als verfassungsgemäß beurteilt, wenn der Vertrauensschutz des leistenden Bauunternehmers dadurch gewahrt ist, dass ihm ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht. Dieses Urteil wird als Bestätigung der Regelungen im § 27 Abs. 19 UStG gesehen. Der BFH stellt die Voraussetzungen für eine verfassungs- und unionskonforme Anwendung des § 27 Abs. 19 UStG dar. Wichtige Aussagen des BFH sind, dass bei Vorliegen eines abtretbaren Anspruchs auf Zahlung der festgesetzten USt gegen den Leistungsempfänger (§ 313 Abs. 1 BGB) die Abtretung an den leistenden Unternehmer seitens der Finanzverwaltung bereits im Festsetzungsverfahren und nicht erst im Erhebungsverfahren anzubieten ist. Das Ermessen zur Annahme der Abtretung durch das FA reduziert sich in diesen Fällen auf null. Das Erfordernis einer Rechnung mit offen ausgewiesener USt besteht hingegen nicht bereits bei Annahme der Abtretung (§ 27 Abs. 19 Satz 3 UStG), sondern erst im nächsten Schritt, der Wirkung an Zahlung statt gem. § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG.

Entscheidung

Mit BMF-Schreiben v. 26.07.2017 hat die Verwaltung sich umfassend zur Anwendung des § 27 Abs. 19 UStG im Lichte der BFH-Rechtsprechung geäußert. Es finden sich Regelungen zur Besteuerung des leistenden Unternehmers, zur verfahrensmäßigen Abwicklung der Änderungsanträge der Leistungsempfänger von Bauleistungen, zu Nachzahlungszinsen nach § 233a AO und zur Abtretung der zivilrechtlichen Forderungen innerhalb der Finanzverwaltung. Das BMF-Schreiben v. 26.07.2017 ersetzt das BMF-Schreiben vom 31.07.2014, BStBl I 2014, 1073. Es ist auf alle noch offenen Fälle anzuwenden.

Praxishinweis

1. Besteuerung des leistenden Unternehmers (Bauleister)

Sind leistender Unternehmer und Leistungsempfänger bei einer vor dem 15.02. 2014 erbrachten steuerpflichtigen Bauleistung davon ausgegangen, dass der Leistungsempfänger nach § 13b UStG die Steuer schuldet, und stellt sich diese Annahme nach dem BFH-Urteil v. 22.08.2013, V R 37/10, BStBl 2014 II S. 128, im Nachhinein als unrichtig heraus und machen die beteiligten Unternehmer keinen Gebrauch von der Vereinfachungsregelung/Nichtbeanstandungsregelung (vgl. BMF-Schreiben v. 05.02.2014 (BStBl I S. 233) und v. 08.05.2014 (BStBl I S. 823) Tz. 4), ist nach Tz. 6 des BMF-Schreibens v. 26.07.2017 die gegen den leistenden Unternehmer wirkende Umsatzsteuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG für noch nicht festsetzungsverjährte Besteuerungszeiträume (§ 169 Abs. 1 AO) zu ändern, soweit der Leistungsempfänger die Erstattung der Steuer fordert, die er in der Annahme entrichtet hatte, Steuerschuldner i. S. d. § 13b UStG zu sein und dem leistenden Unternehmer ein abtretbarer Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer gegen den Leistungsempfänger zusteht oder zugestanden hat. Die Steuerfestsetzung gegenüber dem leistenden Unternehmer kann daher auch dann nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG geändert werden, wenn dem leistenden Unternehmer im Zeitpunkt der Änderung deshalb kein zivilrechtlicher Anspruch gegenüber dem Leistungsempfänger mehr zusteht, weil dieser bereits durch Erfüllung oder Verzicht erloschen ist.

Diese Regelung, die auf einen zustehenden oder zugestandenen abtretbaren Anspruch des Leistungs-empfängers gegen den Leistungsempfänger abstellt, soll offensichtlich vermeiden, dass der Leistende und der Leistungsempfänger die Änderung der Steuerfestsetzung gegenüber dem Leistenden sonst gemeinsam „vereiteln“ könnten. Eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung des leistenden Unternehmers erfolgt für den Veranlagungszeitraum der Leistungserbringung. Voraussetzung für die Änderung nach § 27 Abs. 19 UStG ist, dass das FA die vom leistenden Unternehmer angebotene Abtretung annimmt.

Nach Tz. 6a des BMF-Schreibens kann der leistende Unternehmer in den Fällen des § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG die gesetzlich entstandene und von ihm geschuldete USt zivilrechtlich gegenüber dem Leistungs-empfänger zusätzlich zum Netto-Entgelt geltend machen. Der Anspruch soll sich regelmäßig aus § 313 Abs. 1 BGB ergeben, wenn der leistende Unternehmer und der Leistungsempfänger bei der Leistungserbringung von einer Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers ausgingen und in der Rechnung des leistenden Unternehmers ein Entgelt ohne Steuerbetrag mit dem ausdrücklichen Verweis auf die Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers nach § 13b UStG ausgestellt und vom Leistungsempfänger die Steuer nach § 13b UStG abgeführt worden ist. Dieser Anspruch kann sich nach dem BMF-Schreiben auch aus § 313 Abs. 2 BGB oder aufgrund einer ergänzenden Vertragsauslegung nach § 157 BGB ergeben. In den Fällen, in denen die Vertragspartner ein Abtretungsverbot vereinbart haben, ist dieses nach § 354a Abs. 1 Satz 1 HGB suspendiert und steht einer Anwendung des § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG nicht entgegen. Der Anspruch entsteht in dem Zeitpunkt, in dem der Leistungsempfänger einen Antrag auf Änderung seiner Umsatzsteuerfestsetzung auf Grund des BFH-Urteils vom 22.08.2013, V R 37/10, stellt.

Fraglich könnte sein, ob sich der Anspruch des leistenden Unternehmers ausschließlich aus § 313 Abs. 1 BGB ergibt. Die Mehrheit der Zivilgerichte, die bisher entschieden haben, scheint davon auszugehen, dass sich die Änderungsmöglichkeit aus § 631 BGB i. V. m. den Grundsätzen der ergänzenden Vertragsauslegung ergibt (vgl. z. B. Urteil des OLG Köln vom 04.08.2016, 7 U 177/15, oder Urteil des LG Bonn vom 20.07.2016, 1 O 12/16).

Nach Tz. 6b des BMF-Schreibens werden das Bestehen und die Abtretbarkeit des Anspruchs des leistenden Unternehmers gegen den Leistungsempfänger vom zuständigen FA im Rahmen des Festsetzungsverfahrens geklärt. Dazu hat der leistende Unternehmer dem FA alle Informationen und Unterlagen zur Geltendmachung seiner Forderung auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer, die abgetreten werden soll, zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus ist er verpflichtet, alle ihm bekannten Umstände, die zu Einreden, Einwendungen und/oder Aufrechnungen der Forderung führen können, offenzulegen. In den Fällen, in denen sich im Festsetzungsverfahren aufgrund der Verletzung der Mitwirkungspflicht des leistenden Unternehmers nicht klären lässt, ob diesem ein zivilrechtlicher Anspruch gegen den Leistungsempfänger zusteht oder zugestanden hat, ist nach Auffassung der Verwaltung davon auszugehen, dass ein zivilrechtlicher Anspruch besteht oder bestanden hat.

Nach Rz. 7 des BMF-Schreibens hat das für den leistenden Unternehmer zuständige FA nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG auf Antrag zuzulassen, dass der leistende Unternehmer den ihm gegen den Leistungsempfänger zustehenden Anspruch auf (nachträgliche) Zahlung der gesetzlich entstandenen USt dem FA abtritt, wenn die (ursprüngliche) Annahme der Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung beruhte und der leistende Unternehmer bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs mitwirkt. Das in § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG grundsätzlich eingeräumte Ermessen reduziert sich in diesen Fällen auf null. Die Rechnungserteilung mit Steuerausweis durch den leistenden Unternehmer ist keine Voraussetzung für die Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG, sondern nur Bedingung für die Erfüllungswirkung „an Zahlungs statt“ nach § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG. Unerheblich ist auch, ob der sich aus der geänderten Steuerfestsetzung ergebende Anspruch des FA gegen den leistenden Unternehmer bereits durch Zahlung oder in anderer Weise getilgt wurde (Ersetzungsrecht des leistenden Unternehmers; vgl. BFH v. 23.02.2017, V R 16/16, V R 24/16).

Die bereits aus dem Unionsrecht abzuleitenden Grundsätze der Rechtssicherheit, des Vertrauensschutzes sowie von Treu und Glauben erfordern nach Auffassung des BFH, dass der leistende Unternehmer für die in § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG umschriebene Fallgestaltung (Annahme einer Steuerschuld des Leistungsempfängers im Vertrauen auf eine Verwaltungsanweisung und Mitwirkung des leistenden Unternehmers bei der Durchsetzung des abgetretenen Anspruchs) einen Rechtsanspruch auf Annahme seines Abtretungsangebots hat. Auf eine mögliche Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG beim Leistenden bzw. eine analoge Anwendung der § 17 Abs. 2 Nr. 1 und Abs. 1 Satz 2 UStG beim Leistungsempfänger kommt es nach Ansicht des BFH daher nicht an.

Eine Abtretung bzw. die Annahme einer Abtretung ist auch dann möglich, wenn der leistende Unter-nehmer die Rechnungen gegenüber seinem Leistungsempfänger nicht berichtigt. Kommt der leistende Unternehmer insoweit seiner Mitwirkungspflicht nicht nach, wirkt die Abtretung nur erfüllungshalber und nicht an Zahlungs statt. Kann der zivilrechtliche Anspruch auf Zahlung der USt daraufhin beim Leistungsempfänger in diesem Fall nicht realisiert werden, wird der leistende Unternehmer mit der nachzuzahlenden USt belastet. Sofern der leistende Bauunternehmer weder seine Rechnungen berichtigt, noch den ihm zustehenden Anspruch auf Zahlung der USt an sein FA abtritt, hat er seine Mitwirkungspflichten nicht ausreichend erfüllt. Die Umsatzsteuerfestsetzung des leistenden Unternehmers wird in diesen Fällen dennoch gem. § 27 Abs. 19 UStG geändert und die Steuer ist mangels Abtretung vom leistenden Unternehmer zu zahlen. Ggf. später angebotene Abtretungen werden von der Finanzverwaltung wohl angenommen. Solange die Rechnung nicht berichtigt wurde, wirkt die Abtretung aber nur erfüllungshalber. Nach erfolgreicher Verwertung der angebotenen und angenommenen Abtretung dürfte insoweit eine Erstattung an den leistenden Unternehmer zu erfolgen haben, wie dieser die Umsatzsteuer bereits gezahlt hat.

Der vom BFH in seinem Urteil 23.02.2017 geforderte „abtretbare Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer“ dürfte so zu verstehen sein, dass dieser für das Festsetzungsverfahren nicht auf bloße „Zahlungsansprüche“ (i. S. v. Differenz zwischen insgesamt zu zahlendem Betrag und bereits erhaltenem Betrag/Abschlägen) bezogen werden kann, sondern dabei auch der mit dem zusätzlichen Anspruch auf Entrichtung der USt verbundene sonstige wirtschaftliche Vorteil des leistenden Unternehmers zu berücksichtigen sein dürfte. Wird der leistende Unternehmer etwa von Gewährleistungs- oder sonstigen anderen Ansprüchen (vgl. Tz. 59 des BFH-Urteils) durch Verrechnung oder Aufrechnung mit dem USt-Anspruch gegenüber dem Leistungsempfänger von Zahlungsverpflich-tungen freigestellt, mindert das zwar seinen reinen Zahlungsanspruch, dürfte aber nicht die gegen ihn festzusetzende USt mindern. Nur so dürfte die Finanzverwaltung sicherstellen können, dass nicht anderweitige Gewährleistungen oder sonstige Forderungen der beiden Vertragspartner un-tereinander Einfluss auf die nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG gegenüber dem leistenden Unternehmer festzusetzende USt haben und somit Gestaltungsspielräume geschaffen werden. Auch dürfte bei der nachträglichen Inrechnungstellung der auf den Nettobetrag entfallenen USt allein darauf abzustellen sein, ob dem leistenden Unternehmer diese zusteht oder zugestanden hat. Hat der leistende Unternehmer wegen eines Gewährleistungsanspruchs oder eines sonstigen Aufrechnungsanspruchs nur noch einen geringeren Auszahlungsanspruch gegenüber dem Leistungsempfänger, kann ihn dies nicht begünstigen. Inwieweit diesem grundsätzlich abtretbaren Anspruch auf Zahlung der USt aufrechenbare Gegenansprüche des Leistungsempfängers entgegenstehen, dürfte daher nur insoweit beachtlich sein, wie sich daraus eine anteilige Minderung der USt (bzw. der Um-satzsteuerbemessungsgrundlage) für diesen Geschäftsvorfall ergibt. Der BFH hat diese Frage in seinem Urteil vom 23.02.2017 offen gelassen, da dies für den entschiedenen Fall nicht ent-scheidungsrelevant war (s. Rz. 59 des Urteils).

Beispiele:

Beispielberechnung

Soweit die Aussage des BFH in seinem Urteil vom 23.02.2017 dahin gehend ausgelegt würde, dass ein „tatsächlicher Zahlungsanspruch“ gegenüber dem Leistungsempfänger im Zeitpunkt der geänderten Umsatzsteuerfestsetzung nach § 27 Abs. 19 UStG noch bestehen muss, dürften im Beispiel a) „nur noch“ 9.000 EUR USt beim leistenden Unternehmer festgesetzt werden. Ob oder in welcher Weise eine Befriedigung des Zahlungsanspruchs des leistenden Unternehmers bereits stattgefunden hat bzw. nicht mehr erfolgt, dürfte jedoch für die Festsetzung irrelevant sein. Der leistende Unternehmer ist in diesem Fall durch die gegenüber dem FA erklärte Abtretung und deren Annahme, sowie die Wirkung an Zahlungs statt, von einem Anspruch des Leistungsempfängers i. H. v. 10.000 EUR entlastet. Diese wirt-schaftliche Entlastung kann nicht gegen den USt-Anspruch i. H. v. 19.000 EUR wirken. Die USt wäre gegen-über dem leistenden Unternehmer i. H. v. 9.000 EUR (verbleibender abtretbarer Zahlungsanspruch) und 10.000 EUR (wirtschaftlicher Vorteil des leistenden Unternehmers durch Tilgung einer Verbindlichkeit) = 19.000 EUR festzusetzen.

Anders ist in Beispiel b) die Gegenforderung des Leistungsempfängers, soweit sie aus dem entsprechenden Umsatz stammt, im Rahmen der Korrektur der Bemessungsgrundlage zu berücksichtigen, sodass USt i. H. v. 17.100 EUR gegen den leistenden Unternehmer festzusetzen wäre. Wenn der Leistungsempfänger bereits die ursprüngliche Summe von 100.000 EUR an den leistenden Unternehmer gezahlt hat, wären von ihm im Rahmen der Abtretung „nur noch“ 7.100 EUR an das FA zahlbarbar. Auch hier ist aber die wirtschaftliche Entlastung um 10.000 EUR (Entlastung vom Gewährleistungsanspruch) als schon gewährter Vorteil beim USt-Festsetzungsanspruch bedeutsam. Andernfalls könnten sich Zahlungen des Leistungsempfängers an den leistenden Unternehmer vor Abtretung und Festsetzung auf den vom BFH geforderten „abtretbaren Anspruch auf Zahlung der gesetzlich entstandenen Umsatzsteuer“ auswirken und eine Festsetzung nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG beim leistenden Unternehmer verhindern. Dies würde sich jedoch einseitig zu Lasten der Finanzverwaltung auswirken, was nach Rz. 39 des BFH-Urteils aber gerade verhindert werden soll.

Nach Rz. 8 des BMF-Schreibens wirkt die Abtretung nur unter den Voraussetzungen von § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG an Zahlungs statt. Soweit der Anspruch des leistenden Unternehmers gegen den Leistungsempfänger vor einer beabsichtigten Abtretung an das FA durch Erfüllung oder Verzicht erlo-schen ist, ist eine Abtretung nach § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG nicht möglich. Die besondere Erfüllungswir-kung des § 27 Abs. 19 Satz 4 UStG kann damit nicht eintreten.

2. Verfahrensmäßige Abwicklung der Änderungsanträge der Leistungsempfänger

Die Rz. 9 bis 15a des BMF-Schreibens regeln die Verfahrensmäßige Abwicklung der Änderungsanträge der Leistungsempfänger. Leistungsempfängern werden unter Berufung auf das BFH-Urteil v. 22.08.2013, V R 37/10, BStBl II 2014 II, 128, beantragte USt-Erstattungen - unter Berufung auf den Grundsatz von Treu und Glauben und des unionsrechtlichen Neutralitätsgebots - nur gewährt, soweit sie die nachträgliche Zahlung der fraglichen USt an den leistenden Unternehmer nachweisen oder mit dem Erstattungsanspruch gegen nach § 27 Abs. 19 UStG vom leistenden Unternehmer an die Finanzbehörde abgetretene (zivilrechtliche) Forderungen aufgerechnet werden kann. Im Übrigen wird die Umsatzsteuererstattung abgelehnt.

Hier zeigt sich, dass die Finanzverwaltung nach Grundsätzen der Neutralität der Auffassung ist, dass Erstattungsanträge von Leistungsempfängern (z. B. Bauträger) - ungeachtet der etwaigen Frage einer analogen Anwendung von § 17 UStG - nach dem Grundsatz von Treu und Glauben nur dann positiv beschieden werden sollen, wenn der Leistungsempfänger entweder die kraft Gesetzes entstandene USt an den leistenden Unternehmer geleistet hat oder eine Aufrechnung mit dem nach § 27 Abs. 19 UStG abgetretenen Anspruch durchgeführt wurde. Mit Urteil v. 23.02.2017, V R 16/24 und 24/16, hatte der BFH auch entschieden, dass es für die Beurteilung der Änderungsfestsetzung gegenüber dem Kläger als Bauleistenden nicht auf eine mögliche Anwendung des § 17 Abs. 2 Nr. 1 UStG ankommt. So akzeptierte der BFH die Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung für die ursprünglichen Leistungsjahre, während bei einer Anwendung des § 17 Abs. 2 UStG eine Änderung erst nach Zahlungsvereinnahmung durch den Kläger als Leistenden möglich gewesen wäre. Damit hat der BFH wohl seinen im Beschluss von 27.01.2016, V B 87/15, geäußerten Gedanken einer analogen Anwendung des § 17 Abs. 2 UStG aufgegeben bzw. für fachlich nicht haltbar vertreten.

Hat der Leistungsempfänger (Bauträger) seinen Erstattungsanspruch bereits an einen fremden Dritten abgetreten, könnte der Bauträger durch diese Abtretung das Zustandekommen der Aufrechnungslage verhindert haben, sodass der Erstattungsanspruch nicht mehr mit der zivilrechtlichen Forderung des leistenden Unternehmers aufgerechnet werden könnte. Ein so vom Bauträger herbeigeführter Mangel der Aufrechnungsmöglichkeit könnte dazu führen, dass keine Aufrechnungslage besteht und der Erstattungsantrag des Bauträgers insofern abzulehnen wäre. Eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung beim Bauträger wäre dann insoweit nicht vorzunehmen.

Nach Rz. 16 des BMF-Schreibens gilt bei der Verzinsung der nachträglichen Umsatzsteuerfestsetzung ggü. dem leistenden Unternehmer nach § 27 Abs. 19 Satz 1 UStG der Antrag des Leistungsempfängers auf Erstattung der zunächst von ihm entrichteten USt als rückwirkendes Ereignis i. S. d. § 233a Abs. 2a AO. Der Zinslauf von Nachzahlungszinsen nach § 233a AO beginnt in diesen Fällen folglich erst 15 Monate nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem das rückwirkende Ereignis eingetreten ist.

3. Abtretung der zivilrechtlichen Forderungen innerhalb der Finanzverwaltung

Die Rz. 17 bis 20 des BMF-Schreibens regeln die Abtretung der zivilrechtlichen Forderungen innerhalb der Finanzverwaltung. Nach Rz. 17 können die Finanzbehörden können den Umsatzsteuererstattungsanspruch (oder andere Steuererstattungsansprüche oder Steuervergütungsansprüche) des Leistungsempfängers mit der vom leistenden Unternehmer durch Abtretung erworbenen zivilrechtlichen Forderung grundsätzlich ab deren Fälligkeit aufrechnen (§ 226 AO i. V. m. §§ 387 - 396 BGB). Der Beginn der Verjährung des Anspruchs des leistenden Unternehmers gegen den Leistungsempfänger bestimmt sich nach § 195 BGB i. V. m. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB. Danach beginnt die zivilrechtliche Verjährung für die Nachforderung der USt durch den leistenden Unternehmer gegen den Leistungsempfänger gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erst mit Kenntniserlangung der den Anspruch begründenden Umstände. Die Verjährungsfrist beginnt demnach dann, wenn der leistende Unternehmer Kenntnis erlangt hat, dass der Leistungsempfänger einen Erstattungsantrag bei seinem FA gestellt hat.

4. Zivilrechtsprechung

Mittlerweile liegen bereits Entscheidungen der Zivilgerichte zu der Frage vor, ob der Leistungsempfän-ger (Bauträger) seinem Vertragspartner die USt im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung schuldet:

Das LG Köln kommt in seinem Urteil v. 30.10.2015, 7 O 103/15, in einem Fall, in dem der Bauträger für den überwiegenden Teil der vom Bauleister korrigierten Rechnungen die Einrede der Verjährung erhob, zu folgenden Ergebnissen:

  • Ein Anspruch des leistenden Unternehmers auf Nachzahlung der USt ergibt sich zivilrechtlich vorliegend im Wege der ergänzenden Vertragsauslegung unter Berücksichtigung aller Umstände des Streitfalls. Dabei ist darauf abzustellen, was die Vertragsparteien bei angemessener Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie die Möglichkeit des nun eingetretenen Falls bedacht hätten. Aus den Bauverträgen ergibt sich, dass die Vertragsparteien stets wollten, dass die USt wirtschaftlich vom Bauträger zu tragen ist. Hätten die Parteien vorhergesehen, dass die Steuerschuld den Bauleistenden treffen könnte, hätten sie die Ausstellung von Brutto-Rechnungen vereinbart. Dies entspricht der Verkehrssitte.
  • Eine Vereinbarung, dass die USt erst vom FA festgesetzt und dann vom Bauträger gezahlt werden soll, ist nicht notwendig. Grundlage für die Bezahlung der USt ist im normalen Geschäftsverkehr stets die Rechnungslegung.
  • Der Einwand des Bauträgers, eine nachträgliche Belastung des Bauleistenden mit der USt sei verfassungswidrig und der Bauträger müsse die USt an den Bauleistenden nicht zahlen, da dieser bei effizienter Wahrnehmung seiner Rechte eine Umsatzsteuerlast verhindern könne, geht fehl. Denn die Steuerschuld des Bauleistenden entspricht der geltenden Gesetzeslage, er muss deswegen die Umsatzsteuer zahlen. Um sich gegen die Umsatzsteuerlast zu wehren, müsste der Bauleistende einen nicht zuzumutenden langwierigen und kostenintensiven Prozess führen. Dies ist aber vielmehr Sache des Bauträgers. Da gerade dadurch, dass der Bauträger vom Staat die Rückzahlung der USt verlangt hat, eine Steuerlast des Klägers und eine entsprechende vertragliche Verpflichtung des Bauleistenden zur Zahlung der USt an diesen überhaupt erst entstanden ist, kann es redlicherweise nicht Aufgabe des Bauleistenden sein, das wirtschaftliche Risiko in Bezug auf die Rückforderungsansprüche des Bauleistenden gegenüber dem Staat zu tragen.

Das LG Bonn schließt sich dieser Auffassung im Urteil v. 22.06.2016, 1 O 12/16, an. Unter Bezugnahme auf das o. a. Urteil des LG Köln v. 30.10.2015 vertritt es die Auffassung, dass der Werkvertrag zwischen dem leistenden Unternehmer und dem Bauträger eine Lücke aufwies, die durch ergänzende Vertrags-auslegung zu schließen sei. Ob eine Änderung der Umsatzsteuerfestsetzung gegenüber dem leistenden Unternehmer erfolgt sei, sei unerheblich, da Grundlage für die Bezahlung der USt im normalen Geschäftsverkehr stets die Rechnungslegung sei.

Das LG Düsseldorf lehnt in seinem Urteil v. 05.02.2016, 33 O 86/15, den Anspruch des FA gegen den Bauträger aus abgetretenem Recht des Bauleistenden gem. § 27 Abs. 19 Satz 3 UStG jedenfalls dann ab, wenn der Bauträger die Erstattung der USt vor dem Erlass der Neuregelung des § 27 Abs. 19 UStG (Verkündung im BGBl. 30.07.2014, Inkrafttreten: 31.07.2014) beantragt hat. Es geht um die zivilrechtliche Geltendmachung des abgetretenen Anspruchs gegen den Bauträger durch das FA. Das FA hatte den Bauleister nach § 27 Abs. 19 Satz 1 und 2 UStG in Anspruch genommen und die angebotene Abtretung an Zahlungs statt angenommen. Da der Bauträger im Vorfeld das Guthaben bereits erstattet bekommen hatte und eine Aufrechnungslage demnach insoweit nicht gegeben war, hatte das FA die abgetretenen Forderungen einzuklagen versucht. Das LG hat die Klage des FA auf Zahlung von USt auf die Erbringung von Werkleistungen aus abgetretenem Recht abgewiesen. Das FA habe gegen den Bauträger unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung aus abgetretenen Rechten (§ 313 BGB). Zum einen ergebe eine wörtliche Auslegung des Vertrages bereits keine Pflicht der Beklagten zur Zahlung von USt. Der Vertag unterliege auch insoweit keiner ergänzender Auslegung. Zum anderen bestehe auch kein Anspruch aus einer ergänzenden Vertragsauslegung nach § 313 BGB. Die Entscheidung steht im Widerspruch zu dem o. g. Urteil des LG Köln.

Im Urteil des LG Düsseldorf v. 22.12.2016, 16 O 325/15, geht es ebenfalls um die zivilrechtliche Gel-tendmachung des abgetretenen Anspruchs gegen den Bauträger durch das FA. Das LG entschied auch hier, dass das FA unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt einen Anspruch auf Zahlung hat. Ein Anspruch folge insbesondere nicht aus §§ 637, 398 BGB. Die aus dem Vertrag resultierenden Wer-klohnansprüche bestanden nur ohne USt (netto) und seien bereits durch Erfüllung gemäß § 362 BGB erloschen. Einen darüber hinausgehenden abtretbaren Anspruch des Leistenden gegen den Bauträger gebe es nicht.

Das aktuelle BMF-Schreiben sowie die dargestellte Rechtsprechung zeugt davon, dass es viele Fragen in diesem Zusammenhang gibt, welchen sich die betroffenen Unternehmen stellen müssen. Auch wenn aus Sicht der Finanzverwaltung nun Klarheit geschaffen wurde, so ist es für die betroffenen Unternehmen dennoch wichtig und richtig die eigene Vorgehensweise kritisch zu prüfen und etwaige Ansprüche geltend zu machen oder deren Geltendmachung zu prüfen. Das USt-Team der AWB steht Ihnen dabei gerne zur Verfügung.

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