EuGH zur Eigenschaft als Steuerpflichtiger

Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 07.08.2018, C-16/17, TGE Gas Engineering GmbH – Sucursal em Portugal

Praxisproblem

Bei dem portugiesischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um den Vorsteuerabzug einer in Portugal ansässigen Zweigniederlassung einer deutschen Gesellschaft.

Sachverhalt

Der Klägerin, eine deutsche GmbH, wurde in Portugal als gebietsfremdes Unternehmen ohne feste Niederlassung zur Durchführung eines einzelnen Rechtsgeschäfts (Erwerb von Gesellschaftsanteilen) am 03.03.2009 eine USt.-IDNr. (USt.-IDNr. 1) zugeteilt. Die Klägerin verfügt darüber hinaus über eine Zweigniederlassung in Portugal; diese wurde am 07.04.2009 unter einer anderen USt.-IDNr. (USt.-IDNr. 2) in Portugal registriert. Die Klägerin bildete am 17.04.2009 gemeinsam mit einer anderen Gesellschaft einen Zusammenschluss von Unternehmen zum Zweck der gegenseitigen Ergänzung (A), an dem die beiden Unternehmen entsprechend ihres allgemeinen Beitrags zum Aufwand des A zu 15 % bzw. 85 % beteiligt waren. Gegenstand war die gemeinsame Durchführung des Werkvertrags zur Erweiterung eines Flüssigerdgasterminals.

Zur Gründung der A verwendete die Klägerin die USt.-IDNr. 1, die ihr als gebietsfremdes Unternehmen ohne feste Niederlassung zugeteilt worden war. Die Tätigkeit der A setzte sich (über eine Subunternehmerschaft) aus den Geschäftstätigkeiten der Zweigniederlassung der Klägerin und des anderen den Zusammenschluss A bildenden Unternehmens zusammen, wobei diese beiden dem A Rechnungen über die von diesem gegenüber dem Auftraggeber abgerechneten Gesamteinnahmen stellten.

Am 04.05.2009 schloss die Zweigniederlassung der Klägerin (unter Verwendung der USt.-IDNr. 2) mit A einen Subunternehmervertrag, in dem die wechselseitigen Leistungen zwischen der Zweigniederlassung und A vereinbart wurden. Darüber hinaus wurde festgelegt, dass A den Subunternehmern die ihm entstandenen Kosten im vereinbarten Verhältnis in Rechnung stellt.

Am 13.04.2009 meldete die Zweigniederlassung zu steuerlichen Zwecken die Aufnahme von Ingenieurtätigkeiten und verwandten fachspezifischen Tätigkeiten als nichtansässiger Steuerpflichtiger mit fester Niederlassung an. Die Zweigniederlassung unterlag in PT der Regelbesteuerung. A hatte auf den zur Inrechnungstellung von Kosten gegenüber der Zweigniederlassung ausgestellten Belastungsanzeigen deren USt.-IDNr. 2 angegeben und MwSt berechnet. Die Zweigniederlassung machte hieraus den Vorsteuerabzug geltend. Im Zuge einer Außenprüfung bei der Zweigniederlassung kam die portugiesische Finanzbehörde zu dem Ergebnis, dass die Zweigniederlassung zu Unrecht Vorsteuer für von A in Rechnung gestellte Aufwendungen für Bauleistungen abgezogen habe.

Hiergegen wandte sich die Zweigniederlassung. Sie erachtete es als unerheblich, dass sie für die Gründung des A die der Klägerin zugeteilte USt.-IDNr. 1 anstatt die ihr selbst als Zweigniederlassung zugeteilte USt.-IDNr. 2 verwendet habe. Die bei A angefallenen Aufwendungen seien dessen Mitgliedern unter der USt.-IDNr. 2 als Unternehmen mit fester Niederlassung in Portugal, d. h. als Zweigniederlassung in Rechnung gestellt worden. Für MwSt.-Zwecke sei sie in Portugal stets über ihre feste Niederlassung aufgetreten und sie seit daher als Steuerpflichtige anzuerkennen.

Nach Auffassung der portugiesischen Steuerbehörde war die Zweigniederlassung eine feste Niederlassung und stellte ein von der Muttergesellschaft getrenntes eigenes Steuersubjekt dar, sodass sie nicht dieser zuzurechnende Aufwendungen für sich verbuchen und die dazugehörige Vorsteuer abziehen könne, wobei die Muttergesellschaft (und nicht die Zweigniederlassung) Mitglied des A sei. Zivilrechtlich handele es sich zwar um dieselbe juristische Person, aber in steuerrechtlicher Hinsicht bestünden zwei getrennte Steuerpflichtige. Die Klägerin könne Vorsteuer in Portugal abziehen, allerdings nur als nichtansässiger Steuerpflichtiger ohne feste Niederlassung.

Die portugiesische Steuerbehörde vertrat zudem die Auffassung, dass die Gemeinkosten, die der Zweigniederlassung von A in Rechnung gestellt wurden, aufgrund dessen, dass nicht die Kosten, sondern das steuerliche Ergebnis des A seinen Mitgliedern nach deren Beteiligungsverhältnis zuzurechnen sei und die Zweigniederlassung kein Mitglied des A sei, steuerlich nicht abzugsfähig seien und folglich auch die entsprechende in diesen Belastungsanzeigen angesetzte und von der Zweigniederlassung abgezogene MwSt nicht als Vorsteuer abzugsfähig sei.

Vor diesem Hintergrund wollte das vorlegende Gericht wissen, ob die Art. 44, 45, 132 Abs. 1 Buchst. f, 167, 168, 169, 178, 179, 192a, 193, 194 und 196 der MwStSystRL, die Art. 10 und 11 der Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011 sowie der Grundsatz der Neutralität dem entgegenstehen, dass die portugiesische Steuerverwaltung der Zweigniederlassung das Vorsteuerabzugsrecht verweigerte.

Entscheidung

Die Generalanwältin Kokott hatte in ihren Schlussanträgen die Auffassung vertreten, dass ein Recht auf Vorsteuerabzug nicht bestehe, weil kein Entgelt für eine Dienstleistung gezahlt worden sei. Bei den jeweiligen Beträgen handele es sich um die allgemeinen Kosten der wirtschaftlichen Tätigkeit des A. Die Rechnungen hätten allein den Zweck, diese Kosten auf die deutsche GmbH als Gesellschafter umzulegen. Die Beträge seien für keine Gegenleistung des Zusammenschlusses an die portugiesische Zweigniederlassung entrichtet worden und hätten daher keinen Entgeltcharakter.

Der EuGH ist in seinem Urteil nicht auf die von der Generalanwältin aufgeworfenen Fragen eingegangen. Er kommt unter Hinweis auf seine bisherige Rechtsprechung zu dem Ergebnis, dass die deutsche GmbH und die portugiesische Zweigniederlassung ein und dieselbe rechtliche Einheit und damit ein einziger Steuerpflichtiger sind. Die deutsche GmbH und die portugiesische Zweigniederlassung können hiernach nicht als zwei verschiedene Steuerpflichtige angesehen werden, nur weil sie jeweils über eigene USt.-IdNrn. verfügen. Der Grundsatz der steuerlichen Neutralität gebiete, dass der Vorsteuerabzug gewährt wird, wenn die materiellen Voraussetzungen - die nach Auffassung der Generalanwältin nicht vorlagen - erfüllt sind. Dies zu prüfen sei Sache des vorlegenden Gerichts.

Der EuGH hebt mit seiner Entscheidung auf frühere Rechtsprechung ab. Eine in einem Mitgliedstaat ansässige Gesellschaft und ihre Zweigniederlassung in einem anderen Mitgliedstaat sind mehrwertsteuerrechtlich als ein einziger Steuerpflichtiger anzusehen (vgl. in diesem Sinne EuGH, Urt. v. 23.03.2006, C-210/04, FCE Bank, sowie EuGH, Urt. v. 12.09.2013, C-388/11, Le Crédit Lyonnais, es sei denn, es wird nachgewiesen, dass die Zweigniederlassung einer selbständigen Wirtschaftstätigkeit nachgeht. Hierzu ist zu prüfen, ob eine solche Zweigniederlassung als selbständig betrachtet werden kann, insbesondere ob sie das wirtschaftliche Risiko ihrer Tätigkeit trägt.

Praxishinweis

Das deutsche Recht steht mit dem vorliegenden Urteil im Einklang (vgl. z. B. die Ausführungen in Abschnitt 2.1 Abs. 5 UStAE zur Unternehmereigenschaft einer Innengesellschaft oder Abschnitt 15.2a Abs. 12 UstAE, wonach Steuerbeträge, die für einen Innenumsatz – z. B. zwischen Betriebsabteilungen desselben Unternehmers oder innerhalb eines Organkreises – gesondert ausgewiesen werden, nicht zum Vorsteuerabzug berechtigen).

Da sich die Vorlagefragen speziell auf die Würdigung des konkreten Falles und nicht auf Rechtsfragen bezogen, hätte die Zulässigkeit des Vorabentscheidungsersuchens zweifelhaft sein können. Die Generalanwältin hatte bereits problematisiert, inwieweit den Belastungsanzeigen, aus denen die Zweigniederlassung den Vorsteuerabzug begehrte, tatsächlich Leistungen im mehrwertsteuerlichen Sinne zu Grunde lagen oder ob es sich um eine reine Kostenübernahme handelte. Dies vor dem Hintergrund, dass offenbar der A gegenüber dem Auftraggeber des Werkvertrages aufgetreten war. Zudem war nach dem Sachverhalt offensichtlich unklar, ob es sich um eine selbständige oder unselbständige Zweigniederlassung handelte.

Anzumerken ist, dass eine unselbständige Zweigniederlassung nach der Rechtsprechung des EuGH im Urteil FCE Bank, C-210/04, zusammen mit dem Unternehmen, zu dem sie gehört, einen einzigen Steuerpflichtigen bildet. In diesem Fall kann die Klägerin im Ausgangsverfahren hinsichtlich eines Vorsteuerabzugs nicht auf das Vorsteuervergütungsverfahren verwiesen werden. Auch kann der Vorsteuerabzug – zumindest nach der neueren Rechtsprechung des EuGH – wohl nicht allein deshalb versagt werden, weil nicht die richtige USt.-IDNr. verwendet wurde.

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