Gleiche Sorgfaltspflichten im Zusammenhang mit der Steuerbefreiung einer Einfuhr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung wie für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung selbst

Anmerkung zu EuGH, Urt. v. 25.10.2018, C-528/17, Milan Božičevič Ježovnik

Praxisproblem

Bei dem slowenischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um die Steuerbefreiung für Einfuhren, denen eine innergemeinschaftliche Lieferung folgt (Zollverfahren 42). Das Zollamt Ljubljana verpflichtete mit Bescheid v. 24.05.2013 den Kläger zur Zahlung von EUSt für Ware, für die der Kläger bei der Einfuhr eine Steuerbefreiung geltend gemacht hatte, weil die Ware zur unionsinternen Weiterlieferung bestimmt war. Der Kläger hatte die Durchführung des sogenannten Zollverfahrens 42 (im deutschen Umsatzsteuerrecht nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG) beantragt. Anhang 38 der im Streitjahr anzuwendenden Verordnung (EWG) Nr. 2454/93 (ZK-DVO) bestimmt, dass in Feld 37 der Zollanmeldung der Verfahrenscode 42 einzutragen ist, wenn das Zollverfahren der gleichzeitigen Überführung in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr mit mehrwertsteuerbefreiender Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat beantragt wird. Die Zollbehörde nahm die Zollanmeldung des Klägers an und genehmigte die Überführung der Ware in den zoll- und steuerrechtlich freien Verkehr. Sie erhob daher bei der Einfuhr zunächst keine EUSt.

Sachverhalt

In dem Verfahren ging es um mehrere Zollanmeldungen zur Durchführung des Zollverfahrens 42, die der Kläger im Zeitraum 2009 bis 2011 bei der zuständigen Zollbehörde einreichte. In den Zollanmeldungen war u. a. angegeben, dass es sich um Warenlieferungen mit der Handelsklausel FCA (ein Übernahmeort in Slowenien) handelte (Feld 20 der Zollanmeldung), die Währung und der Lieferbetrag waren angeführt (Feld 22 der Zollanmeldung), als Art des Geschäfts war der Verfahrenscode 11 eingetragen (Feld 24 der Zollanmeldung), was bedeutet, dass es sich um einen endgültigen Kauf/Verkauf handelte, die Rechnung, die den Zollwert der Ware auswies, war angeführt und im Zusammenhang damit war angegeben, dass die MwSt-Befreiung gemäß „50/4“1 geltend gemacht werde, weil die Ware an den dort genannten rumänischen Käufer geliefert werde (Feld 44 der Zollanmeldung).

Gegenstand der Einfuhr waren Bananen. Diese hatte der Kläger, der die Bananen auch vertrieb, größtenteils von einem Lieferanten mit Sitz auf den Jungferninseln bezogen. Der Kläger sorgte bei den strittigen Geschäften dafür, dass die Bananen vor dem Verkauf an die Endkäufer bereits verzollt waren, was für die Käufer attraktiver war, da sie sich so nicht um die Zollverfahren kümmern mussten. Der Kläger übernahm die Bananen in dem FCA-Ort in Slowenien und verkaufte sie von dort an Käufer aus Slowenien, anderen EU-Mitgliedstaaten oder Drittländern.

Rechnungen, Proforma-Rechnungen und sonstige Dokumente wurden per E-Mail, Fax oder normaler Post übermittelt. Der Kläger trug vor, dass er vor Geschäftsabschluss, und zwar auch bei den strittigen Umsätzen, sowohl die EORI-Nummern der Käufer als auch die Gültigkeit ihrer USt-IdNrn. überprüft und von ihnen die Erklärung verlangt habe, dass sie die Bananen aus dem slowenischen Zollgebiet verbringen. Wenn die Käufer die Ware bezahlten, wurde diese auf Grundlage der Rechnung, die dem Kläger von seinem Lieferanten ausgestellt wurde, verzollt und dann dem Käufer in dem FCA-Ort in Slowenien übergeben. Für den Transport der Bananen sorgte der Käufer, ebenfalls für die Rücksendung der quittierten CMR-Frachtbriefe nach Entladung der Ware am Zielort.

Zwischen den Parteien des Ausgangsverfahrens war unstreitig, dass die einzelnen rumänischen Käufer, die sich später als problematisch erwiesen, zum Zeitpunkt der Wareneinfuhr eine gültige USt-IdNr. hatten und dass dies im MIAS-System auch ausgewiesen wurde. Zwischen den Parteien war weiterhin unstreitig, dass der Kläger die Bananen den rumänischen Käufern mit der Handelsklausel FCA - Ort in Slowenien - lieferte, was bedeutet, dass er die Ware dem Käufer bzw. dem Frachtführer im Übernahmeort in Slowenien übergab.

Der Transport der Ware wurde von den Käufern organisiert. Ferner war unstreitig, dass der Kläger der Zollbehörde bei Einfuhr der Ware bestimmte Beweise dafür vorlegte, dass die Ware zur Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat bestimmt war. Den strittigen Zollanmeldungen legte er von den angemeldeten Warenempfängern abgestempelte „Erklärungen über den Verwendungszweck“ und „Erklärungen über die Zieldestination“ bei, die bestätigen, dass die Ware aus Slowenien ausgeführt und in einen anderen Mitgliedstaat verbracht werde.

Bei einer nachträglichen Kontrolle der Zollanmeldungen stellte die slowenische Zollbehörde fest, dass bestimmte rumänische Käufer, die von dem Kläger einige größere Lieferungen erhalten hatten, kurz vor der ersten Lieferung (auch erst zwei Tage vorher) neu für MwSt-Zwecke registriert wurden und dass mehrere dieser Käufer am gleichen Tag (01.08. 2010) vom MwSt-System abgemeldet wurden. Auf Aufforderung der Zollbehörde legte der Kläger als Beweis für die Lieferungen an die rumänischen Käufer Ausfertigungen der CMR-Frachtbriefe vor. Diese waren jedoch schlecht lesbar und unvollständig ausgefüllt, und die Angaben in Feld 24 (in dem das Datum und der Ort der Warenentladung angegeben sein müssen) waren fehlerhaft. Darüber hinaus deckte sich nach den Feststellungen der Zollbehörde der Verkaufspreis der Bananen mit dem Beschaffungspreis (der Preis, zu dem der Kläger die Bananen vom Lieferanten kaufte), außer in einigen Fällen, in denen es minimale Abweichungen gab. Weiterhin stellte die Behörde fest, dass sich die Angaben über das Gewicht der Bananen in den Rechnungen (die der Kläger den Endkäufern ausstellte) von den Gewichtsangaben in den Lieferantenrechnungen, die der Kläger den Zollanmeldungen beigelegt hatte, unterschieden und dass dieser in seinen Geschäftsbüchern andere Rechnungen erfasst hatte als die den Zollanmeldungen beigelegten und dass er den Zoll- und Steuerbehörden für dieselbe Ware unterschiedliche Rechnungen vorlegte.

Auf Grundlage aller aufgeführten Informationen kam die slowenische Zollbehörde zu dem Schluss, dass der Kläger nicht bewiesen habe, dass die Ware aus Slowenien ausgeführt wurde und bei den in den Zollanmeldungen angegebenen Käufern ankam. Der Kläger behauptete, dass die vorgelegten CMR-Frachtbriefe, obwohl sie teilweise unvollständig seien, den Empfang der Ware in Rumänien bewiesen und dass dieser auch durch die Dokumente über die Warenausgabe und die Intrastat-Meldung der Umsätze sowie die von den Käufern erhaltenen Zahlungen bewiesen werde. Über andere Dokumente, die den Empfang der Ware in Rumänien beweisen würden, verfügte der Kläger nicht.

Das Vorlagegericht wollte wissen, ob ein Einführer (Anmelder), der bei der Einfuhr die MwSt-Befreiung geltend macht, weil die Ware zur Lieferung in einen anderen Mitgliedstaat bestimmt ist, in der gleichen Weise für die Zahlung der MwSt haftet (wenn nachträglich festgestellt wird, dass die Voraussetzungen für die Befreiung tatsächlich nicht vorlagen), in der er für die Zahlung der Zollschuld haftet. Wenn dies verneint wird, fragte das Vorlagegericht, ob der der Einführer (Anmelder) in der gleichen Weise wie ein Steuerpflichtiger haftet, der eine befreite innergemeinschaftliche Lieferung gem. Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL durchführt. Weiter fragte das Gericht, ob in diesem Fall das subjektive Element beim Einführer (Anmelder), nämlich die Absicht, das Mehrwertsteuersystem zu missbrauchen, anders zu beurteilen als im Fall von innergemeinschaftlichen Lieferungen gem. Art. 138 Abs. 1 MwStSystRL. Das Gericht wollte wissen, ob diese Beurteilung milder auszufallen hat, da im Zollverfahren 42 die MwSt-Befreiung zuvor von der Zollbehörde genehmigt werden muss, oder ob sie strenger auszufallen hat, da es sich um Umsätze handelt, die mit der ersten Verbringung von Waren aus Drittländern in den Binnenmarkt der EU zusammenhängen.

Entscheidung

Der EuGH verweist auf seine bisherige Rechtsprechung, dass die Haftung eines Lieferers für die nachträgliche Zahlung von MwSt anders beurteilt wird als die eines Importeurs für die Zahlung der Zölle. So ist der Importeur zur Zahlung der Zölle verpflichtet, die für die Einfuhr einer Ware geschuldet werden, in Bezug auf die der Exporteur eine zollrechtliche Zuwiderhandlung begangen hat, auch wenn der Importeur gutgläubig ist und an dieser Zuwiderhandlung nicht beteiligt war (vgl. EuGH, Urt. v. 17.07.1997, C-97/95, Pascoal & Filhos). Diese Rechtsprechung ist aber nicht auf die Beurteilung der Frage übertragbar, ob der Lieferer im Rahmen einer betrugsbehafteten innergemeinschaftlichen Lieferung zur nachträglichen Entrichtung der MwSt verpflichtet werden kann (vgl. EuGH, Urt. v. 27.09.2007, C-409/04, Teleos u. a.). Daraus folgt, dass ein gutgläubiger Lieferer, der alle Maßnahmen ergriffen hat, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden konnten und eine innergemeinschaftliche Lieferungen nach Art. 138 MwStSystRL getätigt hat, die ohne sein Wissen eine Beteiligung an einem Betrug seitens des Erwerbers darstellte, nicht zur nachträglichen Zahlung der MwSt verpflichtet werden kann. Der EuGH bestätigt, dass diese Rechtsprechung auch für die in Art. 143 Abs. 1 Buchst. d MwStSystRL geregelte  Steuerbefreiung bei der Einfuhr von Gegenständen gilt, die für eine anschließende innergemeinschaftlichen Lieferung bestimmt sind (vgl. EuGH, Urt. v. 20.06.2018, C-108/17, Enteco Baltic).

Würde einem Importeur und Lieferer ohne Rücksicht auf seine Sorgfalt im Fall eines vom Erwerber im Rahmen der nachfolgenden innergemeinschaftlichen Lieferung begangenen Betrugs automatisch das Recht auf Befreiung von der EUSt verweigert, liefe dies auf eine Trennung der Verbindung zwischen der Befreiung bei der Einfuhr und der Befreiung der nachfolgenden innergemeinschaftlichen Lieferung hinaus. Diese Befreiung darf dem Lieferer im Fall eines Betrugs seitens des Erwerbers aber nicht automatisch verweigert werden.

Insgesamt überlässt es der EuGH dem Vorlagegericht zu prüfen, ob der Kläger gutgläubig gehandelt hatte. Wenn der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass die Lieferungen, die auf die Einfuhren folgten, mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft waren, und er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hatte, um diese zu verhindern, ist die Befreiung von der EUSt zu versagen. Ein Importeur und Lieferer, der eine Befreiung von der EUSt auf der Grundlage einer Genehmigung in Anspruch genommen hat, die von den zuständigen Zollbehörden nach einer Vorabprüfung aufgrund der von dem Unternehmer vorgelegten Nachweise erteilt worden ist, ist nicht zur nachträglichen Entrichtung der EUSt verpflichtet, wenn sich später herausstellt, dass die materiellen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung nicht erfüllt waren.

Etwas anderes gilt aber, wenn anhand objektiver Umstände wird festgestellt, dass der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass die auf die Einfuhren folgenden Lieferungen mit einer Steuerhinterziehung des Erwerbers verknüpft waren, und er nicht alle ihm zur Verfügung stehenden zumutbaren Maßnahmen ergriffen hat, um diese zu verhindern. Der bloße Umstand, dass die Steuerbefreiung der Einfuhr von der zuständigen Zollbehörde nach einer Vorabprüfung auf der Grundlage der Angaben des Importeurs in den Zollanmeldungen genehmigt wurde, ist für sich allein nicht geeignet, jegliche Möglichkeit einer nachträglichen Erhebung der EUSt auszuschließen, wenn sich herausstellt, dass der Importeur an einer Steuerhinterziehung beteiligt war oder die nötige Sorgfalt zur Vermeidung einer solchen Beteiligung unterlassen hat.

Praxishinweis

Das Urteil hat auch Bedeutung für das deutsche Umsatzsteuerrecht. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 UStG ist die Einfuhr von Gegenständen steuerfrei, die von einem Schuldner der EUSt im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung von innergemeinschaftlichen Lieferungen i. S. v. § 4 Nr. 1 Buchst. b i. V. m. § 6a UStG verwendet werden. Einfuhrumsatzsteuerfrei ist somit der Fall, dass ein Importeur eine Ware in das Unionsgebiet verbringt und in einem Mitgliedstaat in den zollrechtlich freien Verkehr überführt und sie unmittelbar aus diesem Mitgliedstaat in einen anderen Mitgliedstaat weiterliefert. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 3 Buchst. a bis c UStG hat der Schuldner der EUSt die ihm oder seinem Fiskalvertreter im Geltungsbereich des UStG erteilte, also eine deutsche USt-IdNr. und die im anderen Mitgliedstaat erteilte USt-IdNr. des Abnehmers mitzuteilen. Außerdem muss der Schuldner der EUSt nachzuweisen, dass die Gegenstände zur Beförderung oder Versendung in das übrige Gemeinschaftsgebiet bestimmt sind. Diese Angaben hat der Schuldner der EUSt zum Zeitpunkt der Einfuhr, d. h. bei der Abgabe der Zollanmeldung zu machen. Als Nachweisbelege kommen Frachtbriefe, Lieferscheine, Rechnungen oder entsprechende Dokumente in Betracht. Ziel dieser Regelung ist die Bekämpfung des Steuerbetrugs bei der Einfuhr.

Die Gegenstände werden im Anschluss an die Einfuhr unmittelbar zur Ausführung einer innergemeinschaftlichen Lieferung verwendet, wenn die Beförderung oder Versendung in einem anderen Mitgliedstaat als dem der Einfuhr endet und die Gegenstände direkt und in der Beschaffenheit, die sie im Zeitpunkt der Überlassung in den zollrechtlich freien Verkehr haben, in den anderen Mitgliedstaat versandt oder befördert werden. Der Abnehmer der innergemeinschaftlichen Lieferung muss im Zeitpunkt der Einfuhr bereits feststehen, sich also aus den Beförderungsunterlagen ergeben und ein Unternehmer sein, der in einem anderen Mitgliedstaat für umsatzsteuerliche Zwecke erfasst ist, d. h. der über eine USt-IdNr. aus einem anderen Mitgliedstaat verfügt. Der Schuldner der EUSt hat das Vorliegen der Voraussetzungen gem. § 6 a Abs. 1 - 3 UStG nachzuweisen.

Als neue Erkenntnis lässt sich aus dem EuGH-Urteil herleiten, dass für die Steuerbefreiung einer Einfuhr mit anschließender innergemeinschaftlicher Lieferung hinsichtlich der Sorgfaltspflichten des Importeurs (und Lieferers) hinsichtlich des Nachweises der Steuerbefreiung die gleichen Maßstäbe gelten wie für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung selbst.

Folglich müssen Unternehmen, welche das Verfahren 42 anwenden, die gleichen Vorkehrungen und Prozesse beachten, welche für die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung notwendig sind. Hier sollten die Unternehmen gut aufgestellt sein, da die Steuerbefreiung regelmäßig Gegenstand einer Außenprüfung ist und auch im Wege der Datenanalyse verstärkt versucht wird, diese Steuerbefreiungen zu kontrollieren. Das USt-Team der AWB hilft Ihnen gern dabei, Ihre innerbetrieblichen Abläufe entsprechend zu gestalten. Zugleich hilft häufig auch ein Blick auf den status quo, um Handlungsbedarf zu eruieren. Im Rahmen einer Statusanalyse der AWB können wir diesem Themengebiet auf den Grund gehen.

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