Steuerbefreiung, Heilbehandlungsleistungen, Leistungen der Laboratoriumsdiagnostik, Facharzt für klinische Chemie

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v. 18.09.2019, C-700/17,Wolf-Henning Peters

Sachverhalt

Bei dem Vorabentscheidungsersuchen des BFH v. 11.10.2017 (XI R 23/15) ging es um die Steuerbefreiung für Heilbehandlungen nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSytRL bzw. um die Abgrenzung zwischen diesen Befreiungsvorschriften.

Der Kläger, ein Facharzt für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik, führte in den Streitjahren (2009 bis 2012) ab dem 01.10.2009 ausschließlich Umsätze an eine X-GmbH, ein Laborunternehmen, aus. Die X-GmbH erbrachte Laborleistungen an niedergelassene Ärzte, Rehakliniken, Gesundheitsämter und Krankenhäuser. Der Kläger erbrachte gegenüber der X-GmbH entgeltliche Leistungen der Befunderhebung mit dem Ziel konkreter laborärztlicher Diagnosen sowie ärztliche Hilfestellungen bei transfusionsmedizinischen Maßnahmen für konkrete Behandlungsverhältnisse, die sich als Bestandteile von Gesamtverfahren darstellten, die konkreten Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin dienten. Der Kläger ging davon aus, dass seine Umsätze gegenüber der X-GmbH als Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin gem. § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG steuerfrei seien und gab folglich für die Streitjahre keine Umsatzsteuererklärungen ab. Das FA behandelte die betreffenden Umsätze dagegen als steuerpflichtig. Leistungen von klinischen Chemikern und Laborärzten beruhten nicht auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis zu den Patienten, das aber Voraussetzung für die Anwendung der Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a Satz 1 UStG sei.

Vor diesem Hintergrund fragte der BFH den EuGH u. a., ob sich die Steuerfreiheit von Heilbehandlungen eines Facharztes für klinische Chemie und Laboratoriumsdiagnostik im Bereich der Humanmedizin unter Umständen wie denen des Ausgangsverfahrens nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL oder nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL beurteilt. Weiter will der BFH wissen, ob die Anwendbarkeit von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL (falls diese Bestimmung anwendbar ist) ein Vertrauensverhältnis zwischen dem Arzt und der behandelten Person voraussetzt.

Entscheidung

Der EuGH hat, wie zu erwarten war, entschieden, dass im Ausgangsfall die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL in Betracht kommt, weil auch die Befundleistungen des Arztes einen therapeutischen Zweck besitzen. Dies gilt jedenfalls dann, wenn die Befundleistungen nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen der Befreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL erfüllen. Aus Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL geht, so der EuGH, nicht hervor, dass diese Bestimmung die Reichweite von Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL beschränken sollte. Weiter ist nach dem Urteil Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL dahin auszulegen, dass die dort geregelte Steuerbefreiung nicht davon abhängt, dass die betreffende Heilbehandlungsleistung im Rahmen eines Vertrauensverhältnisses zwischen dem Patienten und dem Behandelnden erbracht wird.

Praxishinweis

Die Entscheidung des EuGH, dass die Steuerbefreiung nach Art. 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL für Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin durch Ärzte auch bei laboratoriumsdiagnostischen Leistungen wie im Ausgangsverfahren anwendbar sein kann, dürfte im Widerspruch der Entscheidung des BFH v. 24.08.2017, V R 25/16, stehen. Dort führt der BFH aus, dass medizinische Analysen, die von einem in privatrechtlicher Form organisierten Labor außerhalb der Praxisräume des sie anordnenden praktischen Arztes durchgeführt werden, nur nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG (nicht aber nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG) steuerfrei sein können. Auch der Gesetzgeber ist bei der Neufassung des § 4 Nr. 14 UStG durch das JStG 2009,BT-Drucks. 16/10189, 74 f., unter Hinweis auf die seinerzeit vorliegende EuGH- und BFH-Rechtsprechung hiervon ausgegangen. Angesichts des vorliegenden Urteils des EuGH ist rückblickend fraglich, ob es sich seinerzeit um eine zutreffende Auslegung der damaligen EuGH-Rechtsprechung durch den nationalen Gesetzgeber handelte.

Bezogen auf die zweite Frage des BFH bzgl. eines Vertrauensverhältnisses zwischen Arzt und Patient hatte der EuGH bereits entschieden, dass das Bestehen eines persönlichen Vertrauensverhältnisses für die Steuerbefreiung nach Art, 132 Abs. 1 Buchst. c MwStSystRL entbehrlich ist. So hatte der EuGH mit Urteil v. 18.11.2010, C-156/09, Verigen (diese Entscheidung wird im vorliegenden Urteil nicht zitiert) entschieden, dass die Steuerbefreiung für das Herauslösen von Knorpelzellen aus entnommenem Knorpelmaterial und ihre anschließende Vermehrung zur Reimplantation durch ein Labor zu therapeutischen Zwecken zu gewähren ist. Die Finanzverwaltung vertritt bisher die Auffassung, dass Leistungen klinischer Chemiker und Laborärzte nicht auf einem persönlichen Vertrauensverhältnis zu den Patienten beruhen und damit die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG nicht in Betracht kommt. Diese Auffassung dürfte nach der vorliegenden EuGH-Entscheidung überholt sein. Für Leistungen der Laboratoriumsdiagnostik (bzw. der Befunderhebung) durch Fachärzte für klinische Chemie dürfte künftig die Steuerbefreiung nach § 4 Nr. 14 Buchst. a UStG einschlägig sein, wenn nicht alle Tatbestandsvoraussetzungen nach § 4 Nr. 14 Buchst. b UStG erfüllt sind.

 

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