EuGH zum Vorsteuerabzug bei Dienstleistungen zur Errichtung oder Umgestaltung eines Immobilienobjekts, das im Eigentum eines Dritten steht

Anmerkung zu: EuGH, Urt. v.14.09.2017, C-132/16, Iberdrola Inmobiliaria Real Estate Investments EOOD

Praxisproblem

Ein Unternehmer, der für Zwecke des Vorsteuerabzugs als Leistungsempfänger anzusehen ist, ist nach § 15 Abs. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für sein Unternehmen i. S. d. § 2 Abs. 1 UStG und damit für seine unternehmerischen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt (vgl. BFH, Urt. v. 27.01. 2011, V R 38/09, BStBl II 2012, 68). Zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung muss nach dem objektiven Inhalt der bezogenen Leistung ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang bestehen. Fehlt ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren Ausgangsumsätzen, kann der Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigt sein, wenn die Kosten für die Eingangsleistung zu seinen allgemeinen Aufwendungen gehören und – als solche – Bestandteile des Preises der von ihm erbrachten Leistungen sind. Derartige Kosten hängen direkt und unmittelbar mit seiner wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zusammen und berechtigen nach Maßgabe dieser Gesamttätigkeit zum Vorsteuerabzug. Beabsichtigt der Unternehmer bereits bei Leistungsbezug, die bezogene Leistung nicht für seine unternehmerische Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für die Erbringung unentgeltlicher Wertabgaben i. S. v. § 3 Abs. 1b oder 9a UStG zu verwenden, ist er nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt.

Sachverhalt

Bei dem bulgarischen Vorabentscheidungsersuchen ging es um den Vorsteuerabzug aus Vorbezügen, die für eine unentgeltliche Tätigkeit und für eigene unternehmerische Zwecke verwendet werden.

Die Klägerin hatte in einem Feriendorfkomplex die Instandsetzung einer öffentlichen Kanal-Pumpstation übernommen und mit der Instandsetzung eine Baufirma beauftragt. Die Pumpstation ist Eigentum und Teil der Abwasserentsorgung der Gemeinde, auf dessen Gebiet sich die Feriendorfanlage der Klägerin als deren eigenes Grundstück befindet. Die bulgarische Finanzbehörde verweigerte der Klägerin den Vorsteuerabzug aus den Instandsetzungsarbeiten, weil diese von der Klägerin der Gemeinde gegenüber unentgeltlich überlassen wurden. In einem Sachverständigengutachten wurde festgestellt, dass ohne die Instandsetzung der Pumpstation es der Klägerin nicht möglich gewesen wäre, das von ihr betriebene Feriendorf an das existierende Abwassersystem anzuschließen.

Der EuGH musste entscheiden, ob Art. 70 BG-MwStG unionsrechtskonform ist. Danach ist der Vorsteuerabzug in einem Fall wie dem des Ausgangsverfahrens ausgeschlossen, wenn Dienstleistungen (hier die Instandsetzungsarbeiten an die Klägerin) zur Errichtung eines im Eigentum eines Dritten stehenden Objekts (hier die Kanal-Pumpstation der Gemeinde) sowohl im Interesse des Leistungsempfängers (hier der Klägerin) als auch des Dritten erfolgen, weil der Dritte das Dienstleistungsergebnis (hier die abgeschlossenen Instandsetzungsarbeiten) unentgeltlich erhält, ohne dass berücksichtigt wird, dass die Dienstleistungen auch für die unternehmerische Tätigkeit des Leistungsempfängers verwendet werden.

Entscheidung

Der EuGH hat (nach Wiederholung seiner ständigen Grundsätze zu den Voraussetzungen und zum Umfang des Vorsteuerabzugs - das Recht auf Vorsteuerabzug wird zugunsten des Unternehmers auch bei Fehlen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und einem oder mehreren zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätzen dann angenommen, wenn die Kosten für die fraglichen Dienstleistungen zu den allgemeinen Aufwendungen des Unternehmers gehören und – als solche – Kostenelemente der von ihm bewirkten Umsätze sind) entschieden, dass der Anschluss der Gebäude, die die Klägerin zu errichten beabsichtigte, ohne die Instandsetzung der Pumpstation unmöglich gewesen wäre, so dass diese Instandsetzung für die Durchführung des Vorhabens unerlässlich war und die Klägerin somit in Ermangelung einer solchen Instandsetzung ihre wirtschaftliche Tätigkeit nicht hätte ausüben können. Derartige Umstände sind nach dem Urteil geeignet, das Vorliegen eines direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen der Instandsetzung der Abwasserpumpstation, die im Eigentum der Gemeinde steht, und einem besteuerten Ausgangsumsatz der Klägerin nachzuweisen, da diese Dienstleistung offensichtlich bewirkt wurde, um der Klägerin die Durchführung des im Ausgangsverfahren in Rede stehenden Immobilienprojekts zu ermöglichen. Der Umstand, dass auch die Gemeinde von dieser Dienstleistung profitiert, rechtfertigt es nach dem Urteil nicht, der Klägerin den Vorsteuerabzug für die Aufwendungen zur Instandsetzung der Anlage zu versagen, wenn das Vorliegen eines solchen direkten und unmittelbaren Zusammenhangs nachgewiesen wird.

In dem Fall, dass die Instandsetzungsarbeiten an der Pumpstation über den allein durch die von der Klägerin errichteten Gebäude erzeugten Bedarf hinausgingen, wäre nach dem Urteil der direkte und unmittelbare Zusammenhang zwischen der Instandsetzung und den Ausgangsumsätzen der Klägerin dagegen teilweise unterbrochen, und ein Abzugsrecht wäre dann nur für die Vorsteuer zuzuerkennen, die in Bezug auf den Teil der für die Instandsetzung der Abwasserpumpstation angefallenen Kosten entrichtet wurde, der objektiv notwendig ist, damit die Klägerin ihre besteuerten Umsätze ausführen kann.

Praxishinweis

Das Urteil hat auch Bedeutung für das deutsche Umsatzsteuerrecht. Beabsichtigt der Unternehmer bereits bei Leistungsbezug, die bezogene Leistung nicht für seine unternehmerische Tätigkeit, sondern ausschließlich und unmittelbar für unentgeltliche Wertabgaben i. S. v. § 3 Abs. 1b oder 9a UStG zu verwenden, ist er nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Nur mittelbar mit der unentgeltlichen Wertabgabe verfolgte Ziele, die den Unternehmer zum Vorsteuerabzug berechtigen, sind unerheblich (vgl. BFH, Urt. v. 09.12.2010, V R 17/10, BStBl II 2012, 53 und Abschn. 15.2b Abs. 2 UStAE). Da im Ausgangsverfahren die Leistung zum Teil auch für unternehmerische Zwecke erworben wurde (ohne die instandgesetzte Kanal-Pumpstation kann die Feriendorfanlage nicht betrieben werden), konnte (wie vom EuGH jetzt bestätigt) ein sofortiger Vorsteuerausschluss im vorgenannten Sinne nicht in Betracht kommen. Die unentgeltliche Zuwendung der Instandsetzung an die Gemeinde im Ausgangsfall dürfte nach deutschem Recht allerdings eine steuerbare unentgeltliche Wertabgabe nach § 3 Abs. 1b Nr. 3 UStG darstellen (vgl. BFH, Urt. v. 14.05.2008, XI R 60/07, BStBl II 2008, 721 zum Fall der Zuwendung eines Straßenbauwerks an die öffentliche Hand im Zusammenhang mit der Errichtung einer Tankstelle). Zur Frage der unentgeltlichen Zuwendung musste der EuGH allerdings keine Entscheidung treffen.

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