Vorsteueraufteilung: Flächen- bzw Nutzungsschlüssel hat Vorrang vor Umsatzschlüssel

Anmerkung zu BFH, Urt. v. 24.08.2016, V R 36/15

Praxisproblem

Der BFH hatte mit Urteil v. 22.08.2013, V R 19/09, entschieden, dass die Regelung der Vorsteueraufteilung in § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG mit dem Unionsrecht vereinbar ist. Danach gilt seit dem 01.01.2004 ein Vorrang des Flächenschlüssels vor dem Umsatzschlüssel.

Der objektbezogene Flächenschlüssel führt zu einer präziseren Vorsteueraufteilung als der auf die Gesamtumsätze des Unternehmens bezogene Pro-rata-Satz. Deshalb darf ihn der deutsche Gesetzgeber nach dem EuGH-Urteil vom 08.11.2012, C-511/10, vorrangig vor dem Umsatzschlüssel zur Aufteilung vorsehen. Der Vorrang des Flächenschlüssels nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG gilt aber nur für solche Vorsteuerbeträge, die der Berichtigung nach § 15a UStG unterliegen. Hierunter fallen insbesondere Vorsteuern aus Anschaffungs- und Herstellungskosten von Wirtschaftsgütern.

Der BFH hatte in der Revisionssache V R 36/15 über einen weiteren Fall der Vorsteueraufteilung von Gebäudekosten bei gemischter Nutzung des Gebäudes sowohl zu steuerpflichtigen (vorsteuerunschädlichen) als auch steuerfreien (vorsteuerschädlichen) Ausgangsumsätzen zu entscheiden. Streitig war der Umfang des Vorsteuerabzugs einer Privatschule für den Anbau einer Sporthalle und eines Sportplatzes, die tlw. für steuerfreie eigenschulische Zwecke und teilweise für steuerpflichtige Vermietungszwecke an Vereine genutzt wurden.

Sachverhalt

Die Klägerin ging aufgrund einer Jahresbetrachtung von einer steuerpflichtigen Verwendung von 77,34 % aus. Diesen Anteil berechnete sie, indem sie einen täglichen Zeitraum von 8:00 Uhr bis 22:00 Uhr in eine vorsteuerschädliche Nutzung durch die Schule von 8:00 Uhr bis 15:00 Uhr in den Schulzeiten und die gesamte verbleibende Zeit (15:00 Uhr bis 22:00 Uhr in der Schulzeit und 8:00 Uhr bis 22:00 Uhr an Wochenenden und in den Ferienzeiten) für die steuerpflichtige Vermietung aufteilte.

Das Finanzamt erkannte für die Jahre 2006 bis 2008 einen anteiligen Vorsteuerabzug ausgehend von einer außerschulischen Auslastung von 70 % abzgl. der Zeiten für schulische Sonderveranstaltungen an, woraus sich insgesamt ein abziehbarer Vorsteueranteil von 55 % in allen Streitjahren ergab. Es sei nicht die abstrakt mögliche, sondern die realistisch zu erwartende, Vermietungszeit zugrunde zu legen. Nachdem im Rahmen einer weiteren Sonderprüfung für die Folgejahre 2009 bis 2013 festgestellt wurde, dass die Sporthalle zu maximal 40,45 % und der Sportplatz zu 15,92 % vermietet wurden, erzielten die Beteiligten eine tatsächliche Verständigung dahingehend, dass eine Vermietung in den Ferienzeiten und an Feiertagen je zur Hälfte stattgefunden habe. Die verbleibende Klage, mit der die Klägerin eine Erhöhung von 55 % anerkannter Vorsteuern auf 76 % begehrte, wies das Finanzgericht ab. Der Vorsteuerabzug sei nicht gem. § 15 Abs. 2 UStG aufgrund einer beabsichtigten, nach § 4 Nr. 12 Buchst. a UStG steuerfreien, Vermietung ausgeschlossen, weil es sich bei der stundenweisen Überlassung von Sportanlagen um eine steuerpflichtige sonstige Leistung handele. Da die Nutzung für den eigenen Schulbetrieb vorsteuerabzugsschädlich sei, müsse eine Vorsteueraufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG nach Maßgabe der zeitlichen Nutzung durchgeführt werden. Der Vorsteuerabzug für die Zeiten der Planungs- und Bauphase (2006 und 2007) sei nach der beabsichtigten Nutzung zu beurteilen, wobei die spätere tatsächliche Verwendung als Indiz in Betracht zu ziehen sei. Das Jahr der erstmaligen Verwendung (2008) müsse als Anlaufphase bei Bemessung der Quote außer Betracht bleiben. In die Vorsteueraufteilung ginge nur das Verhältnis der tatsächlichen Vermietungszeiten, nicht aber Leerstandszeiten ein. Die von der Klägerin vorgenommene Aufteilung sei nicht sachgerecht, soweit sie die gesamten Leerstandszeiten der beabsichtigten steuerpflichtigen Nutzung zuordne, denn eine Vollauslastung außerhalb der Schulzeiten könne nicht erwartet werden. Danach sei die Klage abzuweisen, weil der Mittelwert der tatsächlichen Nutzung von 40,65 % den vom FA anerkannten Wert von 55 % unterschreite.

Entscheidung

Der BFH hat die Revision der Privatschule als unbegründet zurückgewiesen. Bei einer zeitlich abwechselnden Nutzung desselben Gebäudes zu steuerfreien oder steuerpflichtigen Zwecken führt die Aufteilung der Vorsteuerbeträge nach den Nutzungszeiten zu einer präziseren wirtschaftlichen Zurechnung nach § 15 Abs. 4 Satz 3 UStG als der (unternehmensbezogene oder objektbezogene) Umsatzschlüssel. Im Rahmen der wirtschaftlichen Zurechnung nach Zeitanteilen kommt es aber entscheidend auf die tatsächlichen Nutzungszeiten an. Eine Aufteilung nach Nutzungsblöcken, in die sowohl die Zeiten der tatsächlichen Nutzung als auch die Leerstandszeiten eingehen, wäre nur dann ein sachgerechter Maßstab, wenn die sich unterschiedlich auswirkenden Nutzungen zeitlich strikt getrennt werden und dies anhand substantiierter Aufzeichnungen - mindestens über einen repräsentativen Zeitraum - nachvollziehbar sei. Die im Hinblick auf die Frage des Vorsteuerabzugs während der Planungs- und Bauphase vorzunehmende Prognose der zukünftigen Verwendung richtet sich bei wirtschaftlicher Betrachtungsweise nach den Nutzungszeiten, die nach dem gewöhnlichen Ablauf zu erwarten sind. Auf lediglich erwünschte, baurechtlich maximal erlaubte und unter günstigen Umständen theoretisch erreichbare, Vermietungszeiten kommt es nicht an.

Praxishinweis

Der BFH hat seine bisherige Rechtsprechung eines Vorrangs von Flächen- bzw. Nutzungsschlüssel vor einem Umsatzschlüssel bei der Vorsteueraufteilung bestätigt. In den unterschiedlichen Nutzungszeiten drückt sich die Zuordnung einer Sporthalle und eines Sportplatzes zu den mit diesen ausgeführten Umsätzen aus, ist damit verwendungsbezogen und führt zu sachgerechteren Ergebnissen als der (unternehmensbezogene oder objektbezogene) Umsatzschlüssel. Eine Vorsteueraufteilung anhand des objektbezogenen Flächenschlüssels kam im Streitfall nicht in Betracht, weil dieser die getrennte Nutzung verschiedener feststehender Funktionsbereiche eines Gebäudes voraussetzt. Vorliegend ging es aber nicht um die gleichbleibende Nutzung verschiedener Funktionsbereiche, sondern um die zeitlich abwechselnde Nutzung derselben Gebäudeteile zu steuerfreien oder steuerpflichtigen Zwecken. In vergleichbaren Fällen eines gemischt genutzten Gebäudes, das insgesamt (nicht einzelne Nutzungsbereiche) sowohl für steuerfreie als auch steuerpflichtige Umsätze genutzt wird, sollte also bei der Vorsteueraufteilung regelmäßig auf die Nutzungszeiten und nicht auf die Umsatzerlöse, die mit der gemischten Nutzung erzielt werden, abgestellt werden.

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