Das Ende des „Pommes-Erlass“: Vereinfachungsregelung für grenznahe innergemeinschaftliche Kleinabnehmer entfällt zum 01.01.2019

Anmerkung zu: BMF-Schreiben v. 23.04.2018 zur Abschaffung der Vereinfachungsregelung für innergemeinschaftliches Verbringen im grenznahen Bereich (Abschnitt 1a.2 Abs. 14 UStAE)

Praxisproblem

Liefert ein Unternehmer an einen konkreten Abnehmer in einem anderen Mitgliedstaat und handelt es sich bei dem Leistungsempfänger um einen Unternehmer, tätigt der leistende Unternehmer grundsätzlich eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Beim Leistungsempfänger liegt als Gegenstück ein innergemeinschaftlicher Erwerb vor. Das innergemeinschaftliche Verbringen zwischen Unternehmensteilen gilt im Ausgangsmitgliedstaat als Lieferung gegen Entgelt und ist einer innergemeinschaftlichen Lieferung gleichgestellt. Im Bestimmungsmitgliedstaat gilt es als innergemeinschaftlicher Erwerb. Der Unternehmer ist Lieferer und zugleich Erwerber.

Abschnitt 1a.2 Abs. 14 UStAE in seiner bisherigen Fassung regelte, dass aus Vereinfachungsgründen für Lieferungen, bei denen der liefernde Unternehmer den Liefergegenstand in den Bestimmungsmitgliedstaat an den Abnehmer befördert, unter bestimmten Voraussetzungen ein innergemeinschaftliches Verbringen angenommen wird. Die Regelung war wegen des Beispiels, in dem ein niederländische Großhändler in Venlo im grenznahen deutschen Raum eine Vielzahl von Kleinabnehmern (z. B. Imbissbuden, Gaststätten und Werkskantinen) mit Pommes frites beliefert, auch bekannt unter der Bezeichnung „Pommes-Erlass“. Eine unionsrechtliche Grundlage für die Regelung bestand nicht.

Mit der Regelung, die Jahr 1993 bei Einführung der Vorschrift für die Besteuerungen des Handels zwischen den Mitgliedstaaten als Vereinfachung für Unternehmer, die zuvor § 3 Abs. 8 UStG in Anspruch nehmen konnten, geschaffen worden war, zielte man ausschließlich auf Beförderungslieferungen von Großhändlern im grenznahen Raum ab. Eine Anwendung der Vereinfachungsregelung auf Versendungsfälle war seinerzeit nicht vorgesehen. Voraussetzung für die Anwendung dieser Vereinfachungsregelung war unter anderem, dass die beteiligten Steuerbehörden im Ausgangs- und Bestimmungsmitgliedstaat mit dieser Behandlung einverstanden waren. Der Antrag musste daher vor Ausführung der Lieferung gestellt und von der zuständigen Behörde genehmigt worden sein. Ob und wie andere Mitgliedstaaten die Zustimmung zu der Regelung erteilten, war im Einzelfall zu überprüfen.

Mit BMF-Schreiben v. 21.12.2012, BStBl I 2012, 1229, war der Anwendungsbereich der Vereinfachungsregelung nach Abschnitt 1a.2 Abs. 14 UStAE und deren verfahrensmäßige Abwicklung genauer gefasst und entsprechend ihrem seinerzeitigen Sinn und Zweck klargestellt worden. Auch war die Regelung ausdrücklich auf Beförderungsfälle beschränkt worden. Sie galt damit nicht mehr für Fälle, in denen der Liefergegenstand vom liefernden Unternehmer versendet oder vom Abnehmer befördert oder versendet wird, somit regelmäßig z. B. auch nicht für sog. Versandapotheken.

Entscheidung

Die Verwaltung hat mit BMF-Schreiben v. 23.04.2018 den sog. Pommes-Erlass 25 Jahre nach seiner Einführung abgeschafft. Grund hierfür war offensichtlich auch die Furcht vor Steuerausfällen, die sich aus der Regelung ergeben könnten. Die Abschaffung wirkt zwingend ab dem 01.01.2019. Bis zum 31.12.2018 können die Beteiligten noch nach der Vereinfachungsregelung verfahren.

Praxishinweis

Ohne die Vereinfachungsregelung muss der ausländische Unternehmer im Regelfall eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung erklären und der inländische Abnehmer den innergemeinschaftlichen Erwerb versteuern. Steuerschuldner wird in diesem Fall der Erwerber (§ 13a Abs. 1 Nr. 2 UStG). Die Steuer auf den innergemeinschaftlichen Erwerb kann er grundsätzlich als Vorsteuer abziehen (§ 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 UStG).

Wandte der ausländische Unternehmer die Vereinfachungsregelung an, erhielten die inländischen Unternehmer eine Rechnung mit gesondertem Umsatzsteuerausweis. Diese Rechnung berechtigte grundsätzlich zum Vorsteuerabzug. Der ausländische Unternehmer wurde Steuerschuldner (§ 13a Abs. 1 Nr. 1 UStG).

Diese Verfahrensweise ist ab dem 01.01.2019 nicht mehr möglich. Der ausländische Unternehmer muss über eine steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung abrechnen. Ein Steuerausweis in der Rechnung wäre im Falle einer steuerfreien innergemeinschaftlichen Lieferung ein unzutreffender Steuerausweis nach § 14c Abs. 1 UStG, die vom Abnehmer nicht als Vorsteuer geltend gemacht werden könnte. Die Abschaffung der Vereinfachungsregelung führt regelmäßig zur Erwerbsteuerpflicht des Abnehmers (§ 1a UStG), es sei denn, dieser ist z. B. ein Kleinunternehmer i. S. v. § 19 UStG oder ein pauschalierender Landwirt nach § 24 UStG und er hat die Erwerbsschwelle von 12.500 EUR nicht überschritten und nicht zur Erwerbsbesteuerung optiert (§ 1a UStG).

Bleibt der Gesamtbetrag der Erwerbe bei den in § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG bezeichneten Erwerbern unter der genannten Erwerbsschwelle und wird auf die Anwendung der Erwerbsschwelle nicht nach § 1a Abs. 4 UStG verzichtet, werden diese Unternehmer und die nicht unternehmerisch tätigen juristischen Personen wie private Endverbraucher behandelt. Das hat umsatzsteuerrechtlich zur Folge, dass ein innergemeinschaftlicher Erwerb nicht zu versteuern ist und die umsatzsteuerliche Belastung durch den Lieferstaat hergestellt wird. Eine Ausnahme stellt gem. § 1a Abs. 5 UStG der innergemeinschaftliche Erwerb neuer Fahrzeuge (§ 1b Abs. 2 und Abs. 3 UStG) und verbrauchsteuerpflichtiger Waren dar (Mineralöle, Alkohol und alkoholische Getränke sowie Tabakwaren, § 1a Abs. 5 S. 2 UStG). Diese Erwerbe unterliegen gem. A 1a.1 Abs. 2 S. 3 UStAE bei dem Personenkreis des § 1a Abs. 3 Nr. 1 UStG unabhängig von der Erwerbsschwelle stets der Erwerbsbesteuerung.

Kleinabnehmer, wie z. B. die in dem Beispiel des bisherigen Abschnitt 1a.2 Abs. 14 UStAE genannten Imbissbuden, Gaststätten, etc., die aus dem grenznahen EU-Ausland Waren beziehen, müssen beim BZSt eine USt-IdNr. beantragen, wollen sie ab 01.01.2019 die Waren umsatzsteuerfrei aus dem EU-Ausland beziehen.


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