Zollverfahren

Vorübergehende Verwahrung für mehr als 90 Tage

Wenn Waren aufgrund der Umstände rund um COVID-19 nicht binnen 90 Tagen aus der Vorübergehenden Verwahrung in ein Zollverfahren überführt oder wiederausgeführt werden können, kann sich der Wirtschaftsbeteiligte auf höhere Gewalt berufen. Die Zollbehörden nehmen dann Einzelfallbewertungen vor und wenden, wenn die Umstände dies rechtfertigen, Billigkeit i.S.d. Art. 120 UZK an oder regeln die Situation der Ware in Übereinstimmung mit Art. 124 Abs. 1 Buchst. h UZK oder Art. 124 Abs. 1 Buchst. k UZK. Dies sollte jedoch nicht zu einer Situation führen, in der die Zollabgaben für Waren, die ohnehin in den freien Verkehr überlassen werden sollten, letztendlich nicht beglichen werden. In diesem Zusammenhang ist fraglich, ob diese Möglichkeit in den verschiedenen Mitgliedsstaaten flächendeckend von den Zollbehörden genutzt wird.

In diesem Zusammenhang sind die besonderen Umstände, auf die in Art. 120 Abs. 2 UZK Bezug genommen wird, jedoch nicht in der COVID-19 Pandemie an sich begründet, vielmehr kommt es darauf an, welchen Effekt die Pandemie auf die jeweiligen Wirtschaftsbeteiligten hatte.

Ein anderer Lösungsansatz wäre, dass Inhaber einer Bewilligung für die Vorübergehende Verwahrung eine zusätzliche Bewilligung für ein Zolllager in denselben Räumlichkeiten beantragen. Nach Erteilen der Bewilligung besteht die Möglichkeit, die Ware ohne einen räumlichen Wechsel in das Zolllagerverfahren zu überführen. Solche Bewilligungsanträge sollten aus Sicht der EU-Kommission nach Möglichkeit mit Priorität bearbeitet werden.

Nutzung von vereinfachten Zollanmeldungen ohne vorangegangene Bewilligung

Bei unregelmäßiger oder gelegentlicher Inanspruchnahme sieht der UZK die Möglichkeit vor, vereinfachte Zollanmeldungen auch ohne Bewilligung zu verwenden. In Ermangelung einer Definition der „regelmäßigen Inanspruchnahme“ sieht die EU-Kommission hier eine gewisse Flexibilität.

Frist für die Abgabe der ergänzenden Zollanmeldung

Die Fristen des Art. 146 UZK-DelVO zur Übermittlung der ergänzenden Zollanmeldung im Zusammenhang mit der buchmäßigen Erfassung sind laut EU-Kommission bei unvorhergesehenen Umständen und höherer Gewalt nicht anwendbar. Vor diesem Hintergrund können Wirtschaftsbeteiligte, die im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie die Frist zur Übermittlung der ergänzenden Zollanmeldung nicht einhalten können, das zuständige Überwachungszollamt über diese Umstände informieren und eine Fristverlängerung beantragen.

Gestellung von Waren an zugelassenen Orten

Die Gestellung an einem anderen Ort als bei der zuständigen Zollstelle ist in Art. 139 Abs. 1 UZK geregelt. Diese Vereinfachung ermöglicht es den Wirtschaftsbeteiligten, Waren bspw. auf dem eigenen Betriebsgelände zu gestellen, dies kann insbesondere bei (zeit-)kritischen Waren von Vorteil sein.

Frist zur Änderung von Zollanmeldungen

Art. 173 Abs. 3 UZK sieht vor, dass auf Antrag des Anmelders eine Änderung der Zollanmeldung auch nach Überlassung der Waren noch bis zu drei Jahre nach der Annahme der Zollanmeldung gestattet werden kann. Diese Regelung soll dem Anmelder ermöglichen, seine Pflichten aus der Überführung der Waren in das betreffende Zollverfahren zu erfüllen. Für während der COVID-19 Pandemie übermittelte Zollanmeldungen sollte diese Dreijahresfrist aus Sicht der EU-Kommission ausreichen. Wir weisen an dieser Stelle allerdings daraufhin, dass die bisherige Verwaltungspraxis in Deutschland in Bezug auf die Änderung von Zollanmeldungen bisher eher restriktiv erscheint, insbesondere wenn es um die Änderung von Verfahrenscodes oder Beteiligtenkonstellationen geht.

Versandverfahren

Vereinfachungen im Versandverfahren

Die Wirtschaftsbeteiligten werden ermuntert, eine weitere Ausweitung der Nutzung von Vereinfachungen wie dem zugelassenen Versender oder dem zugelassenen Empfänger in Betracht zu ziehen.

Fristen zur Gestellung bei der Bestimmungszollstelle (Art. 297 und Art. 301 UZK-DVO)

Die Wirtschaftsbeteiligten können erwarten, dass die Abgangszollstellen bei der Bemessung der Frist zur Gestellung bei der Bestimmungszollstelle die derzeit längeren Transportzeiten aufgrund der COVID-19 Pandemie berücksichtigen.

Wenn Waren erst nach Fristablauf der Bestimmungszollstelle gestellt werden, kann die Bestimmungszollstelle annehmen, dass dies dem Frachtführer nicht zuzurechnen ist.

Andere Maßnahmen zur Nämlichkeitssicherung

Aufgrund der besonderen Umstände im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie können nach Möglichkeit auch andere Nämlichkeitsmittel als Verschlüsse akzeptiert werden. Hierfür sieht Art. 302 Abs. 1 UZK-DVO vor, dass die Warenbeschreibung als Nämlichkeitsmittel dienen kann, wenn diese ausreichend präzise ist, sodass die Identifikation der Waren leicht möglich ist und Angaben zu deren Menge, Art und besonderen Merkmalen (z.B. Teilenummern) enthalten sind.

Fristen für die Kontrollergebnisse

Die Frist zur Übermittlung der Kontrollergebnisse von der Bestimmungszollstelle an die Abgangszollstelle kann gem. Art. 309 Abs. 1 UZK-DVO in Ausnahmefällen, wozu aus Sicht der EU-Kommission auch die COVID-19 Pandemie zählt, auf bis zu 6 Tage verlängert werden.

Außerdem sind Hinweise zum TIR-Verfahren (u.U. papiermäßig) und zu Vereinfachungen im Schienenverkehr enthalten.

Weitere besondere Verfahren

Vorübergehende Verwendung

Bei der COVID-19 Pandemie handelt es sich nach Ansicht der EU-Kommission um eine Katastrophe i.S.d. Art. 221 UZK-DelVO, sodass die vollständige Befreiung von Einfuhrabgaben für Waren in der vorübergehenden Verwendung gewährt wird, welche im Zusammenhang mit Maßnahmen zur Bekämpfung von COVID-19 oder den Auswirkungen der Pandemie in der Union eingesetzt werden. Für diesen Warenkreis, zu dem etwa medizinisches Gerät und Laborausstattung gehören, stehen verschiedene Vereinfachungen hinsichtlich der Form der Zollanmeldung zur Verfügung.

Fristverlängerung für Waren unter vorübergehender Verwendung

Der Bewilligungsinhaber kann gem. Art. 251 Abs. 3 UZK eine Fristverlängerung um einen angemessenen Zeitraum beantragen, wenn die bewilligte Verwendung aufgrund außergewöhnlicher Umstände nicht innerhalb des bewilligten Zeitraums erreicht werden kann. COVID-19 ist aus Sicht der EU-Kommission ein solcher außergewöhnlicher Umstand. Dies gilt auch für Carnet ATA Verfahren/Dokumente, in diesen Fällen ist nach Meinung der EU-Kommission kein Ausstellen eines neuen Carnet ATA erforderlich. Darüber hinaus ermöglicht Artikel 7 der Instanbul Convention den Zollbehörden eine längere als die im Anhang vorgesehene Frist zu gewähren und die ursprünglich gesetzte Frist zu verlängern.

Aktive Veredelung

Für viele Waren, welche die Folgen der Krise im Zusammenhang mit der COVID-19 Pandemie abschwächen können, stehen Vereinfachungen im Zusammenhang mit der Aktiven Veredelung zur Verfügung.  Insbesondere sieht Art. 324 Abs. 1 Buchst. e UZK-DVO vor, dass die Lieferung von zollfreien Hauptveredelungserzeugnissen (hierunter fallen die meisten Medizinprodukte) für die Zwecke der Erledigung der Aktiven Veredelung als Wiederausfuhr gilt.

Wenn es um die Überprüfung der wirtschaftlichen Voraussetzungen der Aktiven Veredelung geht, sollten diese als erfüllt gelten, wenn die hergestellte Ware nicht in der Union verfügbar ist. Für die Beurteilung sollten die besonderen Umstände der COVID-19 Pandemie in Betracht gezogen werden, um ggf. Bewilligungen mit einem kurzen Gültigkeitszeitraum zu erteilen. Eine solche Bewilligung sollte lediglich die Zeit überbrücken, bis die Krise vorüber ist und die Mengen beinhalten, die tatsächlich benötigt werden.   

Ausgang von Waren

Verzögerung der Ungültigerklärung einer Ausfuhranmeldung

In Art. 248 UZK-DelVO  ist die Möglichkeit vorgesehen, dass eine Anmeldung zur Ausfuhr, zur passiven Veredelung oder zur Wiederausfuhr nach einer Frist von 150 Tagen von der Ausfuhrzollstelle für ungültig erklärt wird, wenn keine Nachricht oder ein Nachweis über den Ausgang der Waren vorliegt. Die EU-Kommission empfiehlt jedoch in Anbetracht der außergewöhnlichen Umstände, dass die Ausfuhrzollstellen von der Ungültigerklärung nach Fristablauf nur Gebrauch machen, wenn der Anmelder der betroffenen Zollanmeldung dies ausdrücklich erbittet.

Außerdem sind Besonderheiten für den Ausgang von Schiffsbedarf aufgeführt, insbesondere hinsichtlich Ausfuhrgenehmigungen i.S.d. Durchführungsverordnung (EU) 2020/402 der Kommission v. 14.03.2020.

Zollbefreiung durch neuen Beschluss der EU-Kommission

Der oben angeführte Beschluss (EU) 2020/491 der Kommission enthält die Befreiung von Zollabgaben und Mehrwertsteuer für Waren unter bestimmten Umständen, um die Belieferung von Ärzten, Pflegepersonal und Patienten mit der dringend benötigten medizinischen Ausrüstung finanziell zu erleichtern. Die Befreiung ist an bestimmte Bedingungen geknüpft, die mit dem Warenkreis, den involvierten Personen und dem Verwendungszweck zusammenhängen. Einzelheiten sind dem Beschluss zu entnehmen.

 

 

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