Umsatzsteuer – VAT

AWB Sondernewsletter Nr. 5/2020

Reform der Mehrwertsteuer im Online-Handel

Die Umsetzung eines der umfangreichsten Maßnahmenpakete im Rahmen der Mehrwertsteuerreform steht unmittelbar bevor. Übergeordnetes Ziel der Neuregelungen für den Online-Handel ist die Vereinfachung der mehrwertsteuerlichen Pflichten für Handelsunternehmen, die grenzüberschreitende Lieferungen und Dienstleistungen an Endkunden (hauptsächlich online) erbringen. Dabei soll die korrekte Abfuhr der Mehrwertsteuer an den Mitgliedstaat des Verbrauchs sichergestellt werden.

Das zentrale Element der europäischen Mehrwertsteuerreform zum E-Commerce wird der sog. One-Stop-Shop (OSS) sein, eine Erweiterung des bereits für die Meldung bestimmter Dienstleistungen existierenden Mini-One-Stop-Shop-Verfahrens (MOSS). 

Angesicht der praktischen Schwierigkeiten, welche durch die Maßnahmen zur Eindämmung der Coronavirus-Pandemie ausgelöst wurden, ist die Anwendung der neuen mehrwertsteuerlichen Regelungen für den elektronischen Handel im Sommer 2020 um sechs Monate auf den 01.07.2021 verschoben worden, um Mitgliedstaaten und Unternehmern zusätzliche Vorbereitungszeit zu gewähren.

Was ändert sich für den Online-Handel ?

Das System des Mini-One-Stop-Shop wird als One-Stop-Shop (OSS) erweitert auf

  • andere B2C-Dienstleistungen, 
  • innergemeinschaftliche Fernverkäufe von Waren an Endverbraucher,
  • bestimmte inländische Warenlieferungen.

Neuer EU-weiter Schwellenwert

Die bestehenden länderspezifischen Schwellenwerte für innergemeinschaftliche Fernverkäufe von Waren werden durch einen neuen EU-weiten Schwellenwert für Kleinunternehmer von 10.000 EUR ersetzt. Oberhalb dieser Schwelle erfolgt die Abfuhr der Mehrwertsteuer im Bestimmungsland des Warenbezugs. 

Elektronische Schnittstelle

Werden Warenlieferungen in bestimmten Fällen durch die Einschaltung einer elektronischen Schnittstelle ermöglicht, so wird die elektronische Schnittstelle mehrwertsteuerlich behandelt, als hätte sie die Waren selbst geliefert. 

IOSS für Importe aus Drittländern – EUSt-Freigrenze fällt weg

Die Mehrwertsteuerbefreiung bei der Einfuhr von Kleinsendungen im Wert von bis zu 22 EUR wird abgeschafft und durch eine neue Sonderregelung für Fernverkäufe von Waren, die aus einem Drittland eingeführt werden, ersetzt. Diese Importe können über den sog. IOSS (Import-One-Stop-Shop) gemeldet werden, sofern sie einen Wert von höchstens 150 EUR haben.

Inhalt der OSS-Erklärung

Jeder Steuerpflichtige muss im Mitgliedstaat der Registrierung eine Steuererklärung einreichen, in welcher – abhängig vom gelieferten Produkt – neben der Steuerbemessungsgrundlage entweder der reguläre oder aber der ermäßigte Mehrwertsteuersatz im Mitgliedstaat des Verbrauchs anzugeben ist. Der Steuerpflichtige ist daher weiterhin gut beraten, sich im Vorfeld über die für sein Produkt im Bestimmungsland geltenden Steuersätze zu informieren. 

Wann wird der OSS nutzbar sein?

Derzeit von der EU vorgesehen ist der Start des OSS zum 01.07.2021. Wie sich allerdings sowohl aus einem Bericht des Europäischen Rechnungshofes als auch des Bundesrechnungshofes bereits aus dem Jahr 2019 ergibt, ist nicht garantiert, dass der OSS zum derzeit vorgesehenen Starttermin tatsächlich vollumfänglich funktionsfähig sein wird. So sind die österreichischen Steuerbehörden der Auffassung, dass die Mitgliedstaaten bis 2021 nicht für die Einführung der neuen "einzigen Anlaufstelle" bereit sein werden, Tz 44, Bericht EU Rechnungshof. Auch der Bundesrechnungshof hat den vorgesehenen Termin für die Einführung des OSS im Jahr 2021 als ambitioniert bezeichnet, S. 31 Bericht Bundesrechnungshof. Er hat in seinem Bericht Bedenken geäußert, dass sich die Erweiterung des Verfahrens, insbesondere im Hinblick auf die IT-Unterstützung, nicht bis zum Jahr 2021 realisieren lässt.

Entsprechend haben Deutschland und die Niederlande bereits im Juli 2020 gegenüber der EU erklärt, dass zur Unterstützung der korrekten und rechtzeitigen Anwendung der neuen Mehrwertsteuervorschriften für den elektronischen Handel in der gesamten EU, die Qualität der Implementierung von ganz entscheidender Bedeutung ist. Aus diesem Grund sprechen sich Deutschland und die Niederlande dafür aus, die Neuregelungen frühestens zum 01.01.2022 in Kraft zu setzen, anstatt bereits zum 01.07.2021. Anfang 2021 solle zunächst der Stand der Umsetzung bewertet werden, um anschließend eine Entscheidung über den Starttermin zu treffen. 

In das Ratsprotokoll der Sitzung vom 05.12.2017, in welcher die Regelungen zum E-Commerce verabschiedet worden waren, wurde jedenfalls bereits eine Erklärung aufgenommen: Für den Fall, dass es unwahrscheinlich erscheinen sollte, dass die erforderlichen IT-Systeme für Mehrwertsteuer und Zoll rechtzeitig vorhanden sein werden, werde die Kommission bis spätestens Ende 2019 prüfen, ob die ordnungsgemäße Anwendung dieses Artikels ab dem 01.01.2021 immer noch möglich sein wird. Abhängig hiervon könne der Rat die Kommission ersuchen, ihm umgehend einen Vorschlag für eine Änderung der Richtlinie 2006/112/EG im Hinblick auf einen vollständigen oder teilweisen Aufschub der Anwendung der Art. 2 und 3 der Änderungsrichtlinie vorzulegen. Der Bericht der Kommission ist bis heute nicht veröffentlicht worden. 

FAZIT

Eine weitere Verschiebung des Starttermins für die Einführung des OSS bzw. des IOSS ist derzeit nicht unwahrscheinlich. Es bleibt mithin abzuwarten, ob die Etablierung einer neuen "einzigen Anlaufstelle" für Händler, wie die Reform es ursprünglich vorsieht, überhaupt gelingt.

Links

Bericht des Bundesrechnungshofes 

Bericht des Europäischen Rechnungshofes

Ratsprotokoll der Sitzung vom 05.12.2017

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