Die „Quick Fixes“ ab dem 01.01.2020 - Handlungsbedarf bei der Umsetzung

Durch den Vorschlag der EU-Kommission zur Vereinfachung und Harmonisierung des bisherigen Umsatzsteuersystems wurde eine weitreichende Reform der Umsatzsteuer angestoßen. Zur Umsetzung der geänderten Mehrwertsteuersystemrichtlinie in nationales Recht wurde bereits im Mai 2019 der Referentenentwurf veröffentlich, nachfolgend erfolgte der Regierungsentwurf und der Finanzausschuss des Bundestages sowie der Bundesrat haben mit einigen Änderungen das „Gesetz zur weiteren steuerlichen Förderung der Elektromobilität und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften“ (Jahressteuergesetz 2019) auf den Weg gebracht. Der Bundestag hat daraufhin Anfang November den Gesetzesentwurf in der geänderten Fassung angenommen. Dieser wurde abschließend vom Bundesrat am 29.11.2019 verabschiedet. Das Jahressteuergesetz wurde nun dem Bundespräsidenten zugeleitet und nach dessen Unterzeichnung wird es im Bundesgesetzblatt veröffentlicht.

Da die Mehrwertsteuerreform ohne Übergangsfristen unmittelbar ab dem 01.01.2020 in Kraft tritt und Sie auf die bevorstehenden Änderungen reagieren können, möchten wir Ihnen nachfolgend (nochmals) einen kurzen Überblick geben sowie entsprechende Handlungsempfehlungen zur Vorbereitung auf anstehende Veränderungen aussprechen.

Die – nach Angaben der EU Kommission – größte Mehrwertsteuerreform seit 25 Jahren betrifft dabei den Warenverkehr im Binnenmarkt und damit alle Unternehmen mit grenzüberschreitenden Lieferungen.

Kurzüberblick Quick Fixes

  • Einheitliche Vereinfachungen bei innergemeinschaftlichen Warenlieferungen über Konsignationslager
  • Einheitliche Regelung der Zuordnung der Warenbewegung bei (innergemeinschaftlichen) Reihengeschäften
  • Aufwertung der USt-IdNr.-Nummer zur materiell-rechtlichen Voraussetzung für die Steuerbefreiung bei innergemeinschaftliche Lieferungen und Pflicht zur Abgabe der richtigen und vollständigen Zusammenfassenden Meldung
  • Einheitliche Regelungen über Belegnachweise bei innergemeinschaftlichen Lieferungen – Gelangensvermutung

Kurzhinweis zum Inhalt der Neuregelungen

1.    Änderung für Warenlieferungen über Konsignationslager, § 6b UStG n.F./Art. 17a MwStSystRL

Die bisherigen Registrierungspflichten sollen bei der grenzüberschreitenden Bestückung eines Konsignationslagers in einem anderen EU Mitgliedstaat (Bestimmungsland) wegfallen.

In Zukunft soll vielmehr bei Erfüllung der notwendigen Voraussetzungen die Bestückung des Lagers kein steuerbarer Vorgang sein und die spätere Entnahme der Ware durch den Abnehmer eine (fiktive) steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung an den Erwerber und ein zeitgleicher (fiktiver) innergemeinschaftlichen Erwerb im Zeitpunkt der Entnahme auslösen. Diese Vereinfachungsregelungen sind an folgende Voraussetzungen geknüpft:

  1. Die Ware wird in ein Konsignationslager in einem anderen EU-Mitgliedsstaat mit dem Ziel verbracht, die Ware im Anschluss an ein anderes Unternehmen zu liefern.
  2. Der Lieferant darf weder den Sitz seiner wirtschaftlichen Tätigkeit noch eine feste Niederlassung im Bestimmungsland haben.
  3. Der Erwerber muss gegenüber dem Lieferanten seine USt-IdNr. aus dem Bestimmungsland verwenden.
  4. Der Lieferant muss das Verbringen der Ware in ein vorgesehenes Register (dazu wurden in § 22 Abs. 4f UStG neu - vgl. MwStSystRL Art. 243 Abs. 3 – umfangreiche Aufzeichnungspflichten aufgenommen) eintragen und den Vorgang im Rahmen seiner Zusammenfassenden Meldung erfassen.
  5. Die verbrachten Gegenstände müssen innerhalb von zwölf Monaten durch den Abnehmer aus dem Konsignationslager entnommen werden.

Drittlandsfälle werden generell weiter wie bisher behandelt.

Abweichend von den oben genannten Regelungen, liegt trotz nicht erfüllter Voraussetzungen bei den folgenden zwei Ausnahmen keine Verbringung vor, so dass der Lieferant keinen Verbringungstatbestand besteuern muss:

  1. Die Ware wird nicht innerhalb von zwölf Monaten aus dem Konsignationslager entnommen und in den Abgangsstaat zurück gesendet. Der Rückversand wird ebenfalls in dem gesondert zu führenden Verzeichnis vermerkt.
  2. Lediglich der Erwerber der Ware ändert sich innerhalb von zwölf Monaten und der geänderte Erwerber wird in das Verzeichnis eingetragen. Die übrigen Voraussetzungen bleiben erfüllt.

Problematisch ist, dass jeglicher Verlust, Diebstahl oder Untergang der Ware zu diesem Zeitpunkt ein steuerbares innergemeinschaftliches Verbringen und einen innergemeinschaftlichen Erwerb durch den Lieferer (Bestücker des Lagers) auslöst.

Diese Neuregelung löst alle bestehenden Vereinfachungsregelungen in der EU zum 1.1.2020 ab. Während es in vielen anderen Mitgliedstaaten damit zu einer Verkomplizierung der bestehenden Vereinfachungsregelung für Lieferungen über Konsignationslager kommt, wird in Deutschland erstmalig eine Vereinfachung zur Vermeidung der Registrierungspflicht eingeführt.

Alle Lieferungen mit Warenlieferungen über Konsignationslager sollten nun ihre Lieferbeziehungen und Verträge prüfen. Ebenfalls relevant ist die Frage, ob überhaupt eine Verbringung in das Bestimmungsland mit dem Zwecke der (späteren) Lieferung an den Abnehmer vorliegt oder ob ein Fall der sog. „verbindlichen Bestellung“ (BMF-Schreiben v. 10.10.2017, vgl. BFH, Urt. V R 31/!5 und BFH, Urt. V R 1/16) gegeben ist.  

Praxishinweis

  • Prüfung der Liefer- und Vertragsbeziehungen sofern Waren über Konsignationslager geliefert werden.
  • Abstimung mit Lieferanten bzw. Abnehmer über Aufzeichnungspflichten und Zweifelsfragen  
  • Systemanpassung in Bezug auf ggf. hinterlegte Umsatzsteuerschlüssel und –Merkmale, da die betroffenen Ausgangsumsätze in Folge der geplanten Vereinfachungen nicht mehr mit Umsatzsteuer, sondern ohne Umsatzsteuer anzurechnen sind
  • USt-IdNr. der Kunden anfordern und prüfen
  • Vertragsanpassungen mit den Kunden in Bezug auf Entnahmeregelungen, spätestens nach 12 Monaten
  • Abstimmung mit den Kunden wegen Gutschriften und Aufzeichnungspflichten
  • Abfrage über die konkrete Umsetzung im Land des Konsignationslagers (Auslandsanfrage)
  • etc.

2.    Änderung für Reihengeschäft, § 3 Abs. 6a UStG n.F.

Die Besonderheit in einem Reihengeschäft ist, dass mehrere Unternehmer über denselben (nämlichen) Gegenstand Liefergeschäfte abschließen und dieser Gegenstand dabei unmittelbar vom ersten Lieferer zu letzten Abnehmer gelangt. Trotz mehrere Liefergeschäfte kann nur eine dieser Lieferungen die Beförderung/Versendung – sprich die Warenbewegung – für sich beanspruchen. Dies hat erhebliche Relevanz, da nur die grenzüberschreitende (bewegte) Lieferung der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen (oder Ausfuhr- und Einfuhrlieferungen) zugänglich ist.
 
Mit der Neuregelung wird der Begriff des Reihengeschäfts EU-weit einheitlich definiert. EU-weit wird Art. 36a MwStSystRL nun in nationales Recht umzusetzen sein. Damit erhält die EU eine einheitliche Grundlage für Reihengeschäfte. Art. 36a MwStsystRL regelt allerdings nur das innergemeinschaftliche Reihengeschäft bei Transportveranlassung durch den Zwischenhändler (einem Unternehmer, der sowohl Abnehmer als auch Lieferer ist – früher „Mittlere“). Dabei wird die Zuordnung der Warenbewegung zu einer Lieferung danach bestimmt, ob der Zwischenhändler „selbst oder auf seine Rechnung durch einen Dritten versendet oder befördert“). Hierbei gilt die gesetzliche Vermutung, dass die Eingangslieferung die warenbewegte Lieferung ist, es sei der Zwischenhändler widerlegt diese Vermutung durch (im nationalen Recht „aktive“) Verwendung der USt-IdNr. des Abgangslandes gegenüber seinem Lieferanten. Im Widerlegungsfall wird dann die bewegte Lieferung der Ausgangsseite zugeordnet.  

In Deutschland wird Art. 36a MwStSystRL in § 3 Abs. 6a UStG umgesetzt. § 3 Abs. 6a UStG regelt über den Inhalt des Art. 36a MwStSystRL hinaus das Reihengeschäft vollumfänglich, inkl. Einfuhr- und Ausfuhrreihengeschäft.

Alle Unternehmen, welche in Lieferkette agieren, sind nun gefordert die Geschäftsabläufe zu prüfen und etwaige Umstellungen vorzunehmen.

Praxishinweis

  • Prüfung der Lieferketten / Reihengeschäfte / Streckengeschäfte auf Änderungsbedarf
  • Anpassung Tax CMS, Handbücher, Richtlinien - die Fakturierung derartiger Geschäftsvorfälle sollte geprüft und ggf. überarbeitet werden, durch die optimale Gestaltung entsprechender Lieferketten können ggf. Kostenvorteile erzielt werden
  • Schulung Vertrieb und Rechnungsaussteller, um Fehler bei der Fakturierung und ggf. unnötige Registrierungspflichten im Ausland zu vermeiden
  • etc.

3.    Änderungen innergemeinschaftlicher Lieferungen und Belegnachweispflichten, § 4 Nr. 1 lit. b UStG n.F.

Im Rahmen der Änderungen in Bezug auf innergemeinschaftliche Lieferungen kommen gleich zwei maßgebliche Neuerungen auf betroffene Unternehmen zu.

Die Vorlage der ausländischen USt-IdNr. des Leistungsempfängers wird zu einer materiellen Voraussetzung für die Inanspruchnahme der Steuerbefreiung. Darüber hinaus wird auch die Abgabe einer korrekten Zusammenfassenden Meldung zur materiellen Voraussetzung erhoben. Die bisherigen Kriterien (grenzüberschreitende Warenbewegung im Rahmen der Lieferung in einen anderen EU-Mitgliedstaat, erwerbsteuerpflichtiger Abnehmer, Unterliegen unter der Erwerbsbesteuerung im Bestimmungsland) bleiben bestehen.

Mithin ist es von erheblicher Bedeutung, dass für die Lieferungen die gültige ausländische USt-IdNr. des Abnehmer (Kunden) vorliegt. Der Kunde sollte daher darauf hingewiesen werden, dass die USt-IdNr. zukünftig zwingend ist. Zudem sollte der Kunde eruieren, welche der ggf. mehreren ausländischen USt-IdNrn. er für den jeweiligen Wareneinkauf verwenden möchte. Dies vermeidet sog. Auffangerwerbe nach § 3d S. 2 UStG bzw. Art. 41 MwStSystRL aufgrund der Verwendung einer vom Bestimmungsland des Warentransportes verwendeten abweichenden USt-IdNr. Derartige Auffangerwerbe berechtigen den Unternehmer nicht zum Vorsteuerabzug (im nationalen Recht in § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 3 UStG geregelt). Daher sind sowohl Vertrieb als auch Einkauf bei der Verwendung der USt-IdNr. gefordert.

Zudem wurde eine neue Belegnachweisvermutung geschaffen. Als Art. 45a MwStDVO (VO 282/2011) bereits als unmittelbares Recht implementiert, wird diese Regelung auch im neuen § 17a UStDV neu zu finden sein. Diese Gelangensvermutung erfordert im Versendungs- und Beförderungsfall durch den Lieferer 2 Nachweise und im Abholfalle 3 Nachweise nach den dortigen Regelungen. Die bisherigen Belegnachweise für innergemeinschaftliche Lieferungen werden in § 17b UStDV neu verschoben aber bleiben bestehen. Unternehmen sind gefordert zu prüfen, welchen Prozess sie zukünftig aufsetzen. Die Fassung des § 17a und § 17b UStDV neu legen nahe, dass beide Varianten alternativ möglich sind.

Praxishinweis

  • Prozesse des Vertriebs und des Einkaufs im Hinblick auf das Erfordernis der gültigen ausländischen UStIdNr. sowie die korrekte Zusammenfassende Meldung
  • USt-IdNr. anfordern und regelmäßig qualifiziert bestätigen lassen
  • Überarbeitung bzw. Einführung eines Tax-CMS mit IKS USt
  • Handbücher und bisherige Prozesse anpassen, Vorlage von Rechnungen des Spediteurs sowie Bankunterlagen zur Begleichung der Transportrechnung

Der Handlungsbedarf aufgrund der Neuregelunge sollte nicht unterschätzt werden. Daher empfiehlt sich die zeitnahe Umsetzung in die unternehmensinternen Prozesse. Das USt Team der AWB hilft dabei gern beratend weiter.

 

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