FG Düsseldorf: EuGH-Vorlage zur Abfrage von Steuer-IDs für die Neubewertung von zollrechtlichen Bewilligungen

Anmerkung zu: FG Düsseldorf, EuGH-Vorlagebeschluss v. 09.08.2017, 4 K 1404/17 Z

Praxisproblem / Sachverhalt

Aufgrund des seit dem 01.05.2016 anwendbaren Unionszollkodex (UZK) ist eine Neubewertung der unter dem Zollkodex (ZK) und der Zollkodex-Durchführungsverordnung (ZK-DVO) erteilten Bewilligungen notwendig geworden. Die Überprüfung dieser bestehenden Bewilligungen erfolgt durch einen „Fragenkatalog zur Selbstbewertung“. Im Fragenkatalog werden hierzu die Angabe von (Vor)Namen, Geburtsdatum, Steueridentifikationsnummer und zuständigem Finanzamt der Mitglieder von Bei- und Aufsichtsräten, der wichtigsten Führungskräfte, der für Zollangelegenheiten verantwortlichen Personen sowie der Zollsachbearbeiter verlangt.

Das in dem Verfahren 4 K 1404/17 Z klagende Unternehmen machte vor allem datenschutzrechtliche Bedenken gegen diese Vorgehensweise geltend und berief sich auf die Unverhältnismäßigkeit der Datenerhebung.

Entscheidung

In seiner Entscheidung machte auch das FG Düsseldorf Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Vorgehensweise der Zollverwaltung deutlich.

Die Einzelheiten zur Umsetzung von Art. 39 a) UZK, der festlegt, dass der Antragsteller keine schwerwiegenden oder wiederholten Verstöße gegen die zoll- oder steuerrechtlichen Vorschriften und keine schweren Straftaten im Rahmen seiner Wirtschaftstätigkeit begangen haben darf, sind in Art. 24 der Durchführungsverordnung zum UZK (UZK-DVO) geregelt. Gem. Art. 24 Abs. 1 b), c) UZK-DVO gelten die Voraussetzungen des Art. 39 a) UZK als erfüllt, wenn weder die Person, die für das antragstellende Unternehmen verantwortlich ist oder die Kontrolle über seine Leitung ausübt noch der Beschäftigte des Antragstellers, der für dessen Zollangelegenheiten zuständig ist, in den letzten drei Jahren einen schwerwiegenden Verstoß oder wiederholte Verstöße gegen die zoll- oder steuerrechtlichen Vorschriften oder eine schwere Straftat im Rahmen ihrer Wirtschaftstätigkeit begangen haben.

Um die Auslegung des Art. 24 UZK-DVO ging es dem FG Düsseldorf vor allem.

Zum einen stellte das FG Düsseldorf hier auf Art. 8 der EU-Grundrechtecharta ab. Diese Bestimmung sieht in Abs. 1, Abs. 2 S. 1 Folgendes vor: „Jede Person hat das Recht auf Schutz der sie betreffenden personenbezogenen Daten. Diese Daten dürfen nur nach Treu und Glauben für festgelegte Zwecke und mit Einwilligung der betroffenen Person oder auf einer sonstigen gesetzlich geregelten legitimen Grundlage verarbeitet werden.“ Art. 24 UZK-DVO müsse i. S. v. Art. 8 EU-Grundrechtecharta ausgelegt werden. Insofern bestünden Bedenken, ob das Abfragen der personenbezogenen Daten hinsichtlich der im Fragenkatalog bezeichneten Personen noch eine zulässige Datenverarbeitung für festgelegte Zwecke sei. Als zweifelhaft erweise sich, ob es zwingend erforderlich sei, auf die für andere Zwecke erhobenen Daten der Arbeitnehmer und Mitglieder des Aufsichtsrats zurückzugreifen, um Auskünfte bei den Veranlagungsfinanzämtern einholen zu können. So stünden die Steueridentifikationsnummern der Arbeitnehmer der Klägerin in keiner direkten Verbindung zu der Beurteilung ihrer zollrechtlichen Zuverlässigkeit.

Zum anderen hatte das FG Düsseldorf Bedenken, ob der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Hinblick auf den betroffenen Personenkreis eingehalten sei. Der im deutschen und europäischen Recht geltende Verhältnismäßigkeitsgrundsatz besagt, dass ein staatlicher Eingriff ein legitimes Ziel erfolgen sowie erforderlich, geeignet und verhältnismäßig im engeren Sinne (also nicht unzumutbar) sein muss. Es stelle sich hier die Frage, ob es absolut notwendig sei, auch die personenbezogenen Daten der Mitglieder des Aufsichtsrats, der Abteilungsleiter und Leiter der Buchhaltung abzufragen, die als solche nicht mit der Bearbeitung zollrechtlicher Fragen befasst seien.

Das FG Düsseldorf legte dem EuGH daher folgende Frage zur Vorabentscheidung vor:

„Ist Art. 24 Abs. 1 UAbs. 2 der Durchführungsverordnung (EU) 2015/2447 der Kommission vom 24.11.2015 mit Einzelheiten zur Umsetzung von Bestimmungen der Verordnung (EU) Nr. 952/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates zur Festlegung des Zollkodex der Union dahin auszulegen, dass es der Zollbehörde hiernach gestattet ist, den Antragsteller aufzufordern, die vom deutschen Bundeszentralamt für Steuern für die Erhebung der Einkommensteuer zugeteilten Steueridentifikationsnummern und die für die Veranlagung zur Einkommensteuer zuständigen Finanzämter hinsichtlich der Mitglieder des Aufsichtsrats des Antragstellers und der bei diesem tätigen geschäftsführenden Direktoren, Abteilungsleiter, Leiter der Buchhaltung, Leiter der Zollabteilung sowie der für Zollangelegenheiten verantwortlichen Personen und der Personen, die Zollangelegenheiten bearbeiten, mitzuteilen?“

Praxishinweis

Das nun beim EuGH unter Az. C-496/17 anhängige Vorabentscheidungsverfahren ist von erheblicher praktischer Bedeutung, da es letztlich europaweit alle Unternehmen mit zollrechtlichen „Bestandsbewilligungen“ betrifft.

Mit einer Fachmeldung vom 14.08.2017 wies die deutsche Zollverwaltung bereits darauf hin, dass durch eine Neuformulierung der Frage 1.1.2 die Möglichkeit eröffnet werde, vor der Datenübermittlung den zu prüfenden Personenkreis in Abstimmung mit dem HZA festzulegen. Die Abfrage der Steuer-IDs der aufgeführten Personen sollte aber auch nach der damaligen Neufassung weiterhin erfolgen.

Mit einer weiteren Fachmeldung vom 14.09.2017 weist die Zollverwaltung nun darauf hin, dass die Abfrage der Steuer-Identifikationsnummer (Steuer-ID) im Rahmen der Neubewertung und bei Neuanträgen zur Erteilung zollrechtlicher Bewilligungen vorerst ausgesetzt wird. Die Fragenkataloge wurden entsprechend angepasst. Es ist auch weiterhin möglich, die alten Versionen der Fragenkataloge zu nutzen und hierbei auf die Angabe der Steuer-ID zu verzichten. Die neu formulierte Fassung der Frage 1.1.2 sieht Folgendes vor:

Benennen Sie, soweit für die Gesellschaftsform Ihres Unternehmens zutreffend,

  1. die Haupteigentümer/-anteilseigner mit Vorname, Name, Anschrift, Geburtsdatum, Beteiligungsanteil und zuständigem Finanzamt,
  2. die geschäftsführenden Personen mit Vorname, Name, Geburtsdatum und zuständigem Finanzamt und
  3. die Mitglieder von Vorständen, Beiräten und Aufsichtsräten mit Vorname, Name, Geburtsdatum und zuständigem Finanzamt, welche eine direkte Entscheidungsbefugnis in Zollangelegenheiten haben.

Bitte wenden Sie sich in diesem Fall vor Übersendung personenbezogener Daten an Ihr zuständiges Hauptzollamt, um gemeinsam mit diesem anhand von Organigrammen etc. die tatsächlich notwendigen Personen zu identifizieren.

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