Betrieb eines Aquaparks unionsrechtlich steuerfrei

EuGH, Urt. v. 21.2.2013 – Rs. C-18/12 – Město Žamberk

Praxisproblem

Im Bereich der Steuerbefreiungen hat der deutsche Gesetzgeber das Unionsrecht nur unzureichend umgesetzt. Vor allem im Bereich des Art. 132 Abs. 1 MwStSystRL ergeben sich eine Reihe bedeutender Umsetzungsdefizite. So bestimmt beispielsweise Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MWStSystRL, dass „bestimmte, in engem Zusammenhang mit Sport und Körperertüchtigung stehende Dienstleistungen, die Einrichtungen ohne Gewinnstreben an Personen erbringen, die Sport oder Körperertüchtigung ausüben“ steuerfrei sind. Diese Befreiungsnorm ist im deutschen Umsatzsteuerrecht nicht umgesetzt worden. Stattdessen findet sich in § 12 Abs. 2 Nr. 9 UStG die Bestimmung zur Anwendung des ermäßigten Steuersatzes – also für steuerbare und steuerpflichtige Leistungen, die unmittelbar mit dem Betrieb der Schwimmbäder verbundenen Umsätze sowie die Verabreichung von Heilbädern betreffen.

Hieraus folgt: Der Unternehmer hat – so seine Leistung unter Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MWStSystRL fällt - ein Wahlrecht, ob er das deutsche Umsatzsteuerrecht - steuerpflichtige Leistung bei eventuell ermäßigtem Steuersatz und gleichzeitigem Vorsteuerabzug oder das Unionsrecht – steuerbarer, aber steuerfreier Umsatz ohne Vorsteuerabzug -  in Anspruch nimmt. Voraussetzung für die Steuerbefreiung nach Unionsrecht ist aber, dass der Unternehmer eine Einrichtung ohne Gewinnstreben darstellen muss. Hiervon ist dann auszugehen, wenn  er eine Einrichtung darstellt, die nach ihrem satzungsmäßigen Zweck keinen Gewinn für ihre Mitglieder anstrebt. Ein im Einzelfall erzielter – auch systematisch beabsichtigter – Gewinn ist unschädlich, sofern er thesauriert wird (EuGH, Urt. v. 21.3.2002 – Rs. C-174/00 - Kennemer Golf- & Countryclub, UR 2002, 320). Gemeinnützige Vereine werden diese Voraussetzung in aller Regel erfüllen, kommunale Einrichtungen dagegen nur dann, wenn sie durch entsprechende satzungsrechtliche Bestimmungen diese Vorgabe ausdrücklich regeln. Zu beachten ist, dass es sich bei dem Begriff „Einrichtung ohne Gewinnstreben“ um einen unionsrechtlich autonomen Begriff handelt, mit der Konsequenz, dass eine diesbezügliche Satzung nicht zwingend den nationalen gemeinnützigkeitsrechtlichen Anforderungen genügen muss.

Sachverhalt

Der vom EuGH zu entscheidende Fall betraf den Regelungsumfang der Befreiungsnorm des Art. 132 Abs. Buchst. m MWStSystRL in Bezug auf einen städtisch betriebenen Aquapark. Ein solcher wurde von der tschechischen Stadt Žamberk betrieben. Das Eintrittsgeld umfasste die Nutzung des Aquaparkes, in dem sich u.a. ein in mehrere Schwimmbahnen eingeteiltes und mit Sprungbrettern versehenes Schwimmbecken, ein Kinderplanschbecken, Wasserrutschen, ein Massagebad, ein Naturschwimmbad, ein Beachvolleyballfeld, Tischtennisplatten und Sportgeräte zur Miete befanden. Der Aquapark wurde von keinem Sportverein, keiner Sporteinrichtung, keiner Schule oder einer anderen Einrichtung für Körperertüchtigung genutzt. Während das Finanzamt die Leistungen des Aquaparks insgesamt umsatzsteuerfrei stellte, begehrte die Klägerin die Steuerpflicht wegen des Vorsteuerabzugs.

Entscheidung

Der EuGH stellt zunächst fest, dass auch nicht organisierte und nicht planmäßige sportliche Betätigungen, die nicht auf die Teilnahme an Sportwettkämpfen abzielen, als Ausübung von Sport im Sinne vom Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MWStSystRL angesehen werden können. Unbeachtlich ist daher, dass in dem Aquapark kein Sportverein, keine Sporteinrichtung, keine Schule oder andere Einrichtung das Gelände für die Körperertüchtigung nutzte. Sportliche Betätigung iSd Unionsrecht setzt keine Teilnahme an sportlichen Wettkämpfen oder auf einem bestimmten Niveau voraus. Schädlich ist alleine die Ausübung einer Tätigkeit „rein im Rahmen von Erholung oder Unterhaltung“. Weiterhin hat der EuGH festgestellt, dass der Zugang zu einem Aquapark, der den Besuchern nicht nur Einrichtungen anbietet, die die Ausübung sportlicher Betätigung ermöglichen, sondern auch andere Arten der Unterhaltung oder Erholung, eine in engem Zusammenhang mit Sport stehende Dienstleistung darstellen kann. Vom vorliegenden nationalen Gericht sei zu prüfen, ob die Einrichtungen in dem in Rede stehenden Aquapark eine Gesamtheit bilden mit dem dominierenden Bestandteil von Einrichtungen zur Ausübung sportlicher Betätigungen. Hierbei sei die Gesamtkonzeption des Aquaparkes zu berücksichtigen, wie auch die Art der Eintrittskarten, die den Zugang zu sämtlichen Einrichtungen des Aquaparks eröffnen, der Art und Weise sowie der Dauer ihrer Benutzung.

Praxishinweis

Die vom EuGH vorgenommene Interpretation des Art. 132 Abs. 1 Buchst. m MWStSystRL gilt – soweit ein Aquaparkbetreiber sich hierauf berufen will – direkt und unmittelbar für alle noch offenen Fälle. Damit ist die Berufung auf dieses Urteil auch für in der Vergangenheit liegende Veranlagungen noch möglich, sofern die Bescheide entweder unter dem Vorbehalt der Nachprüfung stehen oder einspruchsbehaftet sind.