Kein Vorsteuerabzug bei wirksamem Widerspruch gegen Gutschrift auch bei zivilrechtlichem Anspruch auf Rechnung gleichen Inhalts

BFH, Urt. v. 23.1.2013, XI R 25/11

Praxisproblem

Der Vorsteuerabzug gem. § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG setzt eine ausgestellte Rechnung gem. § 14 UStG voraus. Grundsätzlich wird die Rechnung vom Leistenden entsprechend den Vorgaben des § 14 Abs. 4 UStG erstellt. Gem. § 14 Abs. 2 Satz 2 UStG kann jedoch die Rechnung für eine Lieferung oder sonstige Leistung auch von einem Leistungsempfänger als Unternehmer oder nichtunternehmerischer juristischer Person im sog. Gutschriftverfahren ausgestellt werden. Voraussetzung für die Gültigkeit einer Gutschrift, die als Rechnung iSd § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG wirkt und den Vorsteuerabzug auslösen kann, ist:

  • eine vorherige Vereinbarkeit im Gutschriftverfahren (§ 14 Abs. 2 Satz 2 UStG) und
  • kein Widerspruch des übermittelten Gutschriftdokumentes durch den Empfänger der Gutschrift (§ 14 Abs. 2 Satz 3 UStG).

Der Widerspruch ist i.S. einer wirksamen Willenserklärung zu verstehen. Nach dem Wortlaut des Gesetzes ist für dessen Wirksamkeit unbeachtlich, ob die Gutschrift den zivilrechtlichen Vereinbarungen entspricht, ob sie die Umsatzsteuer zutreffend ausgewiesen und ob der Leistungsempfänger einen zivilrechtlichen Anspruch auf Erteilung einer Rechnung mit demselben Inhalt hat. Soweit gefordert wird, § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG teleologisch auf den Fall zu reduzieren, dass die Gutschrift einen unrichtigen Inhalt aufweise, hat die Rechtsprechung dem bislang eine Absage erteilt. Mit dem Widerspruch verliert die Gutschrift ihre Wirkung als Rechnung. Im Zeitpunkt des Widerspruchs ist damit ein eventuell bereits geltend gemachter Vorsteuerabzug zu berichtigen.

Sachverhalt

Im Streit ist die Aberkennung eines Vorsteuerabzugs aus Gutschriften, nachdem der Gutschriftempfänger der erteilten Gutschrift widersprochen hat. Die Klägerin, eine GmbH, betreibt den An- und Verkauf von Edelmetallen und edelmetallhaltigen Abfällen. Aufgrund einer Gutschriftenvereinbarung rechnete die Klägerin über insgesamt 14 bezogene Lieferungen von Edelmetallen und metallhaltigen Abfällen im Wege der Gutschrift ab. Der Leistende und Gutschriftempfänger vermerkte handschriftlich auf der Gutschriftenvereinbarung, dass er allen Gutschriften widerspreche und der geltend gemachte Vorsteuerabzug berichtigt werden solle. Je ein Exemplar des Widerrufs sandte er per Telefax nach Leistungsausführung an die Klägerin und das Finanzamt. Die Klägerin ist der Auffassung, der Widerspruch des Gutschriftenempfängers sei unwirksam bzw. unbeachtlich, da er gegen den Grundsatz von Treu und Glauben verstoße. Der Gutschriftempfänger habe die an ihn gezahlte Umsatzsteuer nicht zurück gezahlt.

 

Entscheidung

Der BFH hält an seiner bisherigen Rechtsprechung (BFH, Urt. v. 19.5.1993 – V R 110/88, BStBl. II 1993, 779; BFH, Urt. v. 10.12.2009 – XI R 7/08, BFH/NV 2010, 1497) fest, wonach der in § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG normierte Widerruf schrankenlos gelte. Unbeachtlich ist daher, ob dem Gutschriftenaussteller zivilrechtlich ein Anspruch auf Erteilung einer Rechnung mit demselben Inhalt zusteht oder nicht. Ein Verstoß gegen Treu und Glauben könne hieraus eben so wenig abgeleitet werden wie aus dem Umstand, dass die an den Gutschriftaussteller gezahlte Umsatzsteuer trotz Widerspruchs nicht zurückgezahlt worden sei.

Praxishinweis

Es ist zu beachten, dass der BFH auch bei der gegenwärtigen geltenden Fassung des § 14 Abs. 2 Satz 3 UStG an seiner bisherigen Rechtsprechung festhält, wonach ein nur teilweiser Widerspruch einer Gutschrift nicht möglich ist. Widersprochen werden kann nur in vollem Umfang, sodass beispielsweise ein Widerspruch nur bezüglich der Höhe des Steuersatzes (7% statt 19%) nicht möglich sein soll (a.A. Lippross, Umsatzsteuer, S. 887 m.w.N.)