Steuerfreiheit von Schönheitsoperationen

EuGH, Urt. v. 21.3.2013 - Rs. C-91/12 - PFC Clinik AB

Praxisproblem

Schönheitsoperationen sind in Deutschland nur dann steuerbefreite Leistungen, wenn sie medizinisch indiziert sind. Nach Auffassung des BFH (BFH, Urt. v. 7.10.2010 – V R 17/09, UR 2011, 662) führen Schönheitsoperationen – auch wenn sie nur von einem Arzt ausgeführt werden können – nur dann zur Steuerbefreiung, wenn derartige Operationen dem Schutz der menschlichen Gesundheit dienen. Gegen die in Deutschland vorherrschende Meinung musste der EuGH in der Rs. PFC die Frage klären, ob grundsätzlich ästhetische Operationen (Schönheitsoperationen) oder ästhetische Behandlungen einen heilbehandelnden Charakter haben und damit die Steuerbefreiung gem. Art. 132 Abs. 1 Buchst. b und c MwStSystRL auslösen können.

Sachverhalt

Die Klägerin, PFC, bietet medizinische Leistungen auf dem Gebiet der ästhetisch-plastischen Chirurgie und entsprechende Behandlungen an. Sie führt zu diesem Zweck Brustvergrößerungen, Brustverkleinerungen, Bruststraffungen, Bauchformung, Fettabsaugung, Gesichtsstraffung, Stirnstraffung, Operationen an Augen, Ohren und Nase sowie andere Maßnahmen der plastischen Chirurgie, dauerhafte Haarentfernungen und Hautverjüngungen, Behandlung von Zellulitis, Botox- und Restylane-Injektionen an. Während PFC wegen eines begehrten Vorsteuerabzugs ihre Leistungen der Umsatzsteuer unterwerfen wollte, behandelte die schwedische Finanzverwaltung die Leistungen als ärztliche Heilbehandlungen steuerfrei.

Entscheidung

Auf der Basis seiner bisherigen Rechtsprechung stellt der EuGH zunächst fest, dass „ärztliche Heilbehandlungen“ und „Heilbehandlungen im Bereich der Humanmedizin“ unionsrechtlich zwar einem therapeutischen Zweck dienen müssen. Hieraus folge aber nicht, dass die therapeutische Zweckbestimmung einer Leistung in einem besonders engen Sinne zu versehen ist. Der Zweck der Leistung stehe im Vordergrund. Wenn also die Leistung dazu dient, eine Person zu behandeln oder zu heilen, bei der eine Krankheit, Verletzung oder ein angeborener körperlicher Mangel einen Eingriff ästhetischer Natur erforderlich mache, könne die Leistung unter die Steuerbefreiungsnorm des Art. 132 Abs. 1 Buchst. b, c MwStSystRL fallen. Ausgeschlossen sei alleine eine rein kosmetischen Zwecken dienende Leistung. Eine rein subjektive Vorstellung des Patienten sei unmaßgeblich. Die die Heilbehandlung erbringende Person müsse aber zur Ausübung eines Heilberufs zugelassen sein oder aber mindestens den Zweck des Eingriffs bestimmen.

Praxishinweis

Die Entscheidung des EuGH bestätigt zunächst den Ansatz des BFH, wonach nur ein „medizinisch indizierter Eingriff“ im Bereich der Schönheitschirurgie und Schönheitsbehandlung die Steuerbefreiung der Tätigkeit auslösen kann. Die Entscheidung scheint aber den Anwendungsbereich der Vorschrift auszudehnen, als auch ein angeborener körperlicher Mangel den ästhetischen Eingriff erforderlich machen kann, wobei aber stets der jeweilige Einzelfall zu beurteilen ist. Die Abgrenzung zu rein kosmetischen Zwecken dient dem EuGH als Differenzierungskriterium, ohne allerdings zu definieren, unter welchen Bedingungen der Eingriff kosmetischen Zwecken dient. Bemerkenswert ist, dass angesichts des Tätigkeitsfeldes von PFC der EuGH aber immerhin steuerbefreite Leistungen für möglich erachtete.