Unionsrechtlich können auch nichtsteuerpflichtige Mitglieder einer Organschaft sein

EuGH, Urt. v. 9.4.2013 – Rs. C-85/11 – Kommission ./. Irland

Praxisproblem

Im deutschen nationalen Umsatzsteuerrecht wird die Organschaft in § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG geregelt. Nach allgemeiner Auffassung (vgl. BFH, Urt. v. 9.10.2002 – V R 64/99, BStBl. II 2003, 375; Wäger, Organschaft im Umsatzsteuerrecht, FS Schaumburg, 2009, S. 1189 (1190)) können im deutschen Recht nur Unternehmer als Mitglieder einer Organschaft, sei es als Organträger, sei es als Organgesellschaft, teilnehmen. Gefolgert wird dies aus dem Wortlaut des § 2 Abs. 2 Nr. 2 Satz 1 UStG, wonach eine Eingliederung „in das Unternehmen des Organträgers“ vorliegen muss und die Organgesellschaft „ihre gewerbliche oder berufliche Tätigkeit“ im Falle der Eingliederung nicht selbständig ausübt. Im Gegenzug hierzu bestimmt das Unionsrecht in Art. 11 MwStSystRL lediglich, dass die Mitgliedstaaten „Personen ... zusammen als einen Steuerpflichtigen behandeln“ können. Der EuGH musste in einem Vertragsverletzungsverfahren Kommission gegen Irland die Frage klären, ob durch diese Formulierung auch andere „Personen“ als Steuerpflichtige Mitglieder einer Organschaft sein können.

Sachverhalt

Irland hat im nationalen Recht geregelt, dass ein Organschaftsverhältnis von zwei oder mehr in Irland ansässigen Personen begründet werden kann, „von denen mindestens eine ein Steuerpflichtiger ist“.

Entscheidung

Der EuGH ist im Rahmen einer wörtlichen, systematischen und teleologischen Auslegung von Art. 11 MwStSystRL zu dem Ergebnis gelangt, dass auch nichtsteuerpflichtige Personen in eine Mehrwertsteuergruppe, also ein Organschaftsverhältnis, einbezogen werden können. Insbesondere im Rahmen der teleologischen Auslegung stellt der EuGH ausdrücklich fest, dass die mit der Regelung in Art. 11 MwStSystRL verfolgten Ziele, den Mitgliedstaaten freistellen wollte, die Eigenschaft des Steuerpflichtigen nicht systematisch an das Merkmal der rechtlichen Selbständigkeit zu knüpfen.

Praxishinweis

Die Entscheidung des EuGH macht zweierlei deutlich:

  1. Das Unionsrecht lässt in Art. 11 MwStSystRL zu, auch Nichtsteuerpflichtige in ein Organschaftsverhältnis einbeziehen zu können.
  2. Die deutsche Regelung verstößt aber nicht gegen Unionsrecht, weil diese Möglichkeit den Mitgliedstaaten nur optional gewährt wird. Die Einbeziehung nur solcher Personen, die bei eigenständiger Beurteilung als Steuerpflichtige (Unternehmer) anzusehen sind, wird ebenfalls durch Art. 11 MwStSystRL gedeckt.