BFH zum Vorsteuerabzug aus Anzahlung für nicht geliefertes Blockkraftheizwerk

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 29.01.2015, V R 51/13; der Vorsteuerabzug aus Anzahlungen setzt voraus, dass die noch zu erbringende Leistung aus der objektivierten Sicht des Zahlenden nicht „unsicher“ ist.

Praxisproblem

Der Vorsteuerabzug setzt nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 1 und 2 UStG grundsätzlich voraus, dass gegenüber dem den Abzug begehrenden Unternehmer eine Lieferung oder sonstige Leistung ausgeführt worden ist. Der Vorsteuerabzug ist daher grundsätzlich erst nach vollständigem Erhalt der geschuldeten Leistung möglich. Ausnahmsweise kommt ein Vorsteuerabzug auch schon dann in Betracht, wenn die Leistung zwar noch nicht ausgeführt wurde, der den Vorsteuerabzug begehrende Unternehmer aber bereits über die Rechnung der noch zu erbringenden Leistung verfügt (Anzahlungsrechnung) und die Zahlung geleistet worden ist (§ 15 Abs. 1 Nr. 1 Satz 3 UStG).

Der BFH hat im Anschluss an den EuGH (EuGH, Urt. v. 13.03.2014, C-107/13, Firin) nun klargestellt, dass der Vorsteuerabzug aus Anzahlungsrechnungen von einer weiteren (ungeschriebenen) Voraussetzung abhängig ist: Die noch zu erbringende Leistung darf aus der objektivierten Sicht des Zahlenden nicht „unsicher“ sein. Damit ist nunmehr klargestellt, dass ein Vorsteuerabzug bei Anzahlungsrechnungen nicht möglich ist, wenn der vermeintlich leistende Unternehmer in betrügerischer Absicht von Vornherein beabsichtigt, die Leistung nicht zu erbringen.

Sachverhalt

Streitig ist der Vorsteuerabzug aus einem zum Zwecke der Verpachtung gekauften und angezahlten, aber nicht gelieferten Blockheizkraftwerk.

Die Klägerin bestellte bei der Schweizer X-AG ein Blockheizkraftwerk. Für das voraussichtlich 180 Tage nach Geldeingang zu liefernde und zu montierende Kraftwerk erhielt sie eine Vorschuss- und Schlussrechnung über 30.000 € zzgl. 5.700 € Umsatzsteuer, die sie beglich. Anschließend schloss die Klägerin mit einer Tochtergesellschaft der X-AG, der inländischen XY-GmbH, einen Pachtvertrag über einen Zeitraum von zehn Jahren über das zu liefernde Blockheizkraftwerk gegen eine monatliche Zahlung von 1.200 € zzgl. 228 € Umsatzsteuer. Die Übergabe des Kraftwerks an die Pächterin sollte durch Abtretung des Herausgabeanspruchs der Klägerin gegenüber der X-AG erfüllt werden. Die Pächterin war zur regelmäßigen Wartung und Übernahme aller Reparaturen verpflichtet. Nach Beendigung des Pachtvertrags sollte die Pächterin das Kraftwerk auf Kosten der Klägerin an einen von dieser benannten Ort verbringen. Die Pacht war bereits vor Lieferung, nämlich zwei Monate nach Vertragsschluss fällig. Zur Verpachtung und zum Betrieb des Kraftwerks kam es jedoch nicht. Über die Vermögen der X-AG und der Pächterin wurden 2011 Insolvenzverfahren eröffnet und jeweils mangels Masse eingestellt. Pachtzahlungen erfolgten nicht.

Die Klägerin machte den Vorsteuerabzug in Höhe von 5.700 € aus dem vorausgezahlten Kaufpreis des Kraftwerks geltend, was das Finanzamt (FA) ablehnte.

Entscheidung

Der BFH hat entschieden, das erstinstanzliche Urteil aufzuheben und zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zurückzuverwiesen. Das FG habe nicht geprüft, ob die spätere Erbringung der Leistung „unsicher“ gewesen ist. Hierzu sind im zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen zu treffen.

Soweit ein gesondert ausgewiesener Steuerbetrag auf eine Zahlung vor Ausführung der Umsätze i.S.d. § 15 Abs. 1 Satz 1 UStG entfällt, ist er gem. § 15 Abs. 1 Satz 3 UStG bereits abziehbar, wenn die Rechnung vorliegt und die Zahlung geleistet worden ist. Zusätzliche Voraussetzung für den Vorsteuerabzug aus einer Anzahlung ist nach der o.g. Entscheidung des EuGH in der Sache Firin jedoch, dass der Eintritt des Steuertatbestandes im Zeitpunkt der Anzahlung jedoch nicht „unsicher“ ist. Dies hat der EuGH damit begründet, dass der Vorsteuerabzug grundsätzlich erst dann entsteht, wenn auch der Anspruch auf die abziehbare Vorsteuer entsteht. Dies setzt voraus, dass zunächst alle maßgeblichen Elemente des Steuertatbestandes der künftigen Lieferung oder sonstigen Leistung zum Zeitpunkt der Anzahlung genau bestimmt sind. Daher ist zu prüfen, ob aus der objektivierten Sicht der Klägerin die Leistung „unsicher“ war und sie das spätere Ausbleiben des Blockkraftheizwerkes mit den in der Leistungsbeschreibung enthaltenen technischen Merkmalen wusste oder hätte wissen müssen.

Hierzu wird das FG anhand der Feststellungen des Landgerichts Z in seinem Urteil vom 27.02.2014 (vgl. hierzu FG Münster, Urt. v. 03.04.2014, 5 K 383/12 U, EFG 2014, 877) sowie weiteren Besonderheiten der Vertragsgestaltung, wie der erheblichen Gewinnmarge (zehn Jahre Pachtertrag von 14.400 € jährlich = 144.000 € bei einem Nettokaufpreis von 30.000 €), der Leistung einer Anzahlung trotz Auslieferung des Kaufgegenstandes erst bis zu 180 Tage nach Zahlung sowie der Vereinbarung einer sofortigen Pachtzahlung unabhängig davon, ob das Kraftwerk seine Leistung erbrachte, würdigen müssen, ob die Lieferung des Pachtgegenstandes bereits im Zeitpunkt der Anzahlung „unsicher“ erschien.

Sollte das FG zu dem Ergebnis kommen, dass die Lieferung „unsicher“ war, wäre der Vorsteuerabzug zu versagen.

Praxishinweis

Mit der Entscheidung des BFH wird die durch die Rechtsprechung des EuGH vorgegebene Einschränkung des Vorsteuerabzugsrecht aus Anzahlungsrechnungen bestätigt. Die noch zu erbringende Leistung darf aus der objektivierten Sicht des Zahlenden nicht „unsicher“ sein. In dem vorliegenden Fall, bei dem ganz offensichtlich im Wege eines betrügerischen Schneeballsystems unter Versprechung exorbitanter Gewinnmargen die Anzahlungen eingeworben wurden, um bei älteren Kunden erste Auszahlungen vornehmen zu können, hat der BFH die Sache an das FG zur Prüfung der Frage, ob die Leistung „sicher“ war, zurückverwiesen, hat aber mit Hinweis auf das in dieser Sache eindeutige Urteil des FG Münster (Urt. v. 03.04.2014, 5 K 383/12 U, EFG 2014, 877) das Ergebnis im Grunde vorweg genommen. Es dürfte durch das leistende Unternehmen nie beabsichtigt gewesen sein, Blockheizkraftwerke zu liefern. In einem vergleichbaren Fall hat hingegen das FG Baden-Württemberg (Urt. v. 19.09.2014, 9 K 2914/12) entschieden, dass es auf die (subjektive) Perspektive des Leistungsempfängers ankomme, so dass erst der Vorsteuerabzug zu versagen ist, wenn für ihn der Leistungsbezug unsicher wird. In der über diese Entscheidung zugelassenen Revision wird der BFH nochmals näher dazu Stellung nehmen können, was er unter der „objektivierten Sicht des Leistungsempfängers“ versteht.

Noch schwieriger werden zukünftig Fälle zu beantworten sein, in denen die Leistung aus anderen Gründen bei Bezahlung der Anzahlungsrechnung unsicher ist, z.B. bei drohender Insolvenz oder Lieferproblemen. Auch ist unklar, welchen Grad an Wahrscheinlichkeit eine bei Anzahlung „sichere“ Lieferung voraussetzt. Es sollten im Vorfeld einer Bezahlung von Anzahlungsrechnung im Sinne einer guten umsatzsteuerlichen Compliance die Fälle identifiziert werden, bei denen eine Leistung im Sinne dieser Judikatur unsicher sein könnte. Zu dem Schaden bei späterer Nichterbringung der Leistung käme dann nämlich noch die Forderung des Finanzamts auf Rückzahlung der Vorsteuer. Insoweit kann es sich bei kritischen Fällen, von denen anzunehmen ist, dass sie in einer Außenprüfung aufgegriffen würden, anbieten, frühzeitig geeignete Nachweise zusammenzustellen, dass ursprünglich – trotz späterem Ausbleiben der Leistung – die Leistung anfangs sicher gewesen ist und nur nachfolgende Entwicklungen zum Ausbleiben der Leistung geführt haben. Auf diesem Wege kann wenigstens der Zinsbeginn zeitlich nach hinten verschoben werden.