FG Hamburg zum Vorsteuerabzug aus sog. „Abdeckrechnungen“

Anmerkung zu: FG Hamburg, Urt. v. 25.11.2014, 3 K 85/14 (rechtskräftig), kein Vorsteuerabzug aus sog. Abdeckrechnungen sowie bei ungenauen bzw. unzulässigen Rechnungsangaben

Praxisproblem

Die Ausübung des Vorsteuerabzugs setzt voraus, dass der Unternehmer eine nach §§ 14, 14a UStG ausgestellte Rechnung besitzt.

Nach § 14 Abs. 4 Nr. 4 UStG muss eine Rechnung u.a. eine fortlaufende Nummer mit einer oder mehreren Zahlenreihen enthalten, die zur Identifizierung der Rechnung vom Rechnungsaussteller einmalig vergeben wird (Rechnungsnummer). Daneben muss nach § 14 Abs. 4 Nr. 5 UStG eine Rechnung u.a. die Menge und die Art (handelsübliche Bezeichnung) der gelieferten Gegenstände oder den Umfang und die Art der sonstigen Leistung enthalten und sie muss nach § 14 Abs. 4 Nr. 6 UStG zudem den Zeitpunkt der Lieferung oder der sonstigen Leistung enthalten.

Fehlen diese Angaben oder sind sie unzutreffend, kommt ein Vorsteuerabzug aus der Rechnung nicht in Betracht. Der Vorsteuerabzug wird auch dann versagt, wenn zwar die gesetzlichen Rechnungsvoraussetzungen vorliegen, der Unternehmer aber wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteiligt, der zu einer Umsatzsteuerhinterziehung führt.

Sachverhalt

Die Klägerin erbrachte seit 2010 Leistungen im Baubereich. Dabei griff sie bei der Ausführung der Bauvorhaben auf Subunternehmer zurück.

In 2010 stellte die Firma A. der Klägerin insgesamt 37 Rechnungen über verschiedene Leistungen (insb. Kalkzement auffüllen und Gerüstauf- und -abbau) aus.

Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Sonderprüfung konnte in der Buchführung der Klägerin keine Zahlung an die Firma A. festgestellt werden – weder in bar noch per Überweisung.

Im Rahmen einer Umsatzsteuer-Nachschau gem. § 27b UStG wurde bei der Firma A. festgestellt, dass die Rechnungen der Firma A. nicht fortlaufend nummeriert seien und auch in der Buchhaltung der Firma A. nicht erfasst worden sind und die Umsatzsteuerbeträge auch nicht an das Finanzamt abgeführt worden sind. Darüber hinaus wurden keine Eingangsrechnungen über den Einkauf von Kalkzementputz oder sonstiges Baumaterial gefunden, die eine Lieferung und Ausführung entsprechender Arbeiten als Subunternehmerin an die Klägerin überhaupt erst ermöglicht hätten. Die zu den Rechnungen der Firma A. vorgelegten Stundenzettel enthielten Unstimmigkeiten (so sollte beispielsweise ein Arbeitnehmer am 30.09.2010 von 8.00 bis 11.00 Uhr auf der Baustelle in G und gleichzeitig von 8.00 Uhr bis 12.00 Uhr beim Bauvorhaben in S tätig gewesen sein). Darüber hinaus wurden bei der Firma A. auch keine Zahlungseingänge der Klägerin – weder per Überweisung noch in bar – festgestellt, so dass die Prüfung letztlich zu dem Ergebnis kam, dass ein steuerbarer Leistungsaustausch (Leistungsausführung gegen Entgelt) zwischen den beteiligten Unternehmen Klägerin und Firma A.) nicht stattgefunden hat. Dementsprechend wurde der Vorsteuerabzug aus den 37 Rechnungen versagt.

Der dagegen von der Klägerin eingelegte Einspruch und die im Anschluss daran eingelegte Klage blieben beide erfolglos.

Entscheidung

Das FG Hamburg hat vorliegend entschieden, dass der begehrte Vorsteuerabzug aus den 37 Rechnungen der Firma A. gleich aus mehreren Gründen zu versagen sei:

A.    Formelle Rechnungsangaben ungenau bzw. unzulässig

Nach Auffassung des Finanzgerichts genügten die vorgelegten Rechnungen nicht den Voraussetzungen des § 14 Abs. 4 UStG.

(1)    Rechnungsnummer (§ 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 4 UStG)

Hinsichtlich der Rechnungsnummer sei zwar eine lückenlose zahlenmäßige Abfolge der ausgestellten Rechnungsnummern nicht erforderlich, da es nur um die Einmaligkeit der erteilten Rechnungsnummer geht. Bei der Erstellung der Rechnungsnummer bleibt es grundsätzlich dem Rechnungsaussteller überlassen, wie viele und welche separaten Nummernkreise geschaffen werden, in denen eine Rechnungsnummer jeweils einmalig vergeben wird. Dabei sind Nummernkreise für organisatorisch abgegrenzte Bereiche zulässig. Es muss jedoch gewährleistet sein, dass die jeweilige Rechnung leicht und eindeutig dem jeweiligen Nummernkreis zugeordnet werden kann. Vorliegend seien in zulässiger Weise Rechnungskreise für jedes einzelne Bauobjekt eingeführt worden. Daneben ist jedoch in unzulässiger Weise ein weiterer Rechnungskreis für dieselben Baustellen geführt worden. Durch das Nebeneinander von Rechnungskreisen für dieselbe Baustelle ist es unmöglich, die jeweilige Rechnung dem jeweiligen Rechnungskreis, also der einzelnen Baustelle, eindeutig zuzuordnen.

Auch wenn die Rechnungsnummern nicht zwingend lückenlos sein müssen, so ist es nach Auffassung des Finanzgerichts unzulässig, die Rechnungsnummer durch immer weitere Zahlenzusätze so unübersichtlich zu gestalten, dass nur durch eine aufwändige Prüfung festgestellt werden kann, ob die Rechnungsnummer einmalig vergeben wurde. Durch die Aneinanderreihung von Zahlen und Bindestrichen wird die Prüfung der Einmaligkeit der Rechnung in unzulässiger Weise erschwert (z.B. Rechnungsnummer „XX-…-06-001-3“ und „XX-…-06-001-3-1“. Hinzu kommt, dass in unzulässiger Weise innerhalb eines Rechnungskreises mehrere fortlaufende Rechnungsnummern existieren, z.B. für ein Bauvorhaben die Rechnungen „XX-…-06-001-2-1“ und „XX-…-06-001-3“.

(2)    Leistungsbeschreibung (§ 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 5 UStG)

Lediglich allgemeine Bezeichnungen wie „Fliesenarbeiten“ oder „Außenputzarbeiten“ genügen den Anforderungen an die Leistungsbeschreibung ohne nähere Konkretisierung nicht (BFH, Urt. v. 15.05.2012, XI R 32/10). Soweit die Rechnungen die Leistungsbeschreibung „Putzarbeiten“, „Fugenarbeiten“ oder „Kalkzement auffüllen“ ohne weitere Angaben z.B. zu der genauen Örtlichkeit zur Identifizierung der abgerechneten Leistung enthalten, kann nicht festgestellt werden, welche Leistung konkret abgerechnet wurde und ob ggf. eine Leistung mehrfach abgerechnet wurde.

(3)    Leistungszeitpunkt (§ 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 UStG)

Grundsätzlich muss eine Rechnung den Zeitpunkt der Lieferung oder der sonstigen Leistung enthalten. Rechnungen, die nur einen Leistungszeitraum von mehreren Monaten enthalten, genügen nicht den Vorgaben des § 14 Abs. 4 S. 1 Nr. 6 UStG, da es dann für die Finanzverwaltung nicht mehr ersichtlich ist, in welchem Voranmeldungszeitraum die hiermit zusammenhängende Umsatzsteuer und der damit korrespondierende Anspruch auf Vorsteuer entstanden sind.

B.    Einbeziehung in eine Umsatzsteuerhinterziehung

Neben den o.a. formellen Rechnungsmängeln steht der Klägerin der Vorsteuerabzug auch deswegen nicht zu, da die Klägerin nach Auffassung des Finanzgerichts an einem Umsatzsteuerhinterziehungs-system beteiligt sei.

Trotz Vorliegens der gesetzlichen Voraussetzungen ist der Vorsteuerabzug ausnahmsweise auch dann zu versagen, wenn der Unternehmer wusste oder hätte wissen müssen, dass er sich mit seinem Erwerb an einem Umsatz beteilige, der in eine Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen ist (BGH, Beschl. v. 08.02.2011, 1 StR 24/10, NJW 2011, 1616).

Zwar hat der Unternehmer keine (anlasslose) Pflicht, umfassend die wirtschaftlichen und steuerlichen Verhältnisse des Leistenden aufzuklären, allerdings muss der Rechnungsempfänger alle Maßnahmen treffen, die vernünftigerweise von ihm verlangt werden können, um sicherzustellen, dass seine Umsätze nicht in einen Betrug einbezogen sind (EuGH, Urteile v. 21.06.2012, C-80/11, C-142/11, UR 2012, 591).

Das Gericht ist vorliegend zu der Auffassung gelangt, dass die Firma A. die abgerechneten Leistungen nicht selbst erbracht hat:

  • Die Firma A. besaß keine eigenen Baugerüste, ein Wareneinkauf von Kalkzement bzw. sonstigem Baumaterial war nicht feststellbar und die Firma A. hat die fraglichen Ausgangsrechnungen nicht in ihrer Buchhaltung erfasst.
  • Darüber hinaus ist die Geschäftsbeziehung zwischen der Klägerin und der Firma A durch einen Herrn J. zustande gekommen; der geschlossene Nachunternehmervertrag zwischen der Klägerin und der Firma A. datiert jedoch auf einen Zeitpunkt, als Herr J. noch gar nicht bei der Firma A. angestellt war.
  • Zusätzlich ist kein Grund ersichtlich, warum der leistende Unternehmer seine Leistungen erst zwei bis vier Monate nach Ausführung abgerechnet hat, da er seinerseits seine Arbeitnehmer entlohnen muss.
  • Des Weiteren habe die Firma A. bereits mit Schreiben aus Februar 2011 bestätigt, Zahlungen auf die Abschlags- und Schlussrechnungen erhalten zu haben, obwohl die Bezahlung laut der vorgelegten Quittungskopien erst im März 2011 stattfand.
  • In einem Fall von doppelten Rechnungen (unter der gleichen Rechnungsnummer) belegen die Unterschiede im Rechnungswortlaut und in den dafür ausgestellten Quittungen, dass die Rechnung nicht versehentlich doppelt ausgedruckt wurde, sondern dass es sich bei den Rechnungen unter der gleichen Rechnungsnummer nicht um vollkommen identische Exemplare handelt.

Vielmehr zeige sich, dass es sich bei den Rechnungen der Firma A. um sog. „Abdeckrechnungen“ handelt, die nur für den Zweck erstellt wurden, um in die Buchhaltung der Klägerin einzufließen, um aus den Rechnungen den Vorsteuerabzug geltend zu machen und um damit Schwarzlohnzahlungen an die tatsächlich Leistenden in der Buchhaltung zu vertuschen. Dies war nach Überzeugung des Gerichts auch für die Klägerin aufgrund der besonderen Umstände und Einzelheiten erkennbar. Empfänger und Verwender von derartigen Abdeckrechnungen begehen naturgemäß vorsätzlich eine Umsatzsteuerhinterziehung, indem sie die Abdeckrechnungen zum Vorsteuerabzug verwenden, die aber nicht von dem tatsächlich Leistenden ausgestellt wurden. Die Abdeckrechnungen werden von den Verwendern hingegen gerade zu dem Zweck beschafft, um die Zahlungen an die tatsächlich Leistenden, die in der Regel „schwarz“ entlohnt werden, in der Buchhaltung abzudecken.

Praxishinweis

Dass ein Vorsteuerabzug für denjenigen ausgeschlossen ist, der vorsätzlich an einer Umsatzsteuerhinterziehung mitwirkt, entspricht der ständigen Rechtsprechung (z.B. EuGH, Urt. v. 06.07.2006, C-439/04 und C-440/04).

Aber auch für den rechtstreuen Unternehmer ergeben sich aus dem o.a. Fall interessante Erkenntnisse, die bei der Prüfung von Eingangsrechnungen und bei der Geltendmachung von Vorsteuern aus Eingangsrechnungen beachtet werden sollten.

Zunächst ist es selbstverständlich ratsam, sich (insbesondere bei neuen Geschäftsbeziehungen) über die Person seines Geschäftspartners und über die Befugnisse/Vollmachten der Personen, die den Geschäftspartner nach außen hin wirksam vertreten können, zu erkundigen, um sich nicht den Vorwurf gefallen lassen zu müssen, dass man etwaige Ungereimtheiten bei der Rechnungstellung des Geschäftspartners doch hätte wissen oder erkennen müssen.

Interessant sind die weiteren Ausführungen des Finanzgerichts zu den formellen Aspekten der Rechnungsausstellung. Danach muss es insbesondere für die Finanzverwaltung leicht und einwandfrei feststellbar sein, ob z.B. eine Rechnungsnummer nur einmalig vergeben wurde, ob eine Leistung aufgrund ihrer konkreten Beschreibung nicht mehrfach abgerechnet wurde oder in welchem Voranmeldungszeitraum die Umsatzsteuer entstanden ist.

Nach dem FG Hamburg ist es bei der Vergabe von Rechnungsnummern dabei sogar unzulässig, die Rechnungsnummern so (unübersichtlich) zu gestalten, dass dadurch die Finanzverwaltung nur durch eine aufwändige Prüfung feststellen kann, ob die Rechnungsnummer einmalig vergeben wurde. Zwar ist die Überprüfung der Richtigkeit der Rechnungsnummer für den Rechnungsempfänger in der Regel nicht möglich (so Abschn. 15.2a Abs. 6 Satz 4 UStAE), wenn aber von einem Lieferanten mehrere Rechnungen für mehrere Bauvorhaben/Projekte erhalten werden, dann hat der Rechnungs-empfänger darauf zu achten, dass die jeweilige Rechnungsnummern nur einmalig vergeben wurde und dass die Rechnungsnummern auch von der Logik her eindeutig und leicht nachprüfbar den einzelnen Projekten zugeordnet werden können. Ansonsten besteht das Risiko der Vorsteuerversagung.

Hinsichtlich der Leistungsbeschreibung ist darauf zu achten, dass bei Leistungen, wie z.B. bei Bauleistungen, die inhaltlich wiederkehren (wie z.B. Fugenarbeiten), eine Konkretisierung beispielsweise zur genauen Örtlichkeit der Leistung erfolgt, damit die Finanzverwaltung leicht feststellen kann, ob für die gleiche Leistung eventuell mehrere Rechnungen ausgestellt wurden. Sofern sich die Konkretisierung nicht aus der Rechnung selbst ergibt, sondern aus anderen Unterlagen (z.B. Stundenzettel, Montageberichte), ist zu beachten, dass diese anderen Unterlagen gem. § 31 Abs. 1 Satz 2 UStDV in der Rechnung genau bezeichnet sein müssen.

Bei der erforderlichen Angabe des Leistungszeitpunktes sei abschließend darauf hingewiesen, dass nach § 31 Abs. 4 UStDV anstelle des Zeitpunkts der Lieferung oder der sonstigen Leistung auch der Kalendermonat angegeben werden kann, in dem die (einzelne) Leistung ausgeführt wird. Die Angabe eines mehrmonatigen Leistungszeitraums für einzelne in diesem Zeitraum ausgeführte Leistungen ist hingegen nicht zulässig.