FG Köln zur ordnungsgemäßen Unternehmerbescheinigung im Vorsteuervergütungsverfahren

Anmerkung zu: FG Köln, Beschl. v. 11.02.2015, 2 V 3334/14; Ordnungsgemäße Unternehmerbescheinigung i.S.d. § 18 Abs. 9 S. 1 UStG i.V.m. § 61 Abs. 3 UStDV 2009 (jetzt: § 61a Abs. 4 UStDV) (Vorsteuervergütungsverfahren) aus einem Drittland

Praxisproblem

Bezieht ein in einem Drittstaat ansässiger Unternehmer Leistungen in Deutschland, ohne selbst Umsätze in Deutschland auszuführen, so können die Vorsteuern nicht im Wege des normalen Umsatzsteuerfestsetzungsverfahren angesetzt werden, sondern nur im Rahmen des besonderen Vorsteuervergütungsverfahrens nach § 18 Abs. 9 S. 1 UStG i.V.m. §§ 59 ff. UStDV. Im Rahmen des Vorsteuervergütungsverfahrens ist der den Abzug Begehrende jedoch nach jetzigem § 61a Abs. 4 UStDV verpflichtet, nachzuweisen, dass er Unternehmer i.S.d. Umsatzsteuergesetzes ist. Den Nachweis hat er durch Bescheinigung seines Ansässigkeitsstaates zu erbringen. Da andere Staaten, wie z.B. die USA, keine der europäischen Mehrwertsteuer entsprechende Steuer kennen, können und werden diese Staaten auch nicht bescheinigen, dass der die Vergütung Begehrende Unternehmer ist. Das FG Köln hat nun im Rahmen eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens entschieden, dass die Abzugsberechtigung gegeben ist, wenn ein Antragsteller im Vergütungsverfahren eine Bescheinigung vorlegt, aus welcher hervorgeht, dass die Geschäftstätigkeit bzw. Unternehmenstätigkeit („business activity“) des Antragstellers im kaufmännischen Großhandel mit Sport- und Freizeitwaren und -produkten besteht, auch wenn nicht ausdrücklich bescheinigt wird, dass es sich um eine unternehmerische Tätigkeit i.S.d. Umsatzsteuergesetzes handelt und der Antragsteller unter einer Steuernummer eingetragen ist.

Sachverhalt

Die Antragstellerin ist eine in den USA ansässige Unternehmerin. Sie stellte beim Antragsgegner einen Antrag auf Vorsteuervergütung im Rahmen des Vorsteuervergütungsverfahrens. Dem Antrag wurde zunächst teilweise entsprochen.

Der Antragsgegner setzte die zunächst festgesetzte Vorsteuervergütung im Rahmen des wegen eines anderen Streitpunktes durchgeführten Einspruchsverfahrens auf 0,00 € fest und forderte den bereits ausgezahlten Betrag zurück. Zur Begründung der Rückforderung führte der Antragsgegner an, dass die Antragstellerin keine für den Vergütungszeitraum gültige Unternehmerbescheinigung vorgelegt habe. Der Antragsgegner hatte die Antragstellerin zuvor auf die Möglichkeit einer verbösernden Entscheidung hingewiesen. Hiergegen erhob die Antragstellerin fristgemäß Klage. Außerdem stellte sie beim Antragsgegner einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung, der mit Bescheid vom 10.10.2014 abgelehnt wurde. Daraufhin hat die Antragstellerin einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung beim Finanzgericht gestellt. Im Laufe des Klageverfahrens hat die Antragstellerin eine Original-Unternehmerbescheinigung eingereicht. Diese betrifft das Steuerjahr („Tax Year“) 2009. Als Steuerpflichtige („Taxpayer“) ist die Antragstellerin mit TIN-Nummer – ohne Angabe einer Anschrift – eingetragen. Die Bescheinigung lautet wie folgt: “I certify that the above-named corporation filed a U.S. corporate income tax return, Form 1120, for the tax year specified above. Form 1120 shows the business activity code and business activity for the above taxpayer is 423910, Sporting and Recreational Goods and Supplies Merchant Wholesalers. * VAT only, not applicable to income taxes *”

Der Antragsgegner trägt im gerichtlichen Verfahren hiergegen vor, dass die Klägerin keine ordnungsgemäße Unternehmerbescheinigung vorgelegt habe. Die Unternehmerbescheinigung würde den Anforderungen an eine ordnungsgemäße Unternehmerbescheinigung nicht genügen, da sie lediglich die Abgabe einer Steuererklärung für ertragsteuerliche Zwecke bescheinige und keine Aussage darüber treffe, ob die Antragstellerin ein mehrwert- bzw. umsatzsteuerpflichtiger Unternehmer sei. Außerdem enthalte die Bescheinigung keine Angabe zur Anschrift des Unternehmers.

Entscheidung

Das FG Köln hat die streitigen Bescheide von der Vollziehung ausgesetzt, da es im einstweiligen Rechtsschutzverfahren der Ansicht ist, dass die vorgelegte Unternehmerbescheinigung den gesetzlichen Anforderungen genügt. Der Senat hat keine ernstlichen Zweifel daran, dass die Antragstellerin eine ordnungsgemäße Unternehmerbescheinigung vorgelegt hat.

Nach § 18 Abs. 9 Satz 1 UStG i.V.m. § 61 Abs. 3 UStDV muss der Unternehmer der zuständigen Finanzbehörde durch behördliche Bescheinigung des Staates, in dem er ansässig ist, nachweisen, dass er als Unternehmer unter einer Steuernummer eingetragen ist. Nach Art. 3 Buchst. b) Satz 1 der Achten Richtlinie 79/1072/EWG des Rates vom 6. Dezember 1979 muss der in Art. 2 der Achten EG-Richtlinie genannte Steuerpflichtige durch eine Bescheinigung der zuständigen Behörde des Staates, in dem er ansässig ist, den Nachweis erbringen, dass er Mehrwertsteuerpflichtiger dieses Staates ist. Die Bescheinigung muss nach Art. 9 Abs. 2 der Achten EG-Richtlinie dem in Anhang B zur Achten EG-Richtlinie aufgeführten Muster entsprechen. Zwar gilt die Achte Richtlinie nur für die Erstattung von Vorsteuern an im Gemeinschaftsgebiet ansässige Steuerpflichtige. Auf die nicht im Gemeinschaftsgebiet ansässigen Steuerpflichtigen – wie im Streitfall die Antragstellerin – findet hingegen die Dreizehnte Richtlinie des Rates vom 17. November 1986 (86/560/EWG, ABl. L 326/1986, 40) Anwendung. Gemäß Art. 3 Abs. 1 Satz 2 der Dreizehnten Richtlinie bestimmten dabei die Mitgliedstaaten die Modalitäten für die Antragstellung zur Erstattung der Mehrwertsteuer. Die Erstattung darf nach Art. 3 Abs. 2 der Dreizehnten Richtlinie nicht zu günstigeren Bedingungen erfolgen als für in der Gemeinschaft ansässige Steuerpflichtige.

Die Unternehmerbescheinigung muss zum einen den Vergütungszeitraum abdecken und zum anderen die Aussage enthalten, dass der Antragsteller Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts ist (vgl. BFH, Urt. v. 18.01.2007, V R 22/05, BFHE 217, 24, BStBl. II 2007, 426 m.w.N.). Im Streitfall erfüllt die von der Antragstellerin vorgelegte Bescheinigung vom 17.11.2014 bei summarischer Prüfung diese rechtlichen Voraussetzungen. Die Bescheinigung erstreckt sich ausdrücklich auf das Steuerjahr („Tax Year“) 2009 und deckt damit den Vergütungszeitraum ab. Die Bescheinigung genügt auch den Anforderungen an die Aussage, dass die Antragstellerin Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts ist. Aus dem einschlägigen Gemeinschaftsrecht ergibt sich, dass ein im Drittland – etwa in den USA – ansässiger Unternehmer die Erstattung von Vorsteuerbeträgen nur verlangen kann, wenn er nachweist, dass er eine wirtschaftliche Tätigkeit entsprechend Art. 4 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie des Rates vom 17. Mai 1977 zur Harmonisierung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Umsatzsteuern (Richtlinie 77/388/EWG) ausübt. Die in Bezug genommene Vorschrift des Art. 4 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie (77/388/EWG) definiert den „Steuerpflichtigen“ im Sinne des Mehrwertsteuerrechts. Danach gilt als Steuerpflichtiger, wer eine der in Art. 4 Abs. 2 der Sechsten Richtlinie genannten wirtschaftlichen Tätigkeiten selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausübt, gleichgültig zu welchem Zweck und mit welchem Ergebnis (vgl. BFH, Urt. v. 18.01.2007, V R 22/05, a.a.O.). Die von der Antragstellerin vorgelegte Bescheinigung enthält zwar nicht die ausdrückliche Aussage, dass die Antragstellerin „Unternehmer im Sinne des Umsatzsteuerrechts“ ist. Da das US-amerikanische Steuerrecht keine der europäischen Umsatzsteuer entsprechende Steuer kennt, kann die US-amerikanische Steuerbehörde auch nicht bescheinigen, dass die Antragstellerin Unternehmer im Sinne des (europäischen) Umsatzsteuerrechts ist. Die Bescheinigung erbringt jedoch den Nachweis, dass die Antragstellerin eine wirtschaftliche Tätigkeit entsprechend Art. 4 Abs. 1 der Sechsten Richtlinie ausübt, der insoweit für die in den USA ansässige Antragstellerin ausreichend ist. Art. 4 Abs. 2 Satz 1 der Sechsten Richtlinie umfasst alle Tätigkeiten eines Erzeugers, Händlers oder Dienstleistenden einschließlich der Tätigkeiten der Urproduzenten, der Landwirte sowie der freien Berufe und der diesen gleichgestellten Berufe. Aus der Bescheinigung der Antragstellerin ergibt sich, dass sie die Tätigkeit eines Händlers ausübt. Da sie insoweit kaufmännisch tätig ist und die Bescheinigung für Umsatzsteuerzwecke erteilt wurde, geht der Senat bei summarischer Prüfung davon aus, dass die Handelstätigkeit auch selbständig und unabhängig von ihrem Ort ausgeübt wurde bzw. wird.

Soweit der Antragsgegner einwendet, dass die Unternehmerbescheinigung nicht die Anschrift der Antragstellerin enthalte, steht dies der Ordnungsgemäßheit der Bescheinigung im Streitfall nicht entgegen. Denn die Anschrift ergibt sich aus dem Begleitschreiben, mit dem die Unternehmerbescheinigung von der US-amerikanischen Behörde an die Antragstellerin übersandt wurde.

Es bleibt dem Antragsgegner vorbehalten, im Hauptsacheverfahren ggf. darzulegen und nachzuweisen, dass die US-amerikanische Behörde – im Gegensatz zur praktischen Erfahrung des Senats – Bescheinigungen nach dem Muster der Achten Richtlinie ausstellt.

Praxishinweis

Die Entscheidung des FG Köln stellt für in Drittstaaten ansässige Unternehmer klar, dass Bescheinigungen zum Nachweis der Unternehmereigenschaft bereits den Anforderungen genügen, wenn sie angeben, dass eine wirtschaftliche Tätigkeit i.S.d. Mehrwertsteuersystemrichtlinie ausgeübt wird, auch wenn nicht ausdrücklich bestätigt wird, dass der die Vorsteuervergütung Begehrende Unternehmer i.S.d. Umsatzsteuergesetzes ist. Dies ist insbesondere dann wichtig – wie das Beispiel USA zeigt –, wenn der Ansässigkeitsstaat keine der Mehrwertsteuer entsprechende Steuer kennt (in den USA existiert kein Deutschland vergleichbares Umsatzsteuersystem, sondern lediglich eine sog. Sales Tax). Ungeklärt ist, ob sich diese Rechtsprechung auch auf andere Ansässigkeitsstaaten übertragen lässt, die keine dem vorgegebenen Muster entsprechende Bescheinigungen ausstellen und ebenfalls keine der Mehrwertsteuer entsprechende Steuer kennen. Insoweit ist frühzeitig dafür Vorsorge zu tragen, dass eine den durch diese Rechtsprechung aufgestellten Anforderungen genügende Bescheinigung vorgelegt werden kann. Zu einer zeitigen Vorsorge zwingt insoweit insbesondere die lediglich sechsmonatige Antragsfrist nach Ablauf des Vergütungszeitraums (§ 61a Abs. 2 Satz1 UStDV).