Mögliche Auswirkungen des Brexit auf die Umsatzsteuer

Anmerkung zu: BMF-Schreiben v. 08.04.2019

Das BMF hatte mit Schreiben v. 08.04.2019 (kurzfristig auf der Homepage des BMF eingestellt, aber dort wieder herausgenommen) Hinweise zu Übergangsszenarien im Fall eines Brexit des Vereinigten Königreichs (VK) ohne Austrittsabkommen veröffentlicht. Am 10.04.2019 hatte der Europäische Rat aber beschlossen, die Austrittsfrist für das VK längstens bis zum 31.10.2019 zu verlängern. Der Inhalt des BMF-Schreibens wurde damit hinfällig. Es wurde deshalb nicht im Bundessteuerblatt veröffentlicht. Auch das BZSt hatte am 27.02.2019 auf seiner Homepage www.bzst.de Hinweise zum Vorsteuer-Vergütungsverfahren für einen Austritt des VK aus der EU ohne Austrittsabkommen veröffentlicht, die durch die Hinausschiebung des Brexit-Termins hinfällig erscheinen.

Allgemein lässt sich jedoch zu den Auswirkungen eines Brexit (ob mit oder ohne Abkommen) für den Fall, dass das VK ab dem Tag nach dem Brexit als Drittstaat gilt, Folgendes festhalten:

VK wird wahrscheinlich Drittlandsgebiet

Das Gebiet des VK wird voraussichtlich (beim sog. harten Brexit definitiv) mit Ablauf des Tages des Brexit nicht mehr zum Gebiet der EU Union gehören. Bei der Anwendung insbesondere der nachstehend aufgeführten Vorschriften

  • § 1 Abs. 2a UStG: Abgrenzung des Gemeinschaftsgebietes und des Drittlandgebietes
  • § 1a UStG: Innergemeinschaftlicher Erwerb
  • § 1b UStG: Innergemeinschaftlicher Erwerb neuer Fahrzeuge
  • § 1c UStG: Innergemeinschaftlicher Erwerb durch diplomatische Missionen, zwischenstaatliche Einrichtungen und Streitkräfte der Vertragsparteien des Nordatlantikvertrags
  • § 2a UStG: Fahrzeuglieferer
  • § 3 Abs. 1a UStG: Umsatzsteuerliche Behandlung des Verbringens eines Gegenstandes des Unternehmens aus dem Inland in das übrige Gemeinschaftsgebiet
  • § 3 Abs. 6, 7 und 8 UStG: Ort der Lieferung
  • § 3a UStG: Ort der sonstigen Leistung
  • § 3b UStG: Ort der Beförderungsleistungen und der damit zusammenhängenden sonstigen Leistungen
  • § 3c UStG: Ort der Lieferung in besonderen Fällen
  • § 3d UStG: Ort des innergemeinschaftlichen Erwerbs
  • § 3e UStG: Ort der Lieferungen und Restaurationsleistungen während einer Beförderung an Bord eines Schiffs, in einem Luftfahrzeug oder in einer Eisenbahn
  • § 4 Nr. 1 Buchst. a und b UStG: Steuerbefreiungen für Ausfuhrlieferungen und innergemeinschaftliche Lieferungen
  • § 4 Nr. 3 UStG: Steuerbefreiungen für grenzüberschreitende Beförderungen und bestimmte sonstige Leistungen
  • § 4 Nr. 4b UStG: Steuerbefreiung für die einer Einfuhr vorangehenden Lieferungen von Gegenständen
  • § 4 Nr. 5 UStG: Steuerfreie Vermittlungsleistungen
  • § 4 Nr. 7 UStG: Leistungen an Vertragsparteien des Nordatlantikvertrags, NATO-Streitkräfte, diplomatische Missionen und zwischenstaatliche Einrichtungen
  • § 4b UStG: Steuerbefreiung beim innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen
  • § 5 UStG: Steuerbefreiungen bei der Einfuhr
  • § 6 UStG: Ausfuhrlieferung
  • § 6a UStG: Innergemeinschaftliche Lieferung
  • § 7 UStG: Lohnveredelung an Gegenständen der Ausfuhr
  • § 12 Abs. 2 Nr. 12 UStG: Steuersatz für die Einfuhr von Kunstgegenständen und Sammlungsstücken
  • § 12 Abs. 2 Nr. 13 UStG: Steuersatz für die Lieferung und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Kunstgegenständen
  • § 13b Abs. 1 UStG: Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers für nach § 3a Abs. 2 UStG im Inland steuerpflichtige sonstige Leistungen
  • § 14 Abs. 7 UStG: Rechnungserteilung bei inländischen Umsätzen eines in einem anderen Mitgliedstaat ansässigen Unternehmers, für die der Leistungsempfänger die Steuer schuldet
  • § 14a UStG: Zusätzliche Pflichten bei der Ausstellung von Rechnungen in besonderen Fällen
  • § 14b UStG: Aufbewahrung von Rechnungen
  • § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 UStG: Vorsteuerabzug für die Einfuhr und den innergemeinschaftlichen Erwerb von Gegenständen
  • § 15 Abs. 3 UStG: Ausschluss des Vorsteuerabzugs
  • § 15 Abs. 4b UStG: Einschränkung des Vorsteuerabzugs
  • § 16 Abs. 1a und 1b, § 18 Abs. 4c bis 4e sowie § 18h UStG: Kleine einzige Anlaufstelle (Mini-One-Stop-Shop) für bestimmte Dienstleistungen
  • § 16 Abs. 5 und § 18 Abs. 5 UStG: Beförderungseinzelbesteuerung
  • § 16 Abs. 5a und § 18 Abs. 5a UStG: Fahrzeugeinzelbesteuerung
  • § 18 Abs. 9 und § 18g UStG sowie §§ 59 bis 61a UStDV: Vorsteuer-Vergütungsverfahren
  • § 18a UStG: Zusammenfassende Meldung
  • § 18b UStG: Gesonderte Erklärung innergemeinschaftlicher Lieferungen und bestimmter sonstiger Leistungen im Besteuerungsverfahren
  • § 18c UStG: Meldepflicht bei der Lieferung neuer Fahrzeuge
  • § 18d UStG: Vorlage von Urkunden
  • § 18e UStG: Bestätigungsverfahren
  • § 22 UStG: Aufzeichnungspflichten
  • § 25 Abs. 2 UStG: Steuerbefreiung von Reiseleistungen
  • § 25a UStG: Differenzbesteuerung
  • § 25b UStG: Innergemeinschaftliche Dreiecksgeschäfte
  • §§ 8 bis 17 UStDV: Beleg- und buchmäßiger Nachweis bei Ausfuhrlieferungen und Lohnveredelungen an Gegenständen der Ausfuhr
  • §§ 17a bis 17c UStDV: Nachweise bei der Steuerbefreiung für innergemeinschaftliche Lieferungen

gilt, dass das VK ab dem Brexit grds. mit allen umsatzsteuerrechtlichen Konsequenzen Drittland i. S. d. § 1 Abs. 2a Satz 3 UStG ist. Die Vorschriften zur Umsatzbesteuerung des grenzüberschreitenden Waren- und Dienstleistungsverkehrs innerhalb der EU können auf nach diesem Zeitpunkt ausgeführte Umsätze nicht mehr angewendet werden. An deren Stelle treten die für das Drittlandsgebiet geltenden Vorschriften.

Ab dem Austrittszeitpunkt unterliegt der Warenverkehr mit dem VK zollrechtlichen Förmlichkeiten. Dies hat zur Folge, dass die Waren sowohl bei der Einfuhr, als auch bei der Ausfuhr zu gestellen und zum betreffenden Zollverfahren anzumelden sind sowie der Erhebung von Einfuhrabgaben (u.a. Zölle) und der Einfuhrumsatzsteuer unterliegen.

Dauerleistungen

Der Brexit hat auch Auswirkungen auf sonstige Leistungen, deren Erbringung sich über den Austrittszeitpunkt hinweg erstreckt (Dauerleistungen). Für die umsatzsteuerrechtliche Behandlung ist der Zeitpunkt der Ausführung der Leistung maßgeblich. Bei zeitlich begrenzten Dauerleistungen ist die Leistung mit Beendigung des entsprechenden Rechtsverhältnisses ausgeführt. Beginnt die Erbringung einer sonstigen Leistung vor Brexit-Datum und endet nach dem Brexit-Datum, sind die Verhältnisse im Zeitpunkt der Beendigung für die Beurteilung der gesamten Leistung maßgeblich.

Vorsteuer-Vergütungsverfahren

Der Statuswechsel des VK hat auch konkrete Auswirkung auf den Prozess der Beantragung der Vorsteuer-Vergütung. Die elektronischen Verbindungswege von und nach dem VK sind am Tag nach dem Brexit geschlossen. Nach dem Brexit-Datum eingereichte Anträge deutscher Unternehmer auf Vergütung britischer Vorsteuern können vom BZSt nicht mehr an das VK weitergeleitet werden.

Anträge auf Vergütung von Vorsteuern, die nach dem Brexit-Datum in VK entstehen, müssen von deutschen Unternehmern unmittelbar bei HMRC im VK gestellt werden. Es bleibt abzuwarten, welche Regelungen das VK hierzu im Einzelnen haben wird.

Für den Fall, dass das VK doch im Laufe des Jahres 2019 aus der EU austritt und Drittlandsgebiet wird, kann allgemein von Folgendem ausgegangen werden:

Ein in Deutschland ansässiger Unternehmer, dem vor dem 01.01.2019 im VK von einem Unternehmer britische USt in Rechnung gestellt worden ist, kann Anträge auf Vergütung dieser Vorsteuerbeträge nach § 18g UStG auf elektronischem Weg an das BZSt zur Weiterleitung an die Erstattungsbehörde des VK übermitteln. Da die elektronischen Verbindungswege für die Antragstellung von und nach dem Vereinigten Königreich mit Ablauf des Brexit-Datums geschlossen werden, müssen die Anträge jedoch bis zu diesem Termin vom BZSt an die Erstattungsbehörde des VK weitergeleitet werden, um eine Vergütung nach der RL 2008/9/EG zu bewirken. Sofern ein Vergütungsantrag nicht rechtzeitig an das VK weitergeleitet werden konnte, besteht die Möglichkeit, den Antrag unmittelbar an die Erstattungsbehörde des VK zu übermitteln. Informationen über die Einzelheiten der Antragstellung sind bei der britischen Finanzbehörde erhältlich.

Ein im VK ansässiger Unternehmer, dem vor dem 01.01.2019 im Inland von einem Unternehmer für einen steuerpflichtigen Umsatz USt in Rechnung gestellt worden ist, kann einen Antrag auf Vergütung dieser Steuer auf elektronischem Weg über die Erstattungsbehörde des VK zur Weiterleitung an das BZSt übermitteln. Der Antrag muss jedoch bis zum Ablauf des Brexit-Datums beim BZSt eingegangen sein, um eine Vergütung nach den Vorschriften der RL 2008/9/EG zu bewirken. Der Vergütungsantrag sollte daher so frühzeitig wie möglich gestellt werden, damit eine rechtzeitige Weiterleitung durch die britische Finanzbehörde gewährleistet ist. Sofern ein Vergütungsantrag nicht rechtzeitig an das BZSt weitergeleitet werden konnte, besteht die Möglichkeit, den Antrag unmittelbar an das BZSt zu übermitteln. Der Antrag muss grds. elektronisch über das BZSt-Online-Portal bis zum 30.09.2019 gestellt werden. Daneben müssen die Originalbelege zu sämtlichen Vorsteuerbeträgen bis zum vorgenannten Termin in Papierform beim BZSt eingegangen sein. Außerdem muss eine behördliche Bescheinigung des Vereinigten Königreichs eingereicht werden, die die umsatzsteuerliche Erfassung des Unternehmers im VK bestätigt (sog. Unternehmerbescheinigung). Die Unternehmerbescheinigung muss den Vergütungszeitraum abdecken und ist nach dem Vordruckmuster USt 1 TN zu führen.

Ein in Deutschland ansässiger Unternehmer, dem nach dem 31.12.2018 und vor dem Brexit-Datum Vorsteuerbeträge im VK entstanden sind, hat die Vergütung dieser Vorsteuerbeträge unmittelbar bei der Erstattungsbehörde des VK nach den dort geltenden Regelungen für Unternehmer, die außerhalb des VK ansässig sind, zu beantragen. Informationen über die Einzelheiten der Antragstellung sind bei der britischen Finanzbehörde erhältlich. Da diese Vergütungsansprüche vor dem Austrittsdatum entstehen, besteht ein Anrecht auf die Vergütung, soweit die weiteren Vergütungsvoraussetzungen erfüllt sind. Dies gilt unabhängig von den zukünftigen Regelungen des VK über die Vorsteuer-Vergütung für Unternehmer, die außerhalb des VK ansässig sind.

Ein im VK ansässiger Unternehmer, dem nach dem 31.12.2018 und vor dem Brexit-Datum Vorsteuerbeträge in Deutschland entstanden sind, hat die Vergütung dieser Vorsteuerbeträge unmittelbar bei dem BZSt zu beantragen. Die beantragte Vergütung muss in diesem Fall mindestens 50 EUR betragen. Der Antrag muss grds. elektronisch über das BZSt-Online-Portal bis zum 30.09.2020 gestellt werden. Daneben müssen die Originalbelege zu sämtlichen Vorsteuerbeträgen bis zum vorgenannten Termin in Papierform beim BZSt eingegangen sein. Außerdem muss eine behördliche Bescheinigung des VK eingereicht werden, die die umsatzsteuerliche Erfassung des Unternehmers im VK bestätigt (s. o.).

Ein in Deutschland ansässiger Unternehmer, dem nach dem Brexit-Datum Vorsteuerbeträge im VK entstanden sind, hat die Vergütung dieser Vorsteuerbeträge unmittelbar bei der Erstattungsbehörde des VK nach den dort geltenden Regelungen für Unternehmer, die außerhalb des VK ansässig sind, zu beantragen, wenn das VK das bisher für nicht im VK ansässige Unternehmer geltende Vergütungsverfahren unverändert durchführt. Informationen über die Einzelheiten der Antragstellung sind bei der britischen Finanzbehörde erhältlich.

Ein im VK ansässiger Unternehmer, dem nach dem Brexit-Datum im Inland von einem Unternehmer für einen steuerpflichtigen Umsatz USt in Rechnung gestellt worden ist, kann beim BZSt einen Antrag auf Vergütung dieser Steuer stellen, wenn die Gegenseitigkeit im Vorsteuer-Vergütungsverfahren im Verhältnis zum VK mit gesondertem BMF-Schreiben festgestellt wird. Die beantragte Vergütung muss mindestens 1.000 EUR betragen. Der Antrag muss grds. elektronisch über das BZSt-Online-Portal bis zum 30.09.2020 gestellt werden. Daneben müssen die Originalbelege zu sämtlichen Vorsteuerbeträgen bis zum vorgenannten Termin in Papierform beim BZSt eingegangen sein. Außerdem muss eine Unternehmerbescheinigung eingereicht werden. Für Vergütungsansprüche, die nach dem Brexit-Datum entstehen, erfolgt keine Vergütung von Vorsteuerbeträgen, die auf den Bezug von Kraftstoffen entfallen.

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