Anforderungen an den Beleg- und Buchnachweis bei innergemeinschaftlichen Lieferungen

BFH, Urt. v. 25.4.2013, V R 10/11

Praxisproblem

Als Dauerbrenner in der Praxis hat sich das Problem der Nachweise für die Steuerfreiheit innergemeinschaftlicher Lieferungen entwickelt. Grundsätzlich nur dann, wenn der leistende Unternehmer den gem. §§ 17a – c UStDV erforderlichen Buch- und Belegnachweis erbringen kann, ist seine Lieferung als innergemeinschaftliche Lieferung steuerfrei. Fehlen die Nachweise oder sind sie unvollständig, bleibt dem Unternehmer als einzige Lösung, um die Steuerbefreiung dennoch in Anspruch nehmen zu können, dass entweder objektiv zweifelsfrei feststeht, dass der gelieferte Gegenstand tatsächlich vom Inland in ein EU-Ausland gelangt ist und dort vom Abnehmer der Erwerbsteuer zu unterwerfen ist, oder aber, dass der Unternehmer sich auf die Gutglaubensschutzregelung in § 6a Abs. 4 UStG berufen kann. Beide Ausstiegsmöglichkeiten aus den formellen Nachweisanforderungspflichten hatten in der Vergangenheit so gut wie keinen Erfolg. Vor allem in den Fällen, in denen abweichende Verhaltensmuster vorliegen – wie etwa eine Barzahlung oder in den Abholfällen – entscheidet die Rechtsprechung zunehmend restriktiv zu Lasten des die Steuerbefreiung in Anspruch nehmenden Leistenden. Er trägt das Risiko jeglichen Zweifels. Auch der vorliegende Fall betraf – wieder einmal – einen Sonderfall-Klassiker, Verkauf eines Pkw über die Grenze, diesmal verbunden mit der Besonderheit, dass nach der Lieferung die Rechnungen an die ursprünglich avisierten Abnehmer storniert und durch Rechnungen an die tatsächlichen Abnehmer ersetzt wurden.

Sachverhalt

Die Klägerin betrieb einen Pkw-Handel und behandelte den Verkauf von 42 Neufahrzeugen nach Italien als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferungen. Den Lieferungen lagen Bestellungen zugrunde, die über die Firma D erfolgten. Die Firma D teilte der Klägerin Personaldaten italienischer Enderwerber mit. Die Klägerin erstellte Unterlagen zum Kauf von Fahrzeugen, übergab diese der Firma D, die sie mit „käuferseitigen Unterschriften“ italienischer Endabnehmer versehen an die Klägerin zurückgab. Die von der Klägerin bei einem inländischen Pkw-Hersteller bezogenen Pkw wurden von D bei der Klägerin abgeholt und bar/per Scheck bezahlt. Die bei der Abholung vorgelegten „Abholvollmachten und Ausfuhrbestätigungen“ wiesen D als durch die Fa. X-1 und X-2 mit der Abholung und Verbringung der Pkw nach Italien beauftragt aus. Die Klägerin erstellte für die Pkw-Lieferungen zunächst Rechnungen, adressiert an die  Fa. X und X-3 als Besteller der Pkw. Sie stornierte diese Rechnungen nach der straßenverkehrsrechtlichen Zulassung der Pkw in Italien und stellte neue Rechnungen auf die in der ursprünglichen Bestellung ausgewiesenen Personen aus, die fast ausnahmslos mit den späteren Haltern der Pkw identisch waren.

Die Finanzbehörde behandelte die Lieferungen als steuerpflichtig, da aufgrund stichprobenartiger Überprüfungen festgestellt worden sei, dass die Klägerin die Pkw-Lieferungen an italienische Endabnehmer wegen des inländischen Herstellerausschlusses bzgl. Verkäufe an ausländische Wiederverkäufer vorgetäuscht habe. Tatsächlich seien die Pkw an mehrere italienische Firmen, u.a. die Fa. X-1, geliefert worden.

Entscheidung

Der BFH verneint vollumfänglich die Steuerfreiheit der von der Klägerin getätigten Umsätze. Basierend auf seiner mittlerweile gefestigten Rechtsprechung zu den Nachweisanforderungen für die Steuerbefreiung innergemeinschaftlicher Lieferungen verneint er zunächst, dass objektiv zweifelsfrei eine innergemeinschaftliche Lieferung vorgelegen habe, die ohne formellen Nachweis steuerfrei sein kann. Unklar sei, wer tatsächlich Abnehmer der gelieferten Pkw gewesen sei, da Stichprobenprüfungen der Finanzbehörde ergeben hätten, dass auch andere Personen als die Endabnehmer als Abnehmer betroffen gewesen seien. Die hierdurch begründeten Zweifel habe die Klägerin nicht ausräumen können. Alleine die straßenverkehrsrechtliche Zulassung der Pkw in Italien ändere hieran nichts, solange nicht Zweifel betreffend des wirklichen Abnehmers ausgeräumt seien.

Den gem. § 17a Abs. 2 UStDV erforderlichen Belegnachweis habe die Klägerin aber auch nicht erbringen können. Es fehle an dem gem. § 17a Abs. 2 Nr. 4 UStDV erforderlichen Verbringensnachweis, der neben den erteilten Rechnungen an die Endabnehmer als Belegnachweis erforderlich sei. Aus den Abholvollmachten und Ausfuhrbestätigungen könne der Verbringensnachweis nicht abgeleitet werden, da diese der Firma D als Abholer durch die Firmen X-1 und X-2, nicht aber durch die Endabnehmer ausgestellt worden seien. Mangels formell vollständigem Belegnachweis käme schließlich auch eine Gutglaubensschutzregelung für die Klägerin nicht in Betracht.

Praxishinweis

Der BFH hat sich in seiner Entscheidung – zutreffenderweise – nicht mit der Frage auseinandergesetzt, ob im vorliegenden Fall ein Reihengeschäft (Klägerin – Firma D - Endabnehmer) vorgelegen hat. Es ging letztlich um die Beurteilung der Lieferung der Klägerin als steuerfreie innergemeinschaftliche Lieferung. Selbst wenn ein Reihengeschäft vorgelegen und die warenbewegte Lieferung im Verhältnis Klägerin zur Firma D gelegen hätte, wäre die Steuerbefreiung der innergemeinschaftlichen Lieferung an die Erbringung der Nachweispflichten gekoppelt gewesen, die der BFH aber gerade verneint hat. Wenn dagegen die warenbewegte Lieferung im Verhältnis Firma D zu den Endkunden gelegen hätte, hätte die Klägerin nicht warenbewegt geliefert. Alleine schon deswegen wäre ihre Lieferung zwingend auch ohne Nachweise steuerpflichtig gewesen.