EuGH in Kürze

EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – Rs. C-124/12 – AES-3C Maritza East 1 EOOD

Der EuGH bestätigt seine Entscheidung in Sachen Fillibeck (EuGH, Urt. v. 16.10.1997 – Rs. C-258/95  - Fillibeck). In der Rechtssache Fillibeck hat er bekanntlich entschieden, dass die unentgeltliche Beförderung von Arbeitnehmern durch den Arbeitgeber von der Wohnung zur Arbeitsstätte und zurück mit einem betrieblichen Fahrzeug grundsätzlich dem privaten Bedarf der Arbeitnehmer und damit unternehmensfremden Zwecken dient. Etwas anderes soll aber dann gelten, wenn die Erfordernisse des Unternehmens im Hinblick auf bestimmte besondere Umstände die Beförderung der Arbeitnehmer durch den Arbeitgeber gebieten. Diese Aussage bestätigt der EuGH auch für den Fall, dass die Personen, für die der Unternehmer solche Aufwendungen, wie etwa die Beförderung zur Arbeitsstätte, aufgewendet hat, nicht von ihm, sondern von einem Dritten eingestellt und ihm zur Verfügung gestellt werden.

Im entschiedenen Fall ging es um die Betreiberin eines Kraftwerkes, AES, die, da sie über keine eigene Belegschaft verfügte, sich das gesamte Personal aufgrund eines Vertrages mit einer anderen Gesellschaft, AES Services, ausleihen musste. Im Streit war der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen betreffend Aufwendungen für die Beförderung, Arbeitskleidung, Schutzausrüstung und Dienstreisen für dieses bereit gestellte Personal. Die Besonderheit des Falls lag aus bulgarischer Sicht darin begründet, dass AES nicht rechtlicher, sondern nur wirtschaftlicher Arbeitgeber des beigestellten Personals war.

Für den EuGH stand außer Frage, dass die im Streit befindlichen fraglichen Aufwendungen in einem wirtschaftlichen Zusammenhang mit der gesamten wirtschaftlichen Tätigkeit von AES standen, die Art der rechtlichen Beziehung zwischen dem Steuerpflichtigen und den für ihn tätigen (ausgeliehenen) Personen unbeachtlich ist und schließlich der Grundsatz der Neutralität der Mehrwertsteuer wegen des direkten und unmittelbaren Zusammenhangs der im Streit befindlichen Kosten mit den allgemeinen Aufwendungen ein Vorsteuerabzugsrecht gebieten.

Lieferung und Vorsteuerabzug unabhängig von Erfüllung anderweitiger gesetzlichen Verpflichtungen

EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – Rs. C-78/12 –  „Evita-K“ EOOD

Der EuGH hat klargestellt, dass weder der Tatbestand der Lieferung noch der Abzug von Vorsteuern aus einer solchen Lieferung von der Vorlage von Dokumenten abhängig gemacht werden darf, die der Leistende in Erfüllung anderer rechtlicher Bestimmungen  beibringen muss, um rechtlich Eigentum verschaffen zu können. Betroffen war der Vorsteuerabzug der bulgarischen Gesellschaft Evita-K, deren Hauptgeschäftstätigkeit der Tierhandel ist. Sie begehrte den Vorsteuerabzug aus 9 von der Fa. Ekspertis-7 ausgestellten Rechnungen über die Lieferung von Schlachtkälbern. Im Rahmen von Kontrollmitteilungen anlässlich einer Steuerprüfung bei Evita-K stelle sich heraus, dass die Buchführung von Ekspertis-7 und die Erfüllung veterinärrechtlicher Formalitäten durch Ekspertis-7 Mängel aufwiesen. Aufgrund dessen nahmen die bulgarischen Steuerbehörden an, dass Evita-K nicht habe nachweisen können, dass die betreffenden Lieferungen tatsächlich durchgeführt worden seien und versagten deshalb den Vorsteuerabzug.

Eben so wenig wie der Tatbestand der Lieferung oder des Vorsteuerabzugs von der ordnungsgemäßen Erfüllung veterinärrechtlicher Formalitäten abhängt, verpflichtet Art. 226 Nr. 6 MwStSystRL den Steuerpflichtigen nicht, in Umsetzung der unionsrechtlichen Bestimmungen (VO (EG) Nr. 1760/2000 und VO (EG) Nr. 1791/2006) die Ohrmarken der gelieferten Tiere in der Rechnung anzugeben.

Ebenfalls ergibt sich aus Art. 242 MwStSystRL keine Verpflichtung für Steuerpflichtige, die keine landwirtschaftlichen Erzeuger sind, in ihrer Buchführung den Gegenstand der von ihnen bewirkten Tierlieferungen auszuweisen und den Beweis dafür zu führen, dass diese Tiere gem. dem internationalen Rechnungslegungsstandard IAS 41 „Landwirtschaft“ kontrolliert worden sind.

Einkommensteuerlicher geldwerter Vorteil keine umsatzsteuerliche Gegenleistung

 

EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – Rs. C-210/11 und Rs. C-211/11 – Medicom SPRL und Maison Patrice Alard SPRL

In der verbundenen Rechtssache C-210/11 (Medicom SPRL) und 211/11 (Maison Patrice Alard SPRL) hat der EuGH nochmals seine Grundsätze aus der sog. Seeling-Rechtsprechung (EuGH, Urt. v. 8.5.2003 – Rs. C-269/00) bestätigt. Ein Investitionsgut berechtigt auch dann zum vollen Vorsteuerabzug, wenn im Zeitpunkt des Eingangsumsatzes dieses Investitionsgut nicht nur unternehmerisch, sondern auch nichtunternehmerisch privat genutzt wird. Das Zuordnungswahlrecht gewährt einerseits den vollen Vorsteuerabzug, andererseits die Besteuerung der privaten Nutzung als unentgeltliche Wertabgabe. Der EuGH konnte in der Rechtssache Seeling den Vorsteuerabzug trotz auch privater Nutzung deswegen gewähren, weil die private Nutzung keine Vermietung iSd Unionsrechts darstellte. Es fehlte an der Überlassung des Gebäudes an einen Mieter gegen Bezahlung eines Mietzinses. In der neuen Entscheidung stellte der EuGH nunmehr klar, dass das Fehlen einer Mietzinszahlung nicht durch den Umstand aufgewogen werden kann, dass im Rahmen der Einkommensteuer diese private Nutzung eines dem Unternehmen zugeordneten Gebäudes als ein quantifizierbarer geldwerter Vorteil und somit in gewisser Weise als Teil der Vergütung angesehen wird, auf die der Begünstigte als Gegenleistung für die Zurverfügungstellung des fraglichen Gebäudes verzichtet hat.

In beiden Fällen war der Vorsteuerabzug aus der Errichtung eines dem Unternehmen dienenden Gebäudes betroffen, in dem auch die Geschäftsführer der jeweiligen Kläger – Gesellschaft mit Rechtspersönlichkeit – mietzinsfrei wohnten.

Darüber hinaus stellte der EuGH klar, dass das Zuordnungswahlrecht mit der daraus resultierenden Folge des Vorsteuerabzugs keinen unmittelbaren Zusammenhang der privaten Nutzung zum Betrieb des Unternehmens aufweisen muss.

Zu beachten ist, dass diese Entscheidung unter dem Vorbehalt der neuen unionsrechtlichen Regelung in Art. 168a MwStSystRL (§ 15 Abs. 1b UStG) steht. Danach bleibt das Zuordnungswahlrecht in Fällen eines angeschafften und unternehmerisch sowie privat genutzten Grundstücks bestehen. Der Vorsteuerabzug wird jedoch auf die unternehmerische Nutzung beschränkt. Der Ausgleich erfolgt über eine Vorsteuerberichtigung, vgl. § 15a Abs. 6a UStG.

Vorsteuerabzug im Zusammenhang mit Dienstleistungen für die Vermögensverwaltung eines Rentenfonds

EuGH, Urt. v. 18.07.2013- Rs. C-26/12 – Fiscale eenheid PPG Holdings BV es te Hoogezand

Im Streit war in der Rechtssache PPG der Vorsteuerabzug aus Eingangsleistungen, die einem Rentenfonds dienten, aber von dem Unternehmen, das den Rentenfonds errichtet hatte, begehrt wurde. Die Klägerin, PPG, errichtete in den Niederlanden für seine Arbeitnehmer Alterversorgungssysteme bei dem Rentenfonds Stichting Pensioenfonds PPG Industries Nederlands. Gem. den niederländischen Rechtsvorschriften war dieser Rentenfonds rechtlich und steuerlich von PPG getrennt. Ein Tochterunternehmen von PPG schloss mit in den Niederlanden ansässigen Dienstleistern Verträge über die Verwaltung der Renten und die Vermögensverwaltung des Rentenfonds ab. Der EuGH gewährte der Klägerin, PPG, den Vorsteuerabzug für den als rechtlich und steuerlich getrennt errichteten Rentenfonds. Er begründet den für den Vorsteuerabzug erforderlichen direkten und unmittelbaren Zusammenhang, da PPG die fraglichen Dienstleistungen in Anspruch genommen habe, um die Verwaltung der Renten ihrer Arbeitnehmer und die Vermögensverwaltung des für die Sicherstellung dieser Renten errichteten Rentenfonds zu gewährleisten. Die Inanspruchnahme der Eingangsleistungen hätte somit ihren ausschließlichen Grund in der steuerpflichtigen Tätigkeit von PPG.

Verbrauchsteuer bei unterschiedlichen nationalen Steuersätzen

 

EuGH, Urt. v. 18.07.2013 – Rs. C-315/12 – Metro Cash & Carry Danmark ApS

Der EuGH musste in der Rechtssache Metro Cash und Carry Danmark zu einer Verbrauchsteuerproblematik Stellung nehmen, deren Anlass in der knapp dreimal so hohen schwedischen Verbrauchsteuer je Liter Alkohol im Verhältnis zur dänischen Verbrauchsteuer resultiert. Konsequenz dieses Steuersatzgefälles ist ein bestehender wirtschaftlicher Anreiz, Spirituosen in Dänemark mit dänischer Verbrauchsteuer einzukaufen, um sie nach Schweden zu verbringen. Bei der Einfuhr nach Schweden müssen keine schwedischen Verbrauchsteuern auf die Spirituosen entrichtet werden, wenn diese von Privatpersonen für ihren Eigenbedarf erworben und von ihnen selbst befördert werden. Erfolgt der Erwerb dagegen zu gewerblichen Zwecken, ist schwedische Verbrauchsteuer zu entrichten.

Betroffen ist der Cash/Carry Unternehmer Metro in Dänemark, der nach dem verwendeten Konzept des Cash/Carry nach der Bezahlung der Waren („Cash“) diese dem Kunden aushändigt, die daraufhin selbst für die Beförderung („Carry“) sorgen. Der Einkauf bei der Metro erfolgt mittels einer maschinenlesbaren sog. Metrokarte, die Metrokunden aus Schweden nur ausgestellt wird, die in Schweden mehrwertsteuerpflichtig sind. Mehrfach ausgestellte Metrokarten gegenüber einem Kunden können dazu führen, dass der betreffende Kunde eine seiner Karten natürlichen Personen zur Verfügung stellt, die diese Karten für ihre eigenen Einkäufe nutzen. Bei der Bezahlung an der Kasse braucht sich der Kunde weder persönlich auszuweisen, noch kontrolliert Metro, ob die Waren für gewerbliche Zwecke oder für den privaten Bedarf eingekauft werden. Beim Verkauf von Spirituosen werden – unabhängig von der Staatsangehörigkeit des Kunden – immer dänische Umsatzsteuer und dänische Verbrauchsteuer entrichtet. Im Streit ist, ob die dänische Steuerverwaltung Metro aufgeben darf, sich beim Verkauf von Spirituosen an schwedische Kunden die erste Ausfertigung des vereinfachten Begleitdokuments aushändigen zu lassen. Das vereinfachte Begleitdokument ist gem. Art. 1 der Verordnung Nr. 3649/92 von demjenigen, der für die innergemeinschaftliche Beförderung verbrauchsteuerpflichtiger Waren zu gewerblichen Zwecken verantwortlich ist, auszufertigen, beim Transport mitzuführen und bei Kontrollen vorzulegen. Gem. Art. 4 der Verordnung Nr. 3649/92 ist das vereinfachte Begleitdokument in dreifacher Ausfertigung zu erstellen, wobei die erste Ausfertigung zu steuerlichen Kontrollzwecken beim Lieferer der Waren verbleibt.

Der EuGH interpretiert die zuständige Unionsrichtlinie (Art. 7 bis 9 RL 92/12/EWG v. 25.2.1992 sowie die Nachfolgeregelung in Art. 32 bis 34 RL 2008/118/EG v. 16.12.2008) dahin, dass ein Gewerbetreibender wie die Metro nicht verpflichtet ist zu prüfen, ob Käufer aus anderen Mitgliedstaaten beabsichtigen, verbrauchsteuerpflichtige Waren in einen anderen Mitgliedstaat einzuführen und ob eine solche Einfuhr für private oder gewerbliche Zwecke erfolgt.