Nachfolgeentscheidung zu EuGH, Urt. v. 21.2.2013 – Rs. C-104/12 – Wolfgang Becker – Vorsteuerabzug aus Strafverteidigerkosten

BFH, Urt. v. 11.04.2013, V R 29/10

Praxisproblem

Wie bereits im Newsletter 2/2013 dargestellt, hatte der BFH dem EuGH die Frage vorgelegt, ob für den Abzug von Vorsteuern aus Strafverteidigerleistungen ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangs- und Ausgangsleistung rein objektiv zu bestimmen ist, oder ob vielmehr der Entstehungsgrund der bezogenen Leistung maßgeblich mit heranzuziehen ist. Bekanntlich macht der EuGH einen Vorsteuerabzug gem. Art. 168 MwStSystRL von einem grundsätzlich notwendigen direkten und unmittelbaren Zusammenhang zwischen der Eingangs- und der/den Ausgangsleistung(en) abhängig. Aufwendungen, die für Eingangsleistungen gemacht wurden, müssen zu den Kostenelementen der versteuerten, zum Abzug berechtigenden Ausgangsumsätze gehören. Nur soweit die Kosten der Eingangsleistung zu den allgemeinen Aufwendungen zählen und als solche Preisbestandteile der vom Unternehmer gelieferten Gegenstände bzw. erbrachten Dienstleistungen sind, kann ausnahmsweise ohne direkten und unmittelbaren Zusammenhang der Vorsteuerabzug aus der Eingangsleistung in Anspruch genommen werden.

Auf der Grundlage der ergangenen EuGH-Entscheidung hat der BFH den Vorsteuerabzug bzgl. der von einem Geschäftsführer einer GmbH ausgelösten Strafverteidigerkosten, die dieser aufgewendet hatte, weil er im Interesse seiner Gesellschaft mit dem Vorwurf der Bestechung konfrontiert worden war, abgelehnt. Dabei hat er sich die Argumente des EuGH im Hinblick auf die Abwägung zwischen dem objektiven Inhalt der durch die Strafverteidigungskosten ausgelösten Kosten, der direkt und unmittelbar alleine dem Schutz der privaten Interessen des Geschäftsführers, nicht strafrechtlich belangt zu werden, diente und das den strafrechtliche Vorwurf auslösende Verhalten des Geschäftsführers, das  wirtschaftlich dem Unternehmen zu Gute kam, zu eigen gemacht.

Sachverhalt

Der Kläger, Einzelunternehmer, Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer der A-GmbH, die steuerpflichtige Bauleistungen erbrachte, war gleichzeitig Organträger der A-GmbH. Nach Erhalt eines Bauauftrages, den die A-GmbH steuerpflichtig ausführte, wurde gegen den Kläger ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren wegen des Verdachtes, die A-GmbH habe vor der Vergabe des Bauauftrags vertrauliche Informationen über die vom konkurrierenden Unternehmen abgegebenen Angebote erhalten und deshalb das günstigste Angebot abgeben können, eingeleitet. Der Kläger wurde in dem Ermittlungsverfahren, das gegen Zahlung einer Geldstrafe eingestellt wurde, durch einen Rechtsanwalt vertreten. Mandanten des Rechtsanwalts waren zum einen der Kläger als Beschuldigter und die A-GmbH, die alleine die Honorarvereinbarung – vertreten durch die Geschäftsführer – unterschrieben hatte. Im Streit war der Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Rechtsanwalts, adressiert an die A-GmbH, der von dem Kläger als Organträger der A-GmbH vorgenommen wurde.

Entscheidung

Unter Zugrundelegung seiner ständigen Rechtsprechung lehnte der BFH den Vorsteuerabzug im zu entscheidenden Fall mangels Vorliegens eines unmittelbaren und direkten Zusammenhangs zwischen Strafverteidigungskosten und der wirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers ab. Dabei differenziert er nunmehr wie folgt bei dem Erfordernis des direkten und unmittelbaren Zusammenhangs zwischen Eingangs- und Ausgangsumsatz:

  • Besteht ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangsleistung und einem einzelnen Ausgangsumsatz der wirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers, gehören die für diesen Leistungsbezug getätigten Aufwendungen zu den Kostenelementen dieses konkreten Ausgangsumsatzes und erlauben den Vorsteuerabzug.
  • Besteht ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen Eingangsleistung und einem Ausgangsumsatz, der entweder mangels wirtschaftlicher Tätigkeit nicht steuerbar oder steuerfrei (ohne Anwendungsmöglichkeit des § 15 Abs. 3 UStG) ist, besteht selbst dann kein Vorsteuerabzug, wenn eine mittelbare Zurechenbarkeit zu der zum Vorsteuerabzug berechtigenden Gesamttätigkeit vorliegt. Ein wie auch gearteter endgültig verfolgter Zweck ist insoweit unerheblich.
  • Besteht kein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen einem bestimmten Eingangsumsatz und Ausgangsumsätzen, so kann ein Vorsteuerabzug vorgenommen werden, wenn die Eingangsleistung Eingang in die allgemeinen Aufwendungen gefunden haben und insoweit Bestandteil des Preises der Ausgangsleistungen geworden sind. Bei solchen Kosten ist ein Zusammenhang zu der wirtschaftlichen Gesamttätigkeit zu bejahen.

Anwaltsdienstleistungen, die strafrechtliche Sanktionen gegen natürliche Personen verhindern sollen, dienen direkt und unmittelbar dem Schutz von privaten Interessen der Beschuldigten, aber nicht der wirtschaftlichen Tätigkeit des Klägers, selbst dann, wenn er als Organträger für die A-GmbH gehandelt hat. Die Strafverfolgungsmaßnahmen waren ausschließlich wegen des persönlichen, strafrechtlich möglicherweise relevanten Verhaltens  der natürlichen Personen eingeleitet worden. Sie richteten sich nicht gegen strafrechtlich relevantes Verhalten der GmbH.

Praxishinweis

Der BFH übernimmt die Argumentation des EuGH und transformiert sie in das deutsche UStG. Ob die dargestellte Differenzierung in Zukunft die Problematik, ob und inwieweit Eingangsleistungen den Vorsteuerabzug ermöglichen können, einfacher lösen wird, ist zu bezweifeln. Jedenfalls scheidet jetzt der Vorsteuerabzug auch in den Fällen aus, in denen ein Mitarbeiter des Unternehmens, z.B. infolge zu schnellen Fahrens, ordnungswidrig handelt und hierfür Kosten infolge Rechtsberatung entstehen. Viel zu kurz kommt eine Auseinandersetzung mit der Frage, ob nicht der Auslöser des strafrechtlich relevanten Verhaltens, nämlich eine aktive, unterstützende Tätigkeit für den wirtschaftlichen Erfolg des Unternehmens der direkte und nicht bloß indirekte Anlass für die kostenauslösende Tätigkeit darstellt.