BMF zur Änderung der Bemessungsgrundlage wegen vorübergehender Uneinbringlichkeit aufgrund eines Sicherungseinbehaltes

Anmerkung zum BMF-Schreiben v. 03.08.2015, III C 2 - S 7333/08/10001 :004

Praxisproblem

Mit Urteil vom 24.10.2013, V R 31/12 (vgl. hierzu auch Tehler, UVR 2014, 275; Prätzler, DB 2014, 505) hatte der BFH entschieden, dass ein der Sollbesteuerung unterliegender Unternehmer bereits für den Voranmeldungszeitraum der Leistungserbringung zur Steuerberichtigung nach § 17 UStG berechtigt ist, soweit er seinen Entgeltanspruch aufgrund eines vertraglichen Einbehalts zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen über einen Zeitraum von zwei bis fünf Jahren nicht verwirklichen kann.

Der BFH verwies jedoch das Verfahren an das FG zurück. Zur Begründung führte der BFH aus, dass zum Umfang der aufgrund der Sicherungseinbehalte nicht vereinnahmten Entgelte noch weitere Feststellungen zu treffen seien. Soweit danach der Unternehmer nach den von ihm abgeschlossenen Verträgen eine vollständige Entgeltzahlung bereits mit Leistungserbringung für den Fall beanspruchen könne, dass er die Gewährleistungsansprüche seiner Leistungsempfänger durch Bankbürgschaft gesichert habe, komme es dabei auch darauf an, ob dem Unternehmer eine derartige Bürgschaftsgestellung möglich gewesen sei. Im Ergebnis könne nur dann von einer Uneinbringlichkeit i.H.d. Sicherungseinbehalte ausgegangen werden, soweit es dem Unternehmer nachweislich unmöglich gewesen sei, Bankbürgschaft über die Gewährleistungsansprüche beizubringen. Nach Zurückverweisung durch den BFH erhielt die Sache beim FG Münster im 2. Rechtsgang das Aktenzeichen 15 K 326/14 U. Mit Urteil v. 12.08.2014, 15 K 326/14 U hat das FG im 2. Rechtsgang die Klage abgewiesen (nach juris nicht dokumentiert).

Fraglich war nach dem Urteil des BFH, ob eine Änderung der Bemessungsgrundlage nur unter Berücksichtigung der erhöhten Anforderungen des BFH zulässig ist, was bei einer kommentarlosen Anwendung des Urteils durch die Verwaltung ggf. nicht deutlich würde. Dem Urteil wurde durch die Ausführungen des BFH zur „Vorfinanzierung der Umsatzsteuer“ (Rz. 21) wohl eine erhebliche über den entschiedenen Einzelfall hinausgehende Bedeutung beigemessen (vgl. Tehler, UVR 2014, 275; Prätzler, DB 2014, 505).

Entscheidung

Mit BMF-Schreiben v. 03.08.2015 ist aufgrund des BFH-Urteils der UStAE in Abschnitt 17.1 Abs. 5 geändert worden. Nach dem neu eingefügten Satz 3 berechtigen vertragliche Einbehalte zur Absicherung von Gewährleistungsansprüchen der Leistungsempfänger (z.B. sog. Sicherungseinbehalte für Baumängel) zur Steuerberichtigung, soweit dem Unternehmer nachweislich die Absicherung dieser Gewährleistungsansprüche durch Gestellung von Bankbürgschaften im Einzelfall nicht möglich war und er dadurch das Entgelt insoweit für einen Zeitraum von über zwei bis fünf Jahren noch nicht vereinnahmen kann.

Praxishinweis

Entgeltforderungen, die auf sog. Sicherungseinbehalten für Baumängel beruhen, sind nach der neuen Verwaltungsauffassung daher grundsätzlich uneinbringlich, da der Unternehmer die insoweit bestehenden Entgeltansprüche ganz oder teilweise jedenfalls auf absehbare Zeit rechtlich und tatsächlich nicht durchsetzen kann (vgl. auch Abschn. 17.1 Abs. 5 Satz 2 UStAE). Soweit der Unternehmer jedoch eine vollständige Entgeltzahlung bereits mit Leistungserbringung für die Fälle beanspruchen kann, in denen er die Gewährleistungsansprüche seiner Leistungsempfänger durch Bankbürgschaft gesichert hat oder ihm eine derartige Bürgschaftsgestellung möglich war, liegt nach dem BMF-Schreiben vom 03.08.2015 hingegen keine Uneinbringlichkeit vor. Der Unternehmer hat die Voraussetzungen für eine Minderung der Bemessungsgrundlage wegen Uneinbringlichkeit nachzuweisen. Aus den Nachweisen muss sich leicht und einwandfrei ergeben, dass für jeden abgeschlossenen Vertrag konkrete, im Einzelnen vom Unternehmer begehrte Gewährleistungsbürgschaften beantragt und abgelehnt wurden.

Soweit in früheren Verwaltungsanweisungen – insbesondere dem BMF-Schreiben v. 12.10.2009 (BStBl. I 2009, 1292, Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft   USt M 2) – von anderen Grundsätzen ausgegangen wurde, hält die Finanzverwaltung hieran nicht mehr fest.

Der neue Satz 3 in Abschn. 17.1 Abs. 5 UStAE enthält eine zeitliche Komponente (Unmöglichkeit der Vereinnahmung für einen Zeitraum von über zwei bis fünf Jahren) entsprechend der Entscheidungsbegründung durch den BFH. Hiermit wird klargestellt, dass nicht jeder Sicherungseinbehalt ohne die nachweisliche Möglichkeit der Absicherung von Gewährleistungsansprüchen durch Gestellung von Bankbürgschaften schon zu einer „frühzeitigen“ Berichtigung (bereits bei Leistungserbringung) führen kann.

Aus dem BMF-Schreiben wird deutlich, dass die Verwaltung der BFH-Entscheidung keine Auswirkungen auf die umsatzsteuerrechtliche Beurteilung anderer Fallgestaltungen, wie z.B. Ratenzahlungsgeschäfte oder Leasing-Kaufverhältnisse, beimisst.

Die Grundsätze der Neuregelung sind in allen offenen Fällen anzuwenden. In diesem Zusammenhang ist beachtlich, dass der Gläubiger, der eine Forderung als uneinbringlich behandelt, nicht verpflichtet ist, dem Schuldner hiervon Mitteilung zu machen. Das Finanzamt des Gläubigers ist jedoch berechtigt, das Finanzamt des Schuldners auf die Ausbuchung der Forderung hinzuweisen (Abschn. 17.1 Abs. 5 Sätze 9 und 10 UStAE). In der Folge wird dieses Finanzamt die Korrektur des Vorsteuerabzuges vornehmen, wodurch zwangsläufig der Leistungsempfänger über die Behandlung der Einbehalte auf der Ebene des Bauunternehmers informiert wird. Wenn jedoch die Beurteilung als Entgeltminderung nur unter den vom BFH festgelegten strengen Voraussetzungen zulässig ist, könnte damit der Leistungsempfänger auch Schlussfolgerungen zur wirtschaftlichen Situation des Bauunternehmers ziehen, was regelmäßig nicht im Interesse des Bauunternehmers sein dürfte. Da die Grundsätze der Neuregelung in allen offenen Fällen anzuwenden sind, wird das Finanzamt auch eine entsprechende Berichtigung des Vorsteuerabzugs auf Seiten des Leistungsempfängers in allen offenen Fällen durchsetzen, da in der Vergangenheit keine entgegenstehenden Erlasse bestanden.

Nach dem Schreiben ist zu erwarten, dass auch das Merkblatt zur Umsatzbesteuerung in der Bauwirtschaft überarbeitet werden wird.