BMF zur Nichtanwendbarkeit des BFH-Urteils vom 28.08.2014, V R 7/14 hinsichtlich Bauleistungen im Zusammenhang mit Betriebsvorrichtungen (Nichtanwendungserlass)

Anmerkung zum BMF-Schreiben v. 28.07.2015, III C 3 - S 7279/14/10003

Praxisproblem

Der BFH hatte mit Urteil vom 28.08.2014 entschieden, dass Betriebsvorrichtungen keine Bauwerke i.S.v. § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG sind. In ein Bauwerk eingebaute Anlagen seien nur dann Bestandteil des Bauwerks, wenn sie für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung sind. Die Anlage müsse hierfür eine Funktion für das Bauwerk selbst haben. Diene die Anlage demgegenüber eigenen Zwecken, indem sie z.B. durch Stromerzeugung eine Einnahmequelle verschaffen soll, sei sie kein Bauwerksbestandteil. Im Übrigen komme eine Auslegung des Begriffs des Bauwerks entsprechend der Baubetriebe-Verordnung (Verordnung über die Betriebe des Baugewerbes, in denen die ganzjährige Beschäftigung zu fördern ist, Baubetriebe-Verordnung, BGBl. I 1980, 2033, zuletzt geändert durch Gesetz v. 20.12.2011, BGBl. I 2011, 2854, die nach ihrem § 1 Abs. 1 zur Durchführung von § 101 Abs. 2 SGB III dient) nicht in Betracht. Soweit die Finanzverwaltung in Abschn. 13b.2 Abs. 5 Nr. 2 UStAE davon ausgehen sollte, dass Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen und Gaststätteneinrichtungen auch dann als Teile eines Bauwerks anzusehen sein sollen, wenn es sich bei ihnen um Betriebsvorrichtungen i.S.v. § 68 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BewG handelt, schließt sich der BFH dem nicht an. Das Finanzamt hatte im Revisionsverfahren geltend gemacht, es komme auf den Begriff des Bauwerks nach §§ 1 und 2 Baubetriebe-Verordnung an. Zu den Bauleistungen gehöre auch der Einbau von Einrichtungsgegenständen, wenn sie mit einem Gebäude fest verbunden seien und nicht ohne größeren Aufwand getrennt werden könnten, wie es auf Ladeneinbauten, Schaufensteranlagen und Gaststätteneinrichtungen zutreffe. Auf den Begriff der Betriebsvorrichtung komme es insbesondere aus Gründen der Praktikabilität nicht an. Eine derartige Abgrenzung entspreche nicht dem Unionsrecht.

Entscheidung

Mit BMF-Schreiben v. 28.07.2015 hat die Verwaltung erklärt, dass das BFH-Urteil über den entschie-denen Einzelfall hinaus nicht anzuwenden ist, und damit seit längerer Zeit erstmals wieder einen Nichtanwendungserlass im Bereich der Umsatzsteuer veröffentlicht. Die vom BFH aufgestellte Schlussfolgerung, dass Betriebsvorrichtungen stets nicht zu den Bauwerken i.S.d. § 13b Abs. 2 Nr. 4 Satz 1 UStG gehören, ist nach Auffassung der Verwaltung nicht zutreffend. Insbesondere komme es auf die vom BFH vorgenommene Auslegung des Begriffs des Bauwerks anhand des Bewertungsrechts unionsrechtlich nicht an. Art. 199 Abs. 1 Buchst. a MwStSystRL, auf dem § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG beruht, enthält den Begriff der Bauleistung. Dieser Begriff sei unionsrechtlich einheitlich und nicht nach nationalem Bewertungsrecht auszulegen.

Der Begriff der Bauleistung i.S.v. Art. 199 Abs. 1 Buchstabe a MwStSystRL ist nach Auffassung der Verwaltung dabei nicht nur auf Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück beschränkt, sondern weiter auszulegen. Denn die Angabe „im Zusammenhang mit Grundstücken“ beziehe sich nur auf die Angabe „Reparatur-, Reinigungs-, Wartungs-, Umbau- und Abbruchleistungen“. Bei Bauleistungen müsse hingegen nicht zwingend ein Zusammenhang mit einem Grundstück gegeben sein.

Weiter könne es sich bei Leistungen an Betriebsvorrichtungen auch um Bauleistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück handeln. Die Auslegung des Begriffs der Bauleistung sei dabei unter Berücksichtigung der Auslegung des Grundstücksbegriffs sowie des Begriffs der Dienstleistung im Zusammenhang mit einem Grundstück, soweit deren Zweck in physischen Veränderungen an dem Grundstück besteht, anhand der unionsrechtlichen Vorgaben zu beurteilen (Art. 13b und 31a MwStVO). Entsprechend Art. 13b Buchst. d MwStVO gelten Betriebsvorrichtungen unionsrechtlich nur dann nicht als Grundstück, wenn sie nicht auf Dauer installiert sind oder bewegt werden können, ohne das Gebäude oder das Bauwerk zu zerstören oder zu verändern.

Im Übrigen befürchtet die Verwaltung, dass die Anwendung des BFH-Urteils erhebliche, in der Praxis nicht handhabbare, Probleme bei der dann erforderlichen Abgrenzung zwischen Bauwerk und Betriebsvorrichtung verursacht. So sei es für den leistenden Unternehmer nicht bzw. nur schwer zu erkennen, ob die von ihm eingebaute Anlage eigenständigen Zwecken dient und mithin als Betriebsvorrichtung zu beurteilen ist oder ob die Anlage (z.B. Klima-, Kälte- oder Belüftungsanlage) für Konstruktion, Bestand, Erhaltung oder Benutzbarkeit des Bauwerks von wesentlicher Bedeutung ist. Nur in letzterem Fall könnte es nach dem BFH-Urteil zur Steuerschuldnerschaft des Leistungsempfängers kommen.

Praxishinweis

Der Nichtanwendungserlass ist nachvollziehbar. Der Bundesrat hat in seiner Stellungnahme (vgl. Anlage 3 (Stellungnahme des Bundesrates) zur BT-Drucks. 18/4902) zum Entwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur Umsetzung der Protokollerklärung zum Gesetz zur Anpassung der Abgabenordnung an den Zollkodex der Union und zur Änderung weiterer steuerlicher Vorschriften (BR-Drucks. 121/15) vorgeschlagen, bei der Regelung zum Anwendungsbereich des Reverse-Charge-Verfahrens bei Bauleistungen vor dem Hintergrund der Rechtsprechung des BFH eine Klarstellung vorzunehmen, die es ermöglicht, den bisherigen Umfang der Steuerschuldverlagerung bei bauwerksbezogenen Leistungen in Bezug auf Betriebsvorrichtungen weitestgehend beizubehalten. Nach Auffassung des Bundesrates läuft die vom BFH vorgenommene Abgrenzung dem Sinn und Zweck des Reverse-Charge-Verfahrens bei Bauleistungen zuwider, dessen Ziel es ist, im häufig betrugsbehafteten Bausektor die Steuerschuldnerschaft auf den Leistungsempfänger zu übertragen. Bei einer generellen Ausnahme von Betriebsvorrichtungen vom Anwendungsbereich dieser Regelung würden u.a. Leistungen im Zusammenhang mit großen grundstücksbezogenen Konstruktionen (z.B. Windkraftanlagen, Schiffshebewerke) allein aufgrund der bewertungsrechtlichen Einordnung als Betriebsvorrichtung nicht der Steuerschuldverlagerung unterliegen. Schwierigkeiten für bauleistende Unternehmer entstünden z.B. auch beim Einbau bestimmter Anlagen wie Fahrstühlen in Gebäuden, die bewertungsrechtlich nur zum Teil als Betriebsvorrichtung anzusehen sind. Um weiterhin eine praxisgerechte Abgrenzung zu ermöglichen, soll nach Auffassung des Bundesrates der bisherige Umfang der Steuerschuldverlagerung bei bauwerksbezogenen Leistungen in Bezug auf Betriebsvorrichtungen weitestgehend beibebehalten werden. Unionsrechtlich sei eine Einbeziehung einer Betriebsvorrichtung in den Anwendungsbereich des Reverse-Charge-Verfahrens jedenfalls soweit erlaubt, als die Betriebsvorrichtung einen Grundstücksbestandteil darstellt. Dabei sei der Grundstücksbegriff unionsrechtlich auszulegen. Die Bundesregierung hat in ihrer Gegenäußerung (zur Gegenäußerung der Bundesregierung vgl. Anlage 4 der BT-Drucks. 18/4902) „Prüfung des Vorschlags“ zugesagt. Von daher könnte davon auszugehen sein, dass der Gesetzgeber der Bitte des Bundesrates nachkommt und das Gesetz dahingehend ändert, dass Betriebsvorrichtungen (d.h. Sachen, Ausstattungsgegenstände und Maschinen, die auf Dauer in einem Gebäude oder Bauwerk installiert sind und die nicht bewegt werden können, ohne das Gebäude oder Bauwerk zu zerstören oder zu verändern) im Wesentlichen (wie bisher nach der Verwaltungsauffassung) unter das Reverse-Charge-Verfahren für Bauleistungen fallen.