Anmerkung zum BMF-Schreiben vom 03. Januar 2014 zum Umgang mit den Leitlinien des gemäß Art. 398 MwStSystRL eingerichteten Mehrwertsteuerausschusses

Praxisproblem

Der schon seit dem Inkrafttreten der 6. EG-Richtlinie in Brüssel 1978 tagende sog. Mehrwertsteuer-Ausschuss (Art. 29 der 6. EG-Richtlinie, Art. 398 MwStSystRL), der sich aus Vertretern der EU-Mitgliedstaaten zusammensetzt (meist Vertreter der Finanzministerien) und von der EU-Kommission geleitet wird, fasst seine Beratungsergebnisse in sog. Leitlinien zusammen, die von der EU-Kommission veröffentlicht werden (vgl. http://ec.europa.eu/taxation_customs/taxation/vat/key_documents/vat_committee/index_de.htm).

Seit einiger Zeit können auf dieser Website auch Besprechungsunterlagen des Ausschusses, wie z.B. Arbeitspapiere, eingesehen werden. Da der Mehrwertsteuerausschuss ein ausschließlich beratender Ausschuss ist, dem keine Rechtsbefugnisse übertragen wurden (also kein Regelungsausschuss wie z.B. im Agrarbereich), kann der Ausschuss (unionsrechtlich) keine rechtsverbindlichen (auch keine den EuGH bindenden) Entscheidungen treffen. Neben den Punkten, für die nach der MwStSystRL eine Konsultation erforderlich ist, behandelt der Mehrwertsteuerausschuss Fragen im Zusammenhang mit der Anwendung bzw. Auslegung der unionsrechtlichen Mehrwertsteuerregelungen, insbesondere der MwStSystRL. Seit jeher war fraglich (seit Veröffentlichung sämtlicher bisher vom Mehrwertsteuerausschuss angenommener Leitlinien durch die EU-Kommission seit Mitte 2012 umso mehr), welche rechtliche Wirkungen die Leitlinien des Ausschusses bei der (unionsrechtskonformen) Auslegung des jeweiligen nationalen Rechts der Mitgliedstaaten haben. Hierzu hat sich der BMF erstmals mit Schreiben vom 03.01.2014 geäußert.

Sachverhalt

Nach seiner Geschäftsordnung soll der Mehrwertsteuerausschuss ein Forum für den Meinungsaustausch zur Erarbeitung von Leitlinien für eine einheitliche Anwendung und gemeinsamer Praktiken in Bezug auf die gemeinschaftlichen Mehrwertsteuervorschriften bieten.

Der Mehrwertsteuerausschuss erarbeitet Leitlinien, die eine Orientierungshilfe für die Anwendung der Mehrwertsteuer-Systemrichtlinie darstellen können. Diese Leitlinien werden von den Mitgliedstaaten einstimmig oder mehrheitlich verabschiedet und von der EU-Kommission im Internet veröffentlicht. Es ist zu beachten, dass die Leitlinien des Mehrwertsteuerausschusses keine Einstimmigkeit erfordern, um verabschiedet zu werden. Es genügt eine Mehrheit von (derzeit) 18 Mitgliedstaaten. Dadurch können (nicht bindende) Leitlinien zu Stande kommen, die nicht der deutschen Verwaltungsauffassung entsprechen, ohne dass dies durch Deutschland verhindert werden könnte.

Bei der Veröffentlichung weist die EU-Kommission ausdrücklich insbesondere darauf hin, dass die vom Mehrwertsteuerausschuss beschlossenen Leitlinien ausschließlich die Ansichten eines beratenden Ausschusses wider­spiegeln und die Leitlinien keine offizielle Auslegung des Unionsrechts darstellen, so dass sie weder für die EU-Kommission noch für die Mitgliedstaaten (noch für den EuGH) verbindlich sind und von ihnen nicht befolgt werden müssen. Gleichwohl werden die Leitlinien nach dem BMF-Schreiben vom 03.01.2014 - ihrem Sinn entsprechend - bei der Bildung der deutschen Verwaltungsauffassung auf Bund-Länder-Ebene grundsätzlich mit in die Betrachtung einbezogen.

Nach Artikel 397 MwStSystRL kann der Rat auf Vorschlag der EU-Kommission einstimmig die zur Durchführung der MwStSystRL erforderlichen Maßnahmen beschließen. Im Rahmen dieses Verfahrens wurden bereits einige der vom Mehrwertsteuerausschuss verabschiedeten Leitlinien in verbindliche Durchführungsmaßnahmen umgewandelt. Diese Maßnahmen, die in den Mitgliedstaaten unmittelbar geltendes Recht sind und nicht vorher in nationales Recht umgesetzt werden müssen, sind in der MwStVO (Durchführungsverordnung (EU) Nr. 282/2011, ABl. EU 2011 Nr. L 77/1) zu finden.

Soweit die EU-Kommission Leitlinien in einen Entwurf für eine Verordnung zur Änderung der MwStVO übernimmt, kann das seitens eines Mitgliedstaates nicht verhindert werden. Ungeachtet dessen muss die Verordnung einstimmig vom Rat beschlossen werden, um in Kraft treten zu können.

Entscheidung

Das BMF-Schreiben vom 03.01.2014 regelt nunmehr ausdrücklich, dass die Leitlinien des Mehrwertsteuerausschusses keine rechtliche Bindungswirkung haben. Maßgeblich für die Rechtsanwendung sind das UStG, die UStDV sowie die Regelungen im UStAE und andere Verwaltungsanweisungen.

Praxishinweis

Mit dem BMF-Schreiben sind die Leitlinien gemeint, die bisher nicht in die MwStVO eingeflossen sind. Das BMF-Schreiben ist dahingehend zu interpretieren, dass die Leitlinien zwar bei der Bildung der deutschen Verwaltungsauffassung mit in die Betrachtung einbezogen werden, jedoch für sich genommen keinerlei rechtliche Bindungswirkung haben. Das soll den Finanzämtern die Argumentation erleichtern, wenn sich Steuerpflichtige auf Leitlinien des Mehrwertsteuerausschusses berufen.

Wenn sich die Finanzverwaltung einer Leitlinie des Mehrwertsteuerausschusses anschließt und diese umsetzt, ist dies für den Steuerpflichtigen und dessen steuerlichen Berater regelmäßig anhand des den UStAE ändernden BMF-Schreibens erkennbar (vgl. z.B. im Rahmen der Änderung des Grundstücksbegriffs und der Leistungen im Zusammenhang mit einem Grundstück durch das BMF-Schreiben vom 18.12.2012, BStBl I 2012, 1272). Findet eine Leitlinie auf nationaler Ebene keine Zustimmung, hält die Verwaltung an ihrer bisherigen Auffassung fest und eine Berufung auf eine anderslautende Leitlinie des Mehrwertsteuerausschusses ist nicht möglich.