Anmerkung zum BMF-Schreiben vom 02 Januar 2014 zur Zuordnung von Leistungen zum Unternehmen nach § 15 Abs. 1 UStG

Praxisproblem

Wenn ein Unternehmer von einem anderen Unternehmer eine Lieferung oder sonstige Leistung bezieht, muss er entscheiden, ob er die Leistung seinem Unternehmen zuordnet oder ob die Leistung dem nichtunternehmerischen Bereich zugeordnet werden kann oder muss. Die Zuordnung einer Leistung zum Unternehmen hat insbesondere Bedeutung für den Vorsteuerabzug. Dieser ist unter anderem nur zulässig, wenn eine Leistung für das Unternehmen bezogen wird. Die Zuordnung hat aber auch Bedeutung bei einer späteren Verwendung der bezogenen Leistung. Nur eine dem Unternehmen zugeordnete Leistung kann das Unternehmen auch wieder verlassen, z.B. wenn ein dem Unternehmen zugeordneter Gegenstand später wieder veräußert wird oder im Rahmen einer unentgeltlichen Wertabgabe das Unternehmen wieder verlässt.

Der Unternehmer ist nach § 15 Abs. 1 UStG zum Vorsteuerabzug berechtigt, soweit er Leistungen für seine unternehmerischen Tätigkeiten zur Erbringung entgeltlicher Leistungen zu verwenden beabsichtigt (Zuordnung zum Unternehmen). Beabsichtigt der Unternehmer bereits bei Leistungsbezug, die bezogene Leistung ausschließlich für die Erbringung nicht entgeltlicher Leistungen (nichtunternehmerische Tätigkeiten) zu verwenden, ist der Vorsteuerabzug grundsätzlich zu versagen.

Die nichtunternehmerischen Tätigkeiten sind in nichtwirtschaftliche Tätigkeiten im engeren Sinne (nichtwirtschaftliche Tätigkeiten i.e.S.) und unternehmensfremde Tätigkeiten zu unterteilen. Als unternehmensfremde Tätigkeiten gelten Entnahmen für den privaten Bedarf des Unternehmers als natürliche Person, für den privaten Bedarf seines Personals oder für private Zwecke des Gesellschafters. Nichtwirtschaftliche Tätigkeiten i.e.S. sind alle nichtunternehmerischen Tätigkeiten, die nicht unternehmensfremd (privat) sind, z.B. unentgeltliche Tätigkeiten eines Vereins, die aus ideellen Vereinszwecken verfolgt werden, hoheitliche Tätigkeiten juristischer Personen des öffentlichen Rechts und bloßes Erwerben, Halten und Veräußern von gesellschaftsrechtlichen Beteiligungen.

Bezieht der Unternehmer eine Leistung zugleich für seine unternehmerische und für seine nichtwirtschaftliche Tätigkeit i.e.S., ist der Vorsteuerabzug nur insoweit zulässig, als die Aufwendungen seiner unternehmerischen Tätigkeit zuzuordnen sind (§ 15 Abs. 1 UStG), und bei Gegenständen die 10 %-Grenze nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG (unternehmerische Mindestnutzung,) erreicht ist.

Handelt es sich bei der nichtunternehmerischen Tätigkeit um den Sonderfall einer Entnahme für unternehmensfremde Zwecke und bezieht der Unternehmer einen einheitlichen Gegenstand zugleich für seine unternehmerische Tätigkeit und für diese privaten Zwecke, kann der Unternehmer den bezogenen Gegenstand insgesamt seiner unternehmerischen Tätigkeit zuordnen (Zuordnungswahlrecht), sofern die 10 %-Grenze nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG (unternehmerische Mindestnutzung) erreicht ist.

Sachverhalt

Der BFH hatte in seinen Urteilen vom 07.07.2011, V R 41/09, V R 42/09 und V R 21/10 über Fragen der Zuordnung eines einheitlichen Gegenstands zum Unternehmen nach § 15 Abs. 1 UStG im Fall der Errichtung eines teilunternehmerisch genutzten Gebäudes entschieden. In drei weiteren Urteilen hatte er sich grundsätzlich zu den Voraussetzungen und zum Umfang des Vorsteuerabzugs im Zusammenhang mit der Installation einer Photovoltaikanlage zur Erzeugung von Strom aus solarer Strahlungsenergie geäußert (Urteile vom 19.07.2011, XI R 29/09, BStBl 2012 II S. 430, XI R 21/10, BStBl 2012 II S. 434, und XI R 29/10, BStBl 2012 II S. 438).

Das BMF-Schreiben vom 02.01.2014 greift diese Rechtsprechung auf und fasst (ausgehend von dem BMF-Schreiben vom 02.01.2012, BStBl I 2012, 60) die Grundsätze der Zuordnung von Leistungen zum Unternehmen insgesamt neu zusammen, die mit zahlreichen Beispielen unterlegt werden.

Entscheidung

I. Zuordnungsgebot, Zuordnungsverbot und Zuordnungswahlrecht

1. Wird eine Leistung ausschließlich für unternehmerische Tätigkeiten bezogen, ist sie vollständig dem Unternehmen zuzuordnen (Zuordnungsgebot).

2. Bei einer Leistung, die ausschließlich für nichtunternehmerische Tätigkeiten bezogen wird, ist eine Zuordnung zum Unternehmen ausgeschlossen (Zuordnungsverbot).

3. Leistung, die sowohl für die unternehmerischen als auch für die nichtunternehmerischen Tätigkeiten bezogen wird.

Hier ist zwischen vertretbaren Sachen und sonstigen Leistungen auf der einen Seite und einheitlichen Gegenständen auf der anderen Seite zu differenzieren:

a) Lieferungen vertretbarer Sachen und sonstige Leistungen sind entsprechend der beabsichtigten Verwendung aufzuteilen (Aufteilungsgebot),

b) einheitliche Gegenstände.

Beabsichtigt der Unternehmer, einen einheitlichen Gegenstand sowohl für die unternehmerische als auch die nichtunternehmerische Tätigkeit zu verwenden (teilunternehmerische Verwendung), gilt Folgendes:

aa) teilunternehmerische nichtwirtschaftliche Verwendung i.e.S.

Besteht die nichtunternehmerische Tätigkeit in einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit i.e.S., hat der Unternehmer kein Wahlrecht zur vollständigen Zuordnung; es besteht grundsätzlich ein Aufteilungsgebot.

bb) teilunternehmerische unternehmensfremde Verwendung

Besteht die nichtunternehmerische Tätigkeit in einer unternehmensfremden Verwendung (Sonderfall), hat der Unternehmer ein Zuordnungswahlrecht. Er kann den Gegenstand insgesamt seiner unternehmerischen Tätigkeit zuordnen, in vollem Umfang in seinem nichtunternehmerischen Bereich belassen oder im Umfang der tatsächlichen (ggf. zu schätzenden) unternehmerischen Verwendung seiner unternehmerischen Tätigkeit zuordnen. Erreicht der Umfang der unternehmerischen Verwendung eines einheitlichen Gegenstands nicht mindestens 10 % (unternehmerische Mindestnutzung), greift das Zuordnungsverbot nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG.

4. Aufwendungen im Zusammenhang mit einheitlichen Gegenständen

Aufwendungen, die im Zusammenhang mit dem Gebrauch, der Nutzung oder der Erhaltung eines einheitlichen Gegenstands stehen, der nur teilweise unternehmerisch genutzt wird, sind grundsätzlich nur in Höhe der unternehmerischen Verwendung für das Unternehmen bezogen (Aufteilungsgebot).

II. Zuordnungsschlüssel

Als Zuordnungsschlüssel bei teilunternehmerischer Verwendung des Zuordnungsobjekts ist der Aufteilungsschlüssel nach § 15 Abs. 4 UStG analog anzuwenden. Der unternehmerische Nutzungsanteil ist danach im Wege einer sachgerechten und von dem Finanzamt überprüfbaren Schätzung zu ermitteln.

Bei der Anschaffung oder Herstellung von Gebäuden ist der Umfang der Zuordnung auf der Basis einer räumlichen Betrachtung vorzunehmen. Sachgerechter Aufteilungsmaßstab ist deshalb in der Regel das Verhältnis der Nutzflächen. Die Anwendung eines Umsatzschlüssels als Zuordnungsschlüssel ist nur sachgerecht, wenn keine andere wirtschaftliche Zuordnung möglich ist.

III. Zuordnungsobjekt

1. Objekt der Zuordnungsentscheidung

Dieses ist grundsätzlich jeder Leistungsbezug, d. h. jeder Gegenstand und jede sonstige Leistung. Dies gilt auch für Erhaltungsaufwendungen, weil die Vorsteuern aus der Anschaffung bzw. Herstellung eines Gegenstands und die Vorsteuern aus seinem Gebrauch und seiner Erhaltung einer getrennten umsatzsteuerlichen Beurteilung unterliegen. Erhaltungsaufwendungen, die nach § 6 Abs. 1 Nr. 1a EStG zu Herstellungskosten (anschaffungsnahe Herstellungskosten) umqualifiziert werden, sind umsatzsteuerlich weiterhin wie Erhaltungsaufwendungen zu behandeln.

2. zeitlich gestreckte Herstellung einheitlicher Gegenstände

Bezieht der Unternehmer sonstige Leistungen und Lieferungen zur Herstellung eines einheitlichen Gegenstands, ist dieser herzustellende bzw. hergestellte Gegenstand endgültiges Zuordnungsobjekt. Bei dieser Zuordnung ist bereits auf die im Zeitpunkt des einzelnen Leistungsbezugs bestehende Verwendungsabsicht für den fertig gestellten Gegenstand (z. B. das zu errichtende Gebäude) als Summe der im Rahmen seiner Herstellung bezogenen Leistungen abzustellen. Bei Anzahlungen für eine Leistung ist entsprechend zu verfahren.

Nach dem Grundsatz des Sofortabzugs ist für den Vorsteuerabzug die Verwendungsabsicht im Zeitpunkt des jeweiligen Leistungsbezugs entscheidend. Ändert der Unternehmer während eines zeitlich sich über einen Veranlagungszeitraum hinaus erstreckenden Herstellungsvorgangs (gestreckter Herstellungsvorgang) seine Verwendungsabsicht, führt dies aus Vereinfachungsgründen nicht zu einer sofortigen Einlage oder Entnahme der zuvor bezogenen Leistungen für die Herstellung des einheitlichen Gegenstands.

IV. Prognosezeitraum

Bei der Zuordnung eines einheitlichen Gegenstands handelt es sich um eine Prognoseentscheidung, die sich grundsätzlich nach der im Zeitpunkt des Leistungsbezugs beabsichtigten Verwendung für den Besteuerungszeitraum der erstmaligen Verwendung des bezogenen oder herzustellenden oder hergestellten Gegenstands richtet. Dies gilt auch, wenn die erstmalige Verwendung des Gegenstands in einem auf den Besteuerungszeitraum der Anschaffung oder Fertigstellung folgenden Besteuerungszeitraum erfolgt. Für die Zuordnung zum Unternehmen muss die Verwendungsabsicht objektiv belegt und in gutem Glauben erklärt werden.

V. Zeitpunkt und Dokumentation der Zuordnungsentscheidung

Bei einem Zuordnungswahlrecht erfordert die (vollständige oder teilweise) Zuordnung des Gegenstands zum Unternehmen eine durch Beweisanzeichen gestützte Zuordnungsentscheidung des Unternehmers. Bei Aufteilungsgeboten bedarf es grundsätzlich keiner Zuordnungsentscheidung.

Für die zur Herstellung eines Gegenstands verwendeten Leistungen erfolgt die Zuordnung zum Unternehmen bereits beim ersten Leistungsbezug oder bei der ersten Anzahlung, unabhängig vom Vorliegen der Rechnung. Die Zuordnungsentscheidung ist im Hinblick auf die Zulässigkeit der Zuordnung nach § 15 Abs. 1 Satz 2 UStG stets mit Blick auf die beabsichtigte Nutzung des fertig gestellten Gegenstands zu treffen.

1. Zeitpunkt der Zuordnung

Die Zuordnungsentscheidung ist bereits bei Leistungsbezug für einen einheitlichen Gegenstand zu treffen. Es bedarf einer Dokumentation der Zuordnungsentscheidung, die grundsätzlich in der erstmöglichen Voranmeldung vorzunehmen ist. Die Entscheidung kann aber spätestens und mit endgültiger Wirkung noch in einer "zeitnah" erstellten Umsatzsteuererklärung für das Jahr, in das der Leistungsbezug bzw. die Anzahlung fällt, nach außen dokumentiert werden, wenn frühere Anhaltspunkte für eine vollständige oder teilweise Zuordnung der bezogenen Leistung zum Unternehmen fehlen. Eine zeitnahe Dokumentation der Zuordnungsentscheidung liegt vor, wenn sie bis zur gesetzlichen Abgabefrist für Steuererklärungen (31. Mai des Folgejahres) vorliegt. Fristverlängerungen für die Abgabe der Steuererklärungen haben darauf keinen Einfluss. Bis zu diesem Zeitpunkt kann auch eine z. B. im Voranmeldungsverfahren getroffene Zuordnungsentscheidung korrigiert werden.

2. Kenntlichmachen der Zuordnung

Die Geltendmachung des Vorsteuerabzugs ist regelmäßig ein gewichtiges Indiz für, die Unterlassung des Vorsteuerabzugs ein ebenso gewichtiges Indiz gegen die Zuordnung eines Gegenstands zum Unternehmen. Ist ein Vorsteuerabzug nicht möglich, müssen andere Beweisanzeichen herangezogen werden. Gibt es keine Beweisanzeichen für eine Zuordnung zum Unternehmen, kann diese nicht unterstellt werden.

Praxishinweis

Das BMF-Schreiben vom 02.01.2014 gilt grundsätzlich in allen noch offenen Fällen. Es wird aber von der Verwaltung nicht beanstandet, wenn der Unternehmer die Regelungen erst für Leistungen anwendet, die nach dem 31.12.2013 bezogen werden. Bei Gebäuden ist insoweit auf den rechtswirksam abgeschlossenen obligatorischen Vertrag oder gleichstehenden Rechtsakt oder auf den Beginn der Herstellung abzustellen. Als zusätzlichen Service enthält das BMF-Schreiben am Ende eine Entsprechungstabelle, welche Regelungen des früheren Abschnitts 15.2 UStAE sich jetzt an welchen Stellen der Abschnitte 15.2 bis 15.d UStAE befinden.