Vereinfachungsregelung unionsrechtswidrig

EuGH, Urt. v. 13.12. 2012 – Rs. C-395/11 – BLV Wohn- und Gewerbebau GmbH

Praxisproblem

Zur Bekämpfung des Umsatzsteuer-Missbrauchs wollte Deutschland ursprünglich das bestehende Umsatzsteuer-System einer fraktionalen Umsatzsteuer mit Vorsteuerabzug zugunsten eines flächendeckenden Reverse-Charge (Übergang der Steuerschuldnerschaft) ersetzen, scheiterte aber an unionsrechtlichen Bedenken der Kommission. Statt eines flächendeckenden Reverse-Charge zumindest im zwischenunternehmerischen Bereich wurde im deutschen UStG in mittlerweile 11 Fällen branchen- und umsatzbezogen das Reverse-Charge-Verfahren eingeführt. Hierzu zählt auch der Übergang der Steuerschuldnerschaft in den Fällen des § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG (Bauleistungen). Zur Einführung bedurfte Deutschland der Genehmigung durch die Kommission. Genau diese musste der EuGH auf ihre Unionsrechtskompatibilität untersuchen. Besonders die durch den Leistenden zu prüfenden Vorgaben des Status des Leistungsempfängers – dieser muss seinerseits Bauleister sein, hierzu sind die Vorjahresumsätze entscheidend, § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG – sind von der Praxis immer wieder kritisch hinterfragt worden. Grundsätzlich hat der EuGH die Regelung in § 13b Abs. 2 Nr. 4 UStG mit dem Unionsrecht und dessen Grundsätzen für vereinbar erklärt. Gerade aber die aus § 13b Abs. 5 Satz 2 UStG resultierende Voraussetzung mit den Nachweispflichten für den Leistenden sieht der EuGH unter dem Gesichtspunkt der Rechtssicherheit kritisch. Der EuGH sieht das Problem, dass der Leistende seine umsatzsteuerlichen Pflichten nicht genau einschätzen kann. Deshalb hat er den BFH aufgefordert, diesen Gesichtspunkt besonders zu prüfen.

Sachverhalt

Die Rolf & Co. OHG erstellte als Generalunternehmer für BLV ein Wohnhaus und rechnete zunächst unter Hinweis auf den Übergang der Steuerschuldnerschaft netto ab. BLV versteuerte daher zunächst die von ihr bezogene Leistung als Steuerschuldnerin. Später berief sie sich auf die Steuerschuldnerschaft der Rolf & Co. OHG, da §13b Abs. 2 Nr. 4 UStG nicht durch die Deutschland erteilte Ermächtigung gedeckt sei.

Entscheidung

Der EuGH sah die Regelungen in §13b Abs. 2 Nr. 4 und Abs. 5 Satz 2 UStG auch mit den dort erfolgten Einschränkungen – nur für Werklieferungen und sonstige Leistungen, Leistungsempfänger muss seinerseits Bauleister sein – durch die erteilte Ermächtigung gedeckt. Lediglich hinsichtlich des zu berücksichtigenden Grundsatzes der Rechtssicherheit meldete er unter Bezug auf die in der Verwaltungsanweisung vorgegebene 10%-Grenze (Abschn.13b Abs. 8 UStAE) die oben beschriebenen Zweifel.