BFH zum Vorsteuerabzug aus der Rechnung des Insolvenzverwalters an die Masse

Anmerkung zu: BFH, Urt. v. 15.04.2015 V R 44/14; Vorsteuern aus der Rechnung eines Insolvenzverwalters für seine für die Insolvenzmasse erbrachten Leistungen sind nach § 15 Abs. 4 UStG aufzuteilen, wenn das Insolvenzverfahren sowohl der Befriedigung von unternehmerischen als auch privaten Verbindlichkeiten des Gemeinschuldners dient.

Praxisproblem

Insolvenzverwalter erbringen regelmäßig Verwertungsleistungen gegenüber der Insolvenzmasse, für die sie bestellt wurden. Ihre Leistungen sind umsatzsteuerbar und -pflichtig. Wenn Insolvenzverwalter Rechnungen über ihre Leistungen ausstellen, kann die Insolvenzmasse grundsätzlich die Vorsteuern aus den in Rechnung gestellten Leistungen abziehen, wenn sie Unternehmerin ist. Es stellt sich jedoch die Frage, ob die Vorsteuern gem. § 15 Abs. 3, Abs. 4 UStG nur teilweise abgezogen werden können, wenn mit den Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters sowohl private als auch unternehmerische Verbindlichkeiten des Gemeinschuldners befriedigt werden sollen.

Sachverhalt

Das zuständige Insolvenzgericht bestellte den Kläger zum Insolvenzverwalter in dem Insolvenzverfahren der Frau H, die als Unternehmerin Umsätze mit Recht auf Vorsteuerabzug ausgeführt hatte. Frau H beendete ihre unternehmerische Tätigkeit noch vor der Insolvenzeröffnung. Der Kläger übernahm Abwicklungstätigkeiten. Aus Verwertungsmaßnahmen erzielte der Kläger Einnahmen i.H.v. 38.121,77 €. Darin enthalten war eine Rückzahlung der Einkommensteuer i.H.v. 12.000 €, die der Insolvenzverwalter als Forderung „Einkommensteuer“ des FA zur Insolvenztabelle anmeldete.

Der Kläger erteilte für seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter eine Rechnung vom 10.04.2013 mit einem gesonderten Steuerausweis über 2.713,84 €. Mit der Umsatzsteuerjahreserklärung 2013 machte der Kläger für die Masse den Vorsteuerabzug und damit eine sich hieraus ergebende Vergütung in gleicher Höhe geltend. Demgegenüber setzte das FA für das Streitjahr 2013 nur eine Vergütung von 1.859,80 € fest. Der Einspruch hatte keinen Erfolg.

Das Sächsische Finanzgericht gab der Klage überwiegend statt (EFG 2015, 169). Das FG entschied, der Anspruch auf Vorsteuerabzug bestehe insoweit, als ein direkter und unmittelbarer Zusammenhang zwischen der Eingangsleistung und der wirtschaftlichen Tätigkeit vorliege. In Bezug auf die wirtschaftliche Tätigkeit seien nicht nur die angemeldeten Insolvenzforderungen von 229.653,80 €, sondern auch die Einnahmen aus der Verwertung i.H.v. 38.121,77 € und damit ein Gesamtbetrag von 267.775,57 € zu berücksichtigen. Der Anteil, der auf die Verwaltung privater Schulden und Zahlungen entfalle, belaufe sich auf 22.360,19 € und damit auf nur 8,35 %. In Bezug auf den geltend gemachten Vorsteuerbetrag von 2.713,84 € sei der Vorsteuerabzug daher i.H.v. 2.487,23 € anzuerkennen.

Hiergegen wendet sich der Kläger mit der Revision. Seine Tätigkeit als Insolvenzverwalter sei insgesamt der unternehmerischen Tätigkeit der Schuldnerin zuzuordnen. Er habe entsprechend seinem gesetzlichen Auftrag im Rahmen der Unternehmensabwicklung das Vermögen der Schuldnerin verwertet und den Erlös verteilt. Die Gemeinschuldnerin habe über kein privates Vermögen verfügt. Die Schulden hätten ausschließlich den unternehmerischen Bereich betroffen. Eine Vorsteueraufteilung sei daher nicht vorzunehmen. Selbst wenn diese erforderlich wäre, sei davon auszugehen, dass die Schuldnerin nur über betriebliche Verbindlichkeiten verfügt habe. In Bezug auf die wieder aufgelebten Verbindlichkeiten aus der Insolvenzanfechtung sei bereits fraglich, ob Einkommensteuerschulden, die auf gewerblichen Einkünften beruhen, nicht als unternehmerische Schuld anzusehen seien.

Das FA wendet dagegen ein, dass das Insolvenzverfahren nach § 1 der Insolvenzordnung (InsO) dazu diene, die Gläubiger gemeinschaftlich zu befriedigen, indem das Vermögen des Schuldners verwertet und der Erlös verteilt werde. Die Leistung des Insolvenzverwalters habe sich auch auf den nichtunternehmerischen Bereich des Schuldners bezogen.

Entscheidung

Der BFH hat die Revision des Klägers als begründet angesehen und die Sache an das FG zur weiteren Sachaufklärung zurückverwiesen. Betreffend die Rechnung des Insolvenzverwalters ist eine Vorsteueraufteilung vorzunehmen. Entgegen dem Urteil des FG hat diese aber ausschließlich auf der Grundlage der im Insolvenzverfahren angemeldeten Insolvenzforderungen zu erfolgen. Hierzu sind weitere Feststellungen erforderlich.

Beabsichtigt der Unternehmer eine von ihm bezogene Leistung zugleich für seine wirtschaftliche und seine nichtwirtschaftliche Tätigkeit zu verwenden, kann er den Vorsteuerabzug grundsätzlich nur insoweit in Anspruch nehmen, als die Aufwendungen hierfür seiner wirtschaftlichen Tätigkeit zuzurechnen sind. Beabsichtigt der Unternehmer daher eine teilweise Verwendung für eine nichtwirtschaftliche Tätigkeit, ist er insoweit nicht zum Vorsteuerabzug berechtigt. Bei der dann erforderlichen Vorsteueraufteilung für Leistungsbezüge, die einer wirtschaftlichen und einer nichtwirtschaftlichen Tätigkeit des Unternehmers dienen, ist § 15 Abs. 4 UStG analog anzuwenden.

Dient ein Insolvenzverfahren sowohl der Befriedigung von Verbindlichkeiten des – zum Vorsteuerabzug berechtigten – Unternehmers wie auch der Befriedigung von Privatverbindlichkeiten des Unternehmers, ist der Unternehmer aus der Leistung des Insolvenzverwalters nur im Verhältnis der unternehmerischen zu den privaten Verbindlichkeiten, die im Insolvenzverfahren jeweils als Insolvenzforderungen geltend gemacht werden, zum anteiligen Vorsteuerabzug berechtigt.

Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 bis 3 UStG ist, wenn der Unternehmer eine von ihm in Anspruch genommene sonstige Leistung nur zum Teil zur Ausführung von Umsätzen verwendet, die den Vorsteuerabzug ausschließen, der Teil der jeweiligen Vorsteuerbeträge nicht abziehbar, der den zum Ausschluss vom Vorsteuerabzug führenden Umsätzen wirtschaftlich zuzurechnen ist. Die Leistungen des Insolvenzverwalters stehen im direkten und unmittelbaren Zusammenhang mit den im Insolvenzverfahren angemeldeten Insolvenzforderungen. Handelt es sich bei dem Gemeinschuldner, wie im Streitfall, um eine natürliche Person, die als Unternehmer tätig war, kann das Insolvenzverfahren daher gleichermaßen der Befriedigung unternehmerischer wie auch privater Verbindlichkeiten dienen.

Die Leistung, die der Insolvenzverwalter gegen Entgelt an den Gemeinschuldner erbringt, ist eine einheitliche Leistung, die gleichermaßen durch die Verwaltung, Verwertung und Verteilung der Insolvenzmasse des Gemeinschuldners (vgl. § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO) der Befriedigung der Insolvenzgläubiger dient. Die Einheitlichkeit dieser Leistung ergibt sich dabei zum einen aus der für den Insolvenzverwalter fehlenden Möglichkeit, seine Tätigkeit auf einzelne Aufgabenbereiche zu beschränken. Zum anderen spricht für die Einheitlichkeit auch die Vergütung, die der Insolvenzverwalter für seine insgesamt ausgeübte Tätigkeit erhält (§§ 63 ff. InsO i.V.m. §§ 1 ff. der Insolvenzrechtlichen Vergütungsordnung – InsVV). Dass einzelne Tätigkeiten des Insolvenzverwalters zu besonderen Zu- und Abschlägen nach § 3 InsVV führen können, begründet nicht das Vorliegen umsatzsteuerrechtlich selbstständiger Leistungen.

Bezieht sich die einheitliche Leistung des Insolvenzverwalters auf die Gesamtheit der im Insolvenzverfahren angemeldeten Forderungen der Insolvenzgläubiger, besteht der für den Vorsteuerabzug maßgebliche direkte und unmittelbare Zusammenhang zu der Gesamtheit dieser Insolvenzforderungen. Eine Berücksichtigung einzelner Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters kommt demgegenüber nicht in Betracht.

Bezieht der – zum Vorsteuerabzug berechtigte – Unternehmer, der eine natürliche Person ist, als Gemeinschuldner die Leistung des Insolvenzverwalters sowohl für die Befriedigung seiner unternehmerischen Verbindlichkeiten wie auch für die Befriedigung seiner Privatverbindlichkeiten, ist eine Vorsteueraufteilung entsprechend § 15 Abs. 4 UStG vorzunehmen.

Die wirtschaftliche Zurechnung i.S.v. § 15 Abs. 4 Satz 1 UStG, die unionsrechtlich auf Art. 173 Abs. 1 und Abs. 2 Buchst. c MwStSystRL beruht, erfordert dabei eine Vorsteueraufteilung nach dem Verhältnis der unternehmerisch begründeten Verbindlichkeiten zu den Privatverbindlichkeiten, wobei jeweils auf die im Insolvenzverfahren angemeldeten Insolvenzforderungen abzustellen ist.

Im zweiten Rechtsgang sind durch das FG nähere Feststellungen zum unternehmerischen oder privaten Charakter der im Insolvenzverfahren angemeldeten Insolvenzforderungen zu treffen.

Praxishinweis

In dem Urteil scheint der BFH einen einfachen Maßstab für die Aufteilung der Vorsteuern aus den Rechnungen eines Insolvenzverwalters an die Masse gefunden zu haben, wenn es sowohl private als auch unternehmerische Verbindlichkeiten zu befriedigen gibt. Es soll eine Aufteilung im Verhältnis der privaten zu unternehmerischen Insolvenzforderungen erfolgen. Letztlich werden durch das Urteil jedoch mehr Fragen aufgeworfen als beantwortet, so dass noch weitere derzeit anhängige Revisionsverfahren abzuwarten sind, in denen diese Rechtsprechung präzisiert werden kann (vgl. unter V R 15/15 und XI R 28/14 anhängige Verfahren vor dem BFH). Diese Rechtsprechung scheint vor folgendem Hintergrund problematisch: Der BFH stellt zum einen für die Aufteilung nach § 15 Abs. 4 UStG auf einen Zeitraum ab, der vor Eröffnung des Insolvenzverfahrens liegt und berücksichtigt damit gerade nicht die von der Masse selbst als Unternehmerin ausgeübte Tätigkeit. Zum anderen bezieht sich die vom BFH favorisierte Anwendung des § 15 Abs. 4 UStG nicht – wie sonst üblich – auf die Ausgangsumsätze des Unternehmers, sondern durch die Anknüpfung an den Charakter der Insolvenzforderungen als privat oder unternehmerisch an die an den Insolvenzschuldner ausgeübten Umsätze. Der BFH verstärkt diese Sicht in dem er proklamiert, dass eine Berücksichtigung einzelner Verwertungshandlungen des Insolvenzverwalters demgegenüber nicht in Betracht kommt. Dies verleitet zu der Frage, ob bei einer steuerfreien Verwertung von Grundstücken ebenfalls der volle Vorsteuerabzug bestehen bleibt, wenn es nur unternehmerische Verbindlichkeiten gibt.

Des Weiteren setzt der BFH an mehreren Stellen seines Urteils voraus, dass der Gemeinschuldner „zum Vorsteuerabzug berechtigter Unternehmer“ ist. Ungeklärt ist daher auch, wie der Aufteilungsmaßstab auszusehen hat, wenn der Gemeinschuldner bereits vor Insolvenz nur teilweise zum Vorsteuerabzug berechtigende Umsätze ausgeübt hat. In konsequenter Umsetzung des Urteils müsste auch ein insolventer Arzt, der während seiner unternehmerischen Tätigkeit keine Vorsteuern hat ziehen können und nur mit unternehmerischen Insolvenzforderungen belastet ist, den vollen Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Insolvenzverwalters haben. Dies gälte selbst dann, wenn alle Unternehmensgegenstände nach § 4 Nr. 28 UStG steuerfrei veräußert werden. Da derartige Konsequenzen möglicherweise nicht gezogen werden, insbesondere wenn ein anderer Senat einen derartigen Fall zu beurteilen hat, ist es ratsam, sämtliche Umsatzsteuerbescheide von Insolvenzmassen offen zu halten, wenn die Finanzbehörden nur einen teilweisen Vorsteuerabzug aus den Rechnungen des Insolvenzverwalters gewährt haben. Insbesondere ist nicht ausgeschlossen, dass die Rechtsprechung des EuGH zur Vorsteueraufteilung bei wirtschaftlicher und nichtwirtschaftlicher Tätigkeit auf derartige Fälle zu übertragen ist und ggf. stets ein voller Vorsteuerabzug zu gewähren ist (vgl. EuGH, Urt. v. 22.02.2001, C-408/98; EuGH, Urt. v. 27.09.2001, C-16/00).